In Afghanistan führt die Bundeswehr nach Verteidigungsminister Jung noch immer keinen Krieg
Nicht nur die vermehrten Kämpfe und die toten und verletzten Soldaten, sondern allein schon die Ausgaben für militärische und zivile Aufgaben zeigen ein anderes Bild
In Afghanistan sind in der Nähe von Kundus drei deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Nachdem die Patrouille in der Nähe von Kundus unter Beschuss geriet, wurde das Feuer erwidert. "Im Rahmen der Gefechtshandlungen kam … beim Rückwärtsfahren ein Transportpanzer Fuchs von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Infolge dieses Vorfalls sind drei Soldaten gefallen", erklärt die Bundeswehr.
Verteidigungsminister Jung (CDU) will noch immer nicht von einem Krieg in Afghanistan sprechen (Krieg, Kampf, robuster Friedenseinsatz …), an dem deutsche Soldaten beteiligt sind, auch wenn er von den bei dem Unfall Gestorbenen von Gefallenen spricht. "Dabei würde man verkennen, dass unsere Strategie eine andere ist", sagte er dem ARD-Morgenmagazin. "Wir sind dort keine Besatzer", betonte er. Zur Strategie der "vernetzten Sicherheit" gehöre neben Kämpfen und Schützen auch Helfen und Vermitteln. "Wer uns angreift, der wird auch bekämpft", versicherte er, "und die Bundeswehr hat dafür die notwendigen Antworten.“
Außenminister Steinmeier spricht einmal wieder von einem "feigen Angriff". Soll das sagen, dass die Soldaten bei einem irgendwie "richtigen" Angriff nicht gestorben wären? Oder soll das sagen, dass die Bundeswehr schon gut ausgerüstet wäre, wenn es sich nicht um einen asymmetrischen Konflikt handeln würde?
Reinhold Robbe (SPD), der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, kritisierte das Herumlavieren des Ministers. In der deutschen Öffentlichkeit werde "noch immer verdrängt", dass die Bundeswehr in Afghanistan Krieg führe: "Da soll man auch nicht drumherum reden, sondern benennen, wie es ist."
Drