Im Frachtraum lauert das Risiko
Passagiere werden auch mit "Nacktscannern" abgesucht, Luftfracht wird hingegen oft nicht kontrolliert
Der Einsatz von sogenannten Nackt-Scannern an Flughäfen wird heftig diskutiert. So sollen Passagiere komplett durchleuchtet und mögliche Waffen entdeckt werden. Doch im Frachtraum können Waffen und Explosivstoffe oftmals unkontrolliert transportiert werden. Besonders Flüge in die USA sollen hoch gefährdet sein. Dies ist das alarmierende Ergebnis der Berichte des amerikanischen Bundesrechnungshofs (GAO) vom August dieses Jahres und vom April vergangenen Jahres.
Demnach sollen die zuständigen Behörden erst damit begonnen haben, Sicherheitsstrategien für Luftfracht auf Cargo- und Passagierflügen zu entwickeln. Dieser Befund klingt unglaublich, denn er offenbart gravierende Mängel - und das Jahre nach den Anschlägen des 11. September.
Güter im Wert von knapp € 400 Milliarden $ werden per Flugzeug in die Vereinigten Staaten eingeführt, davon gelangen 40 % an Bord von Passagiermaschinen in´s Land. Während Fluggäste weder Parfums noch andere Flüssigkeiten an Bord bringen dürfen bzw. diese sogar wieder wegwerfen müssen, wenn sie mehrmals umsteigen und im Duty free-Bereich eingekauft haben, klaffen im Frachtraum offenbar erhebliche Sicherheitslücken. Nur ein Teil werde durchleuchtet oder genauer untersucht, meist bleibe es beim Abgleich der Frachtpapiere, so die GAO-Fachleute.
Dies deckt sich mit einem Befund von BBC. Die Reporter berichteten 2006 von erheblichen Sicherheitsmängeln im Frachtbereich britischer Flüge. Und das 20 Jahre nachdem der Anschlag auf die Passagiermaschine über Lockerbie durch eine Bombe erfolgte, die mit einem Koffer an Bord geschmuggelt wurde. Nach diesem Unglück wurde die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen weltweit angekündigt. Doch der Bericht des amerikanischen Bundesrechnungshofs enthüllt: 100 %-Kontrolle heiße mitnichten das, wonach es klingt.
Inspektionen seien nicht automatisch direkte Kontrollen, sondern oftmals nur ein Abgleich der Angaben der Frachtpapiere. Welcher Kriminelle kreuzt bei der Einreise schon freiwillig auf der Meldekarte an, dass er ein Bandit ist. Experten des US-Spezialdienstes für Verkehrssicherheit (TSIS) fürchten Anschläge mit entführten Frachtmaschinen als Massenvernichtungswaffe. Unglücke wie der Absturz einer israelischen Maschine mit (unbekannten) chemischen Substanzen an Bord, die den Flughafen Shiphol in Amsterdam verwüsteten, könnten Terroristen als Vorbild dienen.
Vorfälle von Diebstahl und Schmuggel von Luftfrachtgütern sowie blinde Passagiere an Bord haben den US-Kongress alarmiert. Darauf haben die Beamte des GAO reagiert und Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen weltweit analysiert. Obwohl sie sich diese nach Voranmeldung, also quasi unter Idealbedingungen haben demonstrieren lassen, kamen die Bundesrechnungsprüfer zu solch beunruhigenden Ergebnissen. Entweder sind die Kontrollen der Passagiere also nur Augenwischerei, um Fluggäste in Sicherheit zu wiegen, während im Frachtraum das wahre Risiko lauert, oder der Bericht ist Teil einer Desinformationskampagne, um eventuelle Schmuggler und Terroristen in Sicherheit zu wiegen.
Luftfrachtgesellschaften, die Waffen in Krisengebiete transportieren, dürfen Europa nicht mehr anfliegen
Nicht weil sie Waffen befördern, sondern weil sie gegen die Sicherheitsbestimmungen der Europäischen Union verstoßen, dürfen Luftfrachtgesellschaften, die Waffen in Krisengebiete transportieren, in Europa nicht mehr landen. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Studie des renommierten Friedensforschungsinstitut Stockholm International Peace Research Institute(SIPRI).
In den vergangenen zwei Jahren seien 80 Luftfrachtunternehmen aus dem Luftraum der Europäischen Union verbannt worden, die im Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen oder vergleichbaren Berichten als Waffentransporteure gelistet sind. Darauf weisen die SIPRI-Autoren Hugh Griffiths und Mark Bromley hin. Billigflaggen gibt es nicht nur bei Schiffen, sondern auch bei Flugzeugen. Und so, wie Gangster wie Al Capone nicht wegen ihrer eigentlichen Verbrechen verurteilt wurden, sondern wegen Steuerhinterziehung, so werden Waffentransporteure nicht wegen des eigentlichen Delikts, sondern aufgrund von Sicherheitsverstößen belangt.
