Im Silicon Valley der Fischverwertung
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Der Iceland Ocean Cluster und die "unglaubliche Fischwert-Maschine"
Ein wertvoller Teil des Kabeljaus ist seine Haut - in den Augen von Werte-Optimierern ist die wertvoller als seine Lende. Verarbeitet man sie zu Haustierfutter, lassen sich zwischen 10 und 15 US-Dollar pro Kilogramm erzielen, in der Kollagenherstellung 35 US-Dollar, als Fischleder 50 US-Dollar, und als Verbandszeug 150 US-Dollar.
Ein Vorzeige-Beispiel des Icelandic Ocean Clusters ist Codland, das Ergebnis einer Zusammenarbeit von sieben Unternehmen, darunter die großen Fischereien von Vísir und Þorbjörn sowie die Fischtrockner von Haustak, die 2012 mit dem Nachdenken über eine noch bessere Verwertung der Ressource Kabeljau begannen. Codland hat 2015 Fördergelder von Nordic Innovation erhalten, um Produkte aus Fischhaut zu entwickeln.
Nach einem dreijährigen Forschungsprojekt soll in Grindavík eine Fabrik entstehen, die 3000 Tonnen Fischhäute im Jahr verarbeitet. Einige der wichtigsten Biotechnologie-Unternehmen und Institute nordischer Länder sind im Forschungsprojekt eingebunden. Am Ende der Forschung sollen neue Enzyme stehen, die Kollagen aus der Fischhaut extrahieren können - ein Strukturprotein des Bindegewebes, gleichsam der Kleber, der den Körper zusammenhält. Kollagen wird in der Kosmetik als Wirkstoff eingesetzt, hauptsächlich in Cremes, die die Hautalterung vermindern sollen. Bei Codland hatte man die Häute zuvor zum spanischen Gelatineproduzenten Junca zum Zwecke einer experimentellen Kollagenproduktion verschifft, nun wollen die Isländer den Mehrwert gleich zu Hause generieren. Sollte das Projekt erfolgreich sein, verspricht man sich 100 bis 200 neue Arbeitsplätze in Grindavík.
Leider besteht der Kabeljau nur zu 3% aus Haut. Auch bei einem anderen Organ bedauern die Neuerer, dass der Fisch nur eins davon hat und nicht gleich zwei. Die Leber zum Beispiel, die 12% der Körpermasse eines Kabeljaus ausmacht und seit langem genutzt wird. Sie ist das Zielorgan des Codland-Partners Ægir Seafood: Hier wird Kabeljauleber zu Konserven verarbeitet und als superbe Omega-3-Quelle auf den Markt gebracht. Und nicht nur das: In anderen Teilen der Welt geriet die Dorschleber aufgrund hoher Dioxinwerte in Verruf und wurde teilweise aus dem Programm genommen. Die Isländer sind von diesem Problem vergleichsweise wenig betroffen und vermarkten ihre weitgehend unbelastete Ware entsprechend.
Ein anderes Codland-Produkt soll Hipster ansprechen: die Kollagen-Limonade Alda, mit "Retrovibe". Außerdem im Codland-Entwicklungs-Portfolio: Nahrungsmittelergänzungen und Vitamine, Omega-3-Fettsäuren und Leberöle, Dünger und Tierfuttermittel, alles aus Fischresten. Sie versprechen allesamt eine deutliche Steigerung des Mehrwerts. Allein die Isolation von blutdrucksenkenden Fischproteinen kann bis zu 1000 US-Dollar das Kilo einbringen.
Enzyme aus der Kälte
Das proteinverdauende Enzym Trypsin wurde früher als wertlos erachtet. Mittlerweile hat es wegen seiner mikrobiziden Wirkung Interesse geweckt. Die Forschung läuft in einer Zusammenarbeit der Universität Reykjavik mit Zymetech, einem High-Tech-Unternehmen und Ableger aus früherer universitärer Forschungsarbeit. Zymetech hatte um die Jahrtausendwende eine Hautcreme auf den Markt gebracht, die aus Kabeljauabfällen hergestellt wurde: Penzim, Kürzel für "penetrierende Enzyme". Sie soll die Haut weicher machen und ihr Altern verlangsamen. Das Enzym-Spray von ColdZyme wiederum soll Erkältungen vorbeugen.
Der trypsinhaltige Wirkstoff wird Penzyme genannt und aus Kabeljaueingeweiden gewonnen. Der Kabeljau schluckt seine Beute ganz und verlässt sich auf das Trypsin in seinem Verdauungstrakt. Die Enzyme sind psychrophil: kälteliebend wie der Kabeljau, der Temperaturen von -2°C bis +4°C bevorzugt. Bei menschlichen Körpertemperaturen steigt die Aktivität dieser Enzyme stark an.
Kerecis: Kabeljauhaut in der Wundbehandlung, bald auch im Krieg
Das Medical/Biotech-Unternehmen Kerecis aus Ísafjörður wurde 2009 gegründet. Das Produkt: Kerecis Omega3, ein Gewebetransplantat aus azellulärer Fischhaut von Kabeljauen aus Fischfarmen im Nordwesten Islands. Bei der Verarbeitung der Fischhäute kommt eine patentierte Technologie zum Einsatz, die die Struktur und Lipidzusammensetzung der Haut bewahrt. Die Proteine und Lipide der Fischhaut, zu denen Sterole, fettlösliche Vitamine, Phospholipide und Omega-3-Fettsäuren, gehören, helfen im Zusammenspiel bei der Wiederherstellung beschädigter Gewebe.
Unterdessen erhält Kerecis finanzielle Unterstützung vom US-Department of Defense, um neue Methoden zur Behandlung von Brandwunden zu entwickeln. Dort hat man festgestellt, dass deieZahl der Todesopfer aufgrund von Brandwunden in den heutigen Guerillakriegen höher liegt als bei den traditionellen Schlachtfeld-Kriegen.
Kerecis soll seine Fischhauttechnologie an Feldbedingungen anpassen. Bisherig angewandte Methoden der Hautwiederherstellung sind nur in Lazaretten praktikabel. Die Technologie soll außerdem ehemaligen US-Militärangehörigen mit schwer heilenden Wunden zugänglich gemacht werden. Kerecis-Produkte sind auch im deutschsprachigen Raum erhältlich.