Immer, wenn er seine Flügel hebt

Wenn der junge Fluchtkuckuck die Flügel hebt, schleppen die besorgten Vogeleltern Futter heran.

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Junge Kuckucke reißen ihren orangerot leuchtenden Rachen sperrangelweit weit auf, um ihren Wirtseltern anzuzeigen, dass sie hungrig sind. Wie zwei Forscher der Rikkyo Universität in Tokio in der aktuellen Ausgabe von Science berichten, setzt der Fluchtkuckuck zu diesem Zweck noch ein weiteres Hilfsmittel ein: Wenn er kräftig mit den Flügeln flattert, werden an der Unterseite gelbe Flecken sichtbar, die die besorgten Vogeleltern zu Höchstleistungen bei der Nahrungsbeschaffung antreiben.

Keine Chance für Nahrungskonkurrenten

Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist nicht nur ein Vogel, dessen markanten Ruf sogar ornithologisch völlig Unbedarfte erkennen, er hat auch einen Namen als Schmarotzer genauer als Brutschmarotzer: Um seinen Nachwuchs kümmert er sich nämlich nicht selbst, den jubelt er anderen Arten unter. Wenn der Kuckuck-Ruf im Frühjahr ertönt (er ist seit Mitte April wieder bei uns zu hören), balzt das Männchen um eine Partnerin.

Bettelnder Fluchtkuckuck mit erhobenem Flügel. Der gelbe Fleck an der Flügelunterseite ist deutlich erkennbar. (Bild: Science/Rikkyo Universität)

Gemeinsam begeben sich die beiden dann auf Nestsuche und das Weibchen legt seine Eier einzeln in die Nester von bestimmten Singvögeln. Bis zu 18 Stück deponiert sie so. Diese Eier sind der Singvogelart farblich angepasst, in der Regel ist es die, von der die Kuckuckin selber aufgezogen wurde.

Doch diese Strategie geht nicht immer auf: Da die Kuckuckseier größer sind als die des unfreiwilligen Gastgebers, gibt es auch Wirtsvögel, die den Betrug bemerken und das fremde Ei entfernen oder ein neues Gelege beginnen. Nimmt das Singvogelpaar das Ei jedoch an, hat der eigene Nachwuchs keine Chance mehr. In seinen ersten Lebenstagen ist der junge Kuckuck enorm aktiv und schaltet seine Nahrungskonkurrenten aus, indem er sie aus dem Nest schiebt.

Viel Arbeit mit dem „faulen“ Ei

Das Singledasein hat allerdings für den Jungkuckuck auch Nachteile. Je weniger Junge im Nest sind, umso weniger Nahrung schleppen die Vogeleltern an. Doch so ein Kuckuck ist groß und braucht entsprechend viel Nahrung. Er muss also alles aufwenden, um auf seinen Hunger aufmerksam zu machen. Er schreit laut und reißt vor allem seinen orangeroten Rachen weit auf, um die fehlenden anderen Jungen, d. h. die fehlenden anderen visuellen Stimuli für die Eltern, zu kompensieren. Dieser Sperrrachen reicht, um einen starken Fütterungstrieb bei den Wirtseltern auszulösen. Und es ist schon kurios anzusehen, wie meist sehr viel kleinere Wirtsvögel sich abmühen, den großen, rundlichen Kuckuck nach besten Kräften herauszufüttern.

Auch der in Ostasien heimische Fluchtkuckuck (Cuculus fugax) muss sich als Jungvogel ins Zeug legen, um satt zu werden. Die Biologen Keita Tanaka) und Keisuke Ueda vom Department für Life Sciences der Rikkyo Universität in Tokio haben nun herausgefunden, dass er sich dabei noch eines weiteren Mittels bedient. Wenn die Jungkuckucke mit ihren Flügeln schlagen, um auf sich aufmerksam machen, werden auf deren Unterseite gelbe Flecken sichtbar. Die Forscher vermuteten nun, dass diese Flecken den Vogeleltern weitere Schnäbel vortäuschen sollen, um sie so anzuregen, mehr Nahrung aufzufahren.

Keine Flecken, weniger Nahrung

Tanaka und Ueda untersuchten nun in einem ersten Schritt, ob die Häufigkeit mit der der kleine Kuckuck seine Male zeigt, die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Fütterungen beeinflusst. Sie fanden heraus, dass die Kleinen ihre Flecken beim Betteln weniger häufig zeigten, wenn die Fütterungsintervalle kürzer wurden.

In einem weiteren Experiment testen sie dann, was passiert, wenn die Flecken an der Flügelunterseite fehlen. Dazu übermalten sie bei einer Gruppe von Kuckucksjungen die gelben Flecken mit schwarzer Farbe und verglichen die Reaktion der Vogeleltern mit zwei Kontrollgruppen, bei denen die Flügel nicht manipuliert bzw. mit einer transparenten Lösung übermalt worden waren. Wie die Forscher erwartet hatten, ließ bei den Tieren ohne das Farbsignal der Eifer der Vogeleltern beim Füttern merklich nach.

Die Vermutung, dass die Vogeleltern die gelben Flecken für die Schnäbel weiterer Jungen halten, erhärtete sich für die Forscher auch dadurch, dass manche Vogeleltern versuchten, diese Flecken zu füttern. Dabei scheint allein die Farbe und nicht auch die Form den Stimulus für die Nahrungszufuhr auszulösen, denn die besagten Flecken im Federkleid der Kuckucksjungen sind nicht annähernd schnabelförmig.

Schutz vor Jägern

Die Strategie des Fluchtkuckucks, sich beim Betteln um Nahrung durch ein Farbsignal und weniger durch seine Stimme bemerkbar zu machen, macht für Tanaka und Ueda auch deshalb Sinn, weil die bevorzugten Wirtsarten von Cuculus fugax auf dem Boden nisten. Sie sind daher einem sehr viel größeren Jagddruck ausgesetzt. Nach den Beobachtungen der Wissenschaftler fiel in jedem Jahr wenigstens die Hälfte dieser Nester einem Plünderer zum Opfer. Die Manipulationsstrategie der jungen Fluchtkuckucke könnte daher evolutionsgeschichtlich ihren Sinn darin haben, dass die Jungen leise auf sich aufmerksam machen, um nicht durch lautes Rufen ungebetene Gäste anzuziehen.