Es habe auch deshalb so lange gedauert, bis die Firmen auf die Schwarze Liste gesetzt wurden, weil eine Vielzahl von Behörden beteiligt ist. Die Blacklist erstellen das Generaldirektorat für Transport und Energie der Europäischen Kommission in Abstimmung mit dem Komitee für Luftsicherheit. Außerdem sind sowohl Eurocontrol beteiligt als auch nationale Luftfahrtbehörden.
Auf der Liste der Firmen, die Europa nicht mehr anfliegen dürfen, stehen allerdings auch 20 Unternehmen des Waffenhändlers Victor Bout. Der „Händler des Todes“, wie er im Spielfilm genannt wird, soll gerade von Thailand nach Amerika ausgeliefert werden. Ausgerechnet Transportunternehmen eines Waffenhändlers, der gar nicht mehr auf dem Markt ist, werden also verbannt. Hingegen dürften nach SIPRI-Angaben Firmen wie Air Rossiya und Air Tomisko weiterfliegen, und das, obwohl sie nach Berichten des UN-Sicherheitsrates Waffen an Länder wie den Kongo, Liberia, Libyen, Ruanda und den Irak geliefert haben sollen.
Es liegt damit die Schlussfolgerung nahe, dass nur solche Frachtunternehmen mit einem Bann belegt werden, die entweder längst vom Markt sind, die als unliebsame Konkurrenten vom Markt verdrängt werden sollen oder die sich keine vernünftigen Flugzeuge leisten können.
Wenn es um Kontrollen der Verkehrssicherheit geht, scheinen die deutschen Luftfahrtbehörden besonders aktiv zu sein. Jedenfalls legen die Beschreibungen der SIPRI-Datenbank dies nahe. Sie kontrollierten einschlägige Flieger wie die von Air Koryo und Air West, die nach Angaben eines Reports des UN-Sicherheitsrats vom 3. Oktober vergangenen Jahres militärische Ausrüstung im Jahr 2006 von Khartoum nach Darfur gebracht haben soll.
Wie es dann überhaupt zu dem Fall der Kosmas Air hat kommen können, wäre das Thema für eine eigene Untersuchung. Nach Angaben von SIPRI sollen nämlich mit Kosmas Air Lieferungen deutscher Waffenhändler an Sicherheitskräfte im Irak unter Pentagon-Vertrag transportiert worden sein. Mit Ilyushin-Maschinen, die in Kasachstan registriert gewesen seien, wurden so Waffen und Munition aus den baltischen Staaten, Bulgarien, Slowenien und der Slowakei in den Irak transportiert. Dieselbe Firma soll ausgerechnet für Lieferung humanitärer Hilfe an Tsunami-Opfer zuständig gewesen sein.
Die SIPRI-Studie listet nur auf den ersten Blick vor allem Luftfrachtgesellschaften auf, deren Flugzeuge quasi schon auseinander fallen. Wenn man sich aber in der SIPRI-Datenbank die Eigentümerstruktur anschaut oder die handelnden Akteure, ergibt sich ein anderes Bild. Besonders sticht dann Transway Airservices/SkyAir Cargo hervor. Deren Waffenlieferungen sollen nach SIPRI-Angaben 1998 von der berühmten privaten Militärdienstleistungsfirma Sandline International arrangiert worden sein. Demnach lieferte die britische Fluggesellschaft rund 35 Tonnen Gewehre, Munition und militärische Ausrüstung für den damaligen Exil-Präsidenten Sierra Leones, Ahmed Tejan Kabbah, und verstieß gegen das UN-Embargo.
Ähnlich ist der Fall der CO-ZA Airways einzustufen, die aus dem europäischen Luftraum verbannt wurde. Wer dabei denkt, dass man von Maschinen aus dem Kongo nichts anderes erwarten sollte, liegt falsch. Denn es gilt in der Luft dasselbe Prinzip wie auf See. So wie deutsche Reeder ihre Schiffe in sogenannte Billigflaggen auslagern, so stecken hinter den exotischen Frachtgesellschaften oft Geschäftsleute aus dem Westen. So auch in diesem Fall. Der israelische Geschäftsmann Moshe Rothschild soll nach SIPRI-Angaben über Golden Creek Limited, die in Amsterdam ansässig war, Helikopter und Flugzeuge geleast haben. Mit Hilfe der Fluggesellschaft sollen Waffen an Ruanda und in den Kongo geliefert worden sein. Johnson Air, offiziell registriert in Ghana, sei eine US-Firma, der Besitzer Amerikaner und Iraner. Mit Hilfe der Airline seien nach SIPRI-Informationen Waffen nach Liberia und in den Kongo verbracht worden.
Waffen nach Ruanda sei auch über die African International Airways geliefert worden, so SIPRI. Die Firma sitzt mitten in Europa, in England, zwei Meilen vom Flughafen Gatwick entfernt. Und so bekommen die Berichte der BBC-Reporter und des amerikanischen Bundesrechnungshofs eine ganz neue Bedeutung. Die von ihnen festgestellten Mängel bei der Kontrolle von Fracht könnten gewollt sein. Denn würden tatsächlich 100 % aller bewegten Güter in Augenschein genommen, wären Waffenlieferungen in Krisengebiete eben wirklich nicht mehr möglich.