Im Silicon Valley der Fischverwertung
Seite 2: Atlantisches Leder
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In der 3000-Seelen-Gemeinde Sauðarkrókur arbeitet Sútarinn, die letzte verbliebene Gerberei Islands. Die Gerberei ist Heimstatt von Atlantic Leather. Seit 1989 werden hier Fischhäute gegerbt, zunächst versuchsweise. 2000 hatte das Fischleder schließlich die gleiche Weichheit wie Kuhleder, ohne Restgeruch.
Fischleder wird wie andere Ledersorten durch das Gerben von Tierhaut hergestellt - hier Fisch. Das Leder ist dünn und für seine Größe sehr stark und leicht färbbar. Es ist wegen seiner leichten Bearbeitbarkeit beliebt. Das typische Dreieck der feinschuppigen Kabeljauhaut hat eine Fläche von 500 Quadratzentimeter und ist im Durchschnitt 0.4 mm dick.
Die Verwendung von Fischleder ist in Island seit Jahrhunderten bekannt, vornehmlich durch Menschen, die sich kein Lammleder leisten konnten. Ungegerbte Fischhaut ist brüchig und hält nicht lange. Erst die moderne Gerberei betont die Vorteile der mikroskopisch kleinen kreuzschraffierten Hauttextur und verwandelt sie in ein haltbares Produkt. Einmal gegerbt, ist sie so widerstandsfähig wie andere Ledersorten auch - oder besser. Fischleder ist zehnmal stärker als eins vom Lamm der gleichen Stärke.
Dafür mussten sie in Sauðarkrókur eine Gerberei-Technologie für niedrige Temperaturen entwickeln, denn ihre Zielfische kommen aus dem kalten Nordatlantik. Bei Temperaturen von über 30 °C, bei denen zum Beispiel Lammhaut gegerbt wird, löst sich das Kollagen aus der Haut. Anfänglich produzierten sie bei Sútarinn so nur "tausende Liter Fischsuppe".
Vor dem Gerbereiprozess werden die Schuppen entfernt. Die Stellen, an denen sie saßen, bilden geometrische Täschchen, die dem Leder seine begehrte Textur geben. Zu den Kunden von Atlantic Leather gehören Luxus-Modemarken wie Dior oder Prada, deren Wunsch nach Extravaganz hier mit maßgeschneiderten- bzw. gefärbten Anfertigungen bedient wird.
Die 100%-igen
Þór Sigfússon glaubt, dass in nicht allzu ferner Zukunft jeder vierte Startup in Island mit dem Meer befasst sein wird. Außerdem glaubt er, dass immer mehr Leute zur "100%-Bewegung" stoßen und damit das Verwerfen wertvoller Rohstoffe vermindern werden. Bei den 100%-igen hören sie auch nicht gern die Bezeichnung "Abfall" - sie bevorzugen "Möglichkeiten".
Sie träumen von einer Mehrwert-Welt, in der die vollständige Nutzung des Fischs der Bedrohung der zukünftigen Versorgung durch Überfischung, nicht nachhaltigen Aquakulturen, Meeresverschmutzung- und Versauerung entgegensteht. Sie wollen so den Weg zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Werten zeigen, im Angesicht weltweit knapper werdender Rohstoffe.