Impfkönigin gegen Impfstoffzar
Anders als in Großbritannien herrscht in Deutschland Impfstoffmangel. Diesen soll nun ein Sonderstab beseitigen
Großbritannien scheint zurzeit beweisen zu wollen, dass eine Mitgliedschaft in der EU nicht nur Vorteile hat. Seit einigen Tagen überschlagen sich die internationalen Medien mit Berichten über britische Impferfolge. Mittlerweile seien in Großbritannien gut 15 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Damit sei das Ziel erreicht worden, alle über 70-Jährigen, die Gesundheits- und Sozialarbeiter an vorderster Front, die Bewohner von Pflegeheimen sowie klinisch besonders gefährdete Personen zu impfen.
Dass kein anderes Land in Europa die Impfungen schneller durchführe als Großbritannien, liege an seiner "Impfkönigin", die im richtigen Leben Kate Bingham heißt. Frau Bingham, die von Beruf "Risikokapitalunternehmerin" sei, so der Spiegel, und vermutlich nur eine Weile warten muss, bis sie in den Adelsstand erhoben wird, habe bis Dezember ehrenamtlich die "UK Vaccine Taskforce" angeführt.
Selbst Kritiker des Brexit-Kurses gestehen laut CNN ein, dass der britische Alleingang, Frau Bingham sei es gedankt, nicht zu den von ihnen befürchteten Engpässen in der Impfstoff-Beschaffung geführt habe. Kate Bingham habe frühzeitig Verträge mit Pharmaunternehmen abgeschlossen und hunderte von Millionen Impfdosen gesichert. "Wir haben das gemacht", so Frau Bingham, "weil wir schnell und flink waren".
Impfrate in Deutschland im unteren Prozentbereich
Schnell und flink geben sich die Verantwortlichen hierzulande auch sehr gerne. Doch in Deutschland, das ebenfalls Sitz eines weltweit führenden Corona-Impfstoff-Herstellers ist, beläuft sich die Zahl der bisherigen Impfungen auf 4,7 Millionen, weniger als ein Drittel der Zahl der Impfungen in Großbritannien (Stand: 19.02). Bislang wurden in Deutschland 3,7 von 100 Einwohnern zumindest einmal geimpft. Knapp zwei Prozent der Bevölkerung haben Zweitimpfungen erhalten.
Gut 78 Millionen Einwohner Deutschlands sind somit derzeit gegen Covid-19 nicht geimpft. Beim gegenwärtigen Tempo der Impfkampagne in Deutschland – etwa eine Million Impfdosen pro Woche – wird es bis Mitte Oktober 2022 dauern, bis jeder Einwohner rein rechnerisch zumindest eine Impfung erhalten konnte.
Dass dieses Tempo, insbesondere in Kombination mit andauernden Lockdown-Maßnahmen, politisch nicht akzeptabel ist, haben sogar die politisch Verantwortlichen in Deutschland erkannt. Deswegen reagiert der Bund nun, sicherlich nicht verfrüht, auf den "Corona-Impfstoffmangel", der einen Mangel an Weitblick hiesiger Verantwortlicher abbildet, mit der Einrichtung eines "Sonderstabes". Dieser soll staatliche Investitionen in die Impfstoffproduktion organisieren.
"Wir haben in Gesprächen mit Herstellern festgestellt", so Gesundheitsminister Jens Spahn Ende der Woche, "dass es nicht wenige Hersteller gibt, die darüber nachdenken, in Deutschland zu investieren." Der "Sonderstab" soll nun dafür sorgen, dass sich dieses Nachdenken beschleunigt und zu mehr Investitionen in die Impfstoffproduktion führt. Auch wolle man Reserven für die nächste Pandemie aufbauen.
Der "Impfstoffzar" soll es richten
Die Position des Impfstoff-Beauftragten soll Christoph Krupp, der bislang als Sprecher des Vorstands der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben tätig war, übernehmen. Nachdem man in diesen Dingen anscheinend von den Briten lernen kann, bezeichnet das Manager Magazin Herrn Krupp vorsorglich als "Impfstoffzar". Herr Krupp, laut Medienberichten ein langjähriger Vertrauter von Finanzminister Olaf Scholz, soll für genügend Nachschub an Rohstoffen und Bewegung in den Lieferketten sorgen.
Wie stark und wie schnell der "Sonderstab" Schub in die Impfstoff-Lieferungen bringen wird, bleibt abzuwarten. Der Einsatz der britischen Impfkönigin Kate Bingham erfolgte ab Mai letzten Jahres. Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: Die Befürchtungen mancher, die deutschen Behörden wollten die Bevölkerung schnellstmöglich "durchimpfen", haben sich nicht bestätigt.
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