Idlib: Verstärkte Luftangriffe
Amerikanischer Generalstabsvorsitzender schlägt Einsatz von US-Truppen vor
Nach dem Ende des Idlib-Gipfels in Teheran soll es in der von der syrischen al-Qaida-Filiale Hajat Tahrir asch-Scham beherrschten Provinz gestern etwa 80 Luftschläge gegeben haben. Der in London ansässigen oppositionsnahen Ein-Mann-Agentur "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" nach sollen dabei in der Stadt Chan Schaichun nicht nur Dschihadisten, sondern auch vier Zivilisten ums Leben gekommen sein.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Freitagabend angekündigt, er werde "weder von der Seitenlinie zuschauen, noch ein solches Spiel mitspielen", wenn "die Welt vor der Tötung Zehntausender unschuldiger Menschen beide Augen zudrückt". Das wird als Warnung verstanden, dass er bereit ist, seine Armee einzusetzen. Idlib grenzt im Westen an die türkische Provinz Hatay, die bis 1938 zum französischen Mandatsgebiet Syrien gehörte. Obwohl die Türken in Hatay damals mit weniger als 40 Prozent Bevölkerungsanteil in der Minderheit waren, hatte die Kolonialmacht das Gebiet an die Türkei abgegeben, um diese von einem Bündnis mit Hitlerdeutschland abzuhalten.
Nördlich von Idlib hält Erdoğan bereits einen syrischen Gebietsstreifen besetzt, der vom ehemals kurdisch beherrschten Afrin bis nach Dscharabulus reicht. In diesem Streifen, den Ankara mit Hilfe syrischer Islamisten verwaltet, sollen seit Mittwochabend etwa tausend Zivilisten aus Idlib angekommen sein. In der ländlich geprägten Provinz leben neben etwa eineinhalb Millionen Einheimischen auch zahlreiche Kriegszuwanderer, von denen ein beträchtlicher Teil aus dem Ausland kommt. Alleine aus Tschetschenien und anderen ehemals sowjetischen Gebieten sollen 8.000 der aktuell in Idlib ansässigen Dschihadisten stammen.
"Einsatz amerikanischer Kräfte und Mittel, um die Terroristen selbst in einer städtischen Umgebung ausfindig zu machen und sie mit minimalen Verlusten unter der Zivilbevölkerung zu vernichten"
General Joseph Dunford, der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, geht von etwa zwanzig- bis dreißigtausend Terroristen aus, die sich in Idlib "verstecken", wie er gestern öffentlich mitteilte. Eine Lösung dafür sieht er im "Einsatz amerikanischer Kräfte und Mittel, um die Terroristen selbst in einer städtischen Umgebung ausfindig zu machen und sie mit minimalen Verlusten unter der Zivilbevölkerung zu vernichten". Das sei effektiver als eine "gewöhnliche große Militäroperation". Mit Russland, dem wichtigsten Verbündeten der syrischen Regierung, will Dunford dabei aber nicht zusammenarbeiten.
Duldet die syrische Regierung ein faktisches Dschihadistenreservat in Idlib, besteht die Gefahr, dass dort Anschläge geplant werden, wie in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban. Um das zu verhindern, müsste man das Dschihadistenreservat nach und nach so verkleinern, dass dort praktisch keine Zivilisten mehr leben, die das nicht wollen, es mit physischen Barrieren abriegeln und den Salafisten, die dort verbleiben, nicht nur erlauben, sondern vorschreiben, wie im 7. Jahrhundert zu leben - also ohne später entwickelte Technologien, einschließlich vor allem der Waffen. Dann müssten sie auch die sonst eher inkonsequent interpretierten Koransuren wörtlich auslegen und Bogenschießen üben.
Kampfhandlungen auch außerhalb von Idlib
Auch außerhalb von Idlib kam es in Syrien in den letzten Tagen zu Kampfhandlungen: Am Freitag beschossen "Rebellen" in der Provinz Hama die christliche Ortschaft Mahardah mit Cluster-Raketen, wobei neun Menschen ums Leben kamen und zwanzig weitere verletzt wurden. Am Samstag folgten Grad-Raketenattacken auf die in derselben Gegend gelegenen Orte al-Suqaylabiyah und Salhab, bei denen aber nur acht Menschen verletzt wurden. Die syrische Armee antwortete mit Luftschlägen und eigenen Raketenangriffen.
Außerdem griff sie im nördlich von as-Suwaida gelegenen al-Safa IS-Stellungen an, wobei nach Angaben der syrischen Nachrichtenagentur SANA mehrere Terroristen ausgeschaltet wurden. Außer in dieser Gegend gibt es in Syrien auch am Ostufer des Euphrat noch IS-Stellungen. Sie wurden zur selben Zeit von der kurdisch dominierten und von den USA unterstützten SDF attackiert. Unter den Opfern, die es dabei gab, sollen sich 14 Familienangehörige ausländischer Dschihadisten befinden. Am Tag davor hatten Kampfflugzeuge der US-geführten Anti-IS-Koalition zehn Luftschläge auf Stellungen der Terroristen in Hajin, Abu Hassan und al-Bu Khater durchgeführt.
In der von den Amerikanern eingerichteten 55 Kilometer breiten al-Tanf-"De-Eskalations-Zone" an der Grenze zum Irak und zu Jordanien sollen währenddessen zwei IS-Terroristen Selbstmordanschläge versucht haben, wobei unklar ist, ob diese US-Militärangehörigen oder den mit ihnen verbündeten Maghawir aI-Thowra-Milizen galten.
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