Im Namen der freien Rede: Elon Musk kauft Twitter

Seite 2: Böhmermann und die "reichen Wichser"

Von derartigen Äußerungen ist Musk bislang nicht aufgefallen. Aber EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat in einem aktuellen Interview mit Die Zeit den moralischen Zeigefinger gehoben. Sie warnte vor einer zu weiten Auslegung der Meinungsfreiheit.

"Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – genau wie die Demokratie", sagte sie. Doch sei es in Europa verboten, zu Gewalt und Terrorismus aufzurufen. Dies schränke zwar die Meinungsfreiheit ein, "aber es ist im Sinne der Demokratie". Mit seinem Anspruch einer absoluten Meinungsfreiheit wird es Musk also nicht so einfach haben.

Als Musk die Übernahme von Twitter ankündigte, segelte in seinem Windschatten Jan Böhmermann vom ZDF und versuchte, auch ein wenig Aufmerksamkeit zu erheischen. Auf Twitter fragte er: "Hä? Wieso gehört am Ende alles immer reichen Wichsern, die machen können was sie wollen?".

Die Antwort könnte lauten: "Weil wir im Kapitalismus leben und nur derjenige sich ein milliardenschweres Unternehmen kaufen kann, der entweder reich geerbt hat oder eine Vielzahl von Menschen ausbeutet oder auf den beides zutrifft." Durch fleißige Lohnarbeit, in zwei oder drei Jobs, hat es sich noch niemand leisten können, ein solches Unternehmen erwerben zu können.

Eine solche Antwort hat aber niemand dem Böhmermann gegeben; stattdessen erntete der einen Shitstorm. "Niederträchtig" und "ekelhaft" sei er und seine "Armseligkeit" sei bemerkenswert. Nun, beim Niveau der Kritik ist noch viel Luft nach oben.

Hätte Böhmermann seine Kritik ernst meinen wollen, so hätte er erklären sollen, ab wann man zu den "reichen Wichsern" zählt. Ihm selbst wird auch ein Vermögen von fünf Millionen Euro nachgesagt. Im Vergleich mit Musk besteht da zwar ein erheblicher Unterschied; aber im Vergleich mit einem durchschnittlichen Deutschen könnte Böhmermann auch schon zu den "reichen Wichsern" zählen.

Die meisten Verlage und Unternehmen gehören Leuten, die man "reiche Wichser" nennen könnte. Und im Kapitalismus ist es nicht ungewöhnlich, dass die Masse der Menschen diese Leute – ohne Absicht – noch reicher machen. Und dann kaufen sie sich eben ein soziales Netzwerk oder eine Zeitung und spielen sich als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit auf. Böhmermanns gespielte Empörung ändert daran überhaupt nichts.

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