Imperial überdehnt
Base Structure Report 2003 - Die USA weiten ihre militärische Präsenz weltweit aus
Die Streitkräfte der USA vereinigen in sich die größte Militärmacht, die es jemals auf dem Globus gegeben hat. Dennoch wollen sie ihre Vormachtstellung weiter ausbauen. Gleichzeitig sind die tatsächlichen Ausmaße ihrer aktuellen militärischen Präsenz über den Erdball noch nicht genügend in die Öffentlichkeit gedrungen, obwohl diese die neue Ausrichtung der amerikanischen Militärstrategie noch augenscheinlicher machen könnten. Nicht klar ist allerdings, ob sich die USA mit einem forcierten Ausbau ihrer weltweiten Truppenpräsenz nicht doch überheben.
Die USA unterhalten auf eigenem Territorium 6000 Militärbasen und laut Base Structure Report 2003 des amerikanischen Verteidigungsministeriums - weitere 702 in über 130 Ländern. In diesen sind über 500 000 Soldaten, Spione, Techniker etc. stationiert, die nicht nur direkt die Erfüllung der militärischen Ambitionen der USA in der Welt gewährleisten, sondern auch Telefonanrufe, Faxe und Emails sämtlicher Erdenbewohner überwachen sollen.
Manche von diesen US-Basen wie Camp Anaconda im Nord-Irak sind so groß, dass insgesamt neun Buslinien die Wege innerhalb des Camps, das sich auf insgesamt 25 Quadratkilometer erstreckt, abdecken müssen. Für die Versorgung dieser nahezu autarken US-Stützpunkte mit Gütern und zivilen Dienstleistungen sind wiederum industrielle Unternehmen wie Kellogg und Brown&Root zuständig, bei denen das Geschäft mit dem Militär mittlerweile zu den lukrativsten Handelszweigen zählt. So wurde z.B. nahezu ein Drittel der für Irak-Krieg bewilligten Gelder (ca. 30 Milliarden Dollar) für die Bezahlung genau solcher Unternehmen ausgegeben.
1000 Stützpunkte?
Ob aber die offiziellen Angaben über diese Militärstützpunkte tatsächlich der gesamten Wirklichkeit entsprechen, bleibt zumindest zweifelhaft. So gibt der "Base Structure Report 2003" für einige Länder wie dem Kosovo, Afghanistan, Israel und Kuwait keine Auskunft, obwohl die US-Armee dort ohne Frage Stützpunkte unterhält. Für andere Standorte, wie z.B. Okinawa in Japan, wo die Amerikaner zehn Stützpunkte besitzen, wird nur eine einzige Marine-Basis angegeben. Ebenfalls verschweigt der Bericht z.B. die Existenz von Militär- und Spionage-Einrichtungen in Großbritannien. Von US-Basen, die im Geheimen operieren ist aus nicht ganz unverständlichen Gründen ohnehin nie die Rede. Würden hier alle Karten auf den Tisch gelegt, könnte sich die Anzahl von US-Stützpunkten außerhalb des amerikanischen Territoriums wohl insgesamt auf 1000 Stück belaufen, schätzt der US-Historiker Chalmer Johnson.
Von Kolumbien und Nordafrika über den mittleren Osten bis zu den Philippinen und Indonesien erstreckt sich mittlerweile die Zone der von den USA als "instabil" definierten Regionen - ganz abgesehen von jenen nationalen Gebilden, die in der Kindersprache des "Öl-Manns" George Bush "Schurkenstaaten" genannt werden -, in denen Amerika im Zuge des immer mehr hin zu einem totalen Interventionismus tendierenden Anti-Terror-Krieges, (in der bereits die Möglichkeit einer Bedrohung für einen "Weltpolizei"-Einsatz den Ausschlag geben kann) mehr militärische Präsenz zeigen und seinen unmittelbaren Machtbereich direkt ausweiten will. Hier sollen wohl längerfristig feste US-Militärstützpunkte etwaige Machthaber ersetzen, die sich im Kampf gegen soziale Rebellionen als zu schwach und in Bezug auf die Rohstoff-"Sicherung" für die USA als zu unsichere Kantonisten erweisen. Völkerrechtliche Bedenken scheinen hierbei eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.
Diese Route liegt denn auch passenderweise an einigen Schlüsselstellen der bislang entdeckten Ölreserven, die man dann im Falle eines Krieges gleich mit verteidigen aber so erst einmal unter unmittelbare Kontrolle bringen kann. Außer im Irak und in Kuwait sollen zusätzlich in Europa (Rumänien, Polen und Bulgarien), Asien (Pakistan, Indien, Singapur, Australien, Malaysia, die Philippinen und Vietnam), Nordafrika (Marokko, Tunesien und Algerien) und Westafrika ( Senegal, Ghana, Mali und Sierra Leone) neue Militärstützpunkte gebaut werden.
Dafür wiederum ist ein Abbau der Truppenpräsenz in jenen Ländern beabsichtigt, die einstmals wegen der Kalte-Kriegs-Konstellation geboten war, unter anderem in Deutschland, das ja in weltpolitischer Hinsicht eigene Ambitionen zeigt. Der Umzug in ärmere Regionen wäre für die US-Militärs wohl aus der Erwägung heraus, dass man dort bestimmt nicht in dem Maße für auftretende Schäden an Mensch und Natur herangezogen würde wie im wohlhabenden Europa wünschenswert, jedoch wird die geplante Truppenverlegung wegen finanziellen Engpässen in begrenzten Bahnen verlaufen, so dass wohl 80% des amerikanischen Personals in der Bundesrepublik verbleiben wird.
Pläne für eine amerikanische militärische Omnipräsenz
Gleichfalls könnten Pläne für eine amerikanische militärische Omnipräsenz durch den Machtanspruch z.B. Russlands konterkariert werden, das bestimmt nicht über US-Stützpunkte innerhalb seines direkten Einflussbereiches begeistert ist und wohl alles daran setzen wird, diese so weit wie möglich zu verhindern bzw. außer Kraft zu setzen. Generell gegen den Erfolg der Strategie einer Ausweitung der amerikanischen Truppenpräsenz spricht die These des US-Soziologen David Eisenhower, "dass die USA schon jetzt "imperial überdehnt" sind. Die US-Truppen sind überbeansprucht und die Zahl ihrer militärischen Verpflichtungen in der Welt nimmt täglich zu."
Das größte Hindernis für eine solche Strategie der US-Amerikaner werden aber zweifelsohne weitere destabilisierende Effekte in diesen prekären Regionen sein, in der traditionelle religiöse und ideologische Konflikte mit tiefen sozialen Diskrepanzen und permanenten Umverteilungskämpfen zusammentreffen. Hier besteht die größte Gefahr, dass eine militärische Präsenz der USA diese erbitterten Auseinandersetzungen nicht in einen bürgerlich-rechtlichen Rahmen überführt, sondern genau der Tropfen Wasser ist, der das Fass zum Überlaufen bringt. Diese für imperiale Bestrebungen eher trübe Aussicht wird aber unseren Verteidigungsminister Peter "Hindukusch" Struck (vgl. "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt")nicht daran hindern, interventionskritische Argumente bei zukünftigen Out-Of-Area-Einsätzen bei seinem Kalkül ebenfalls nicht einzubeziehen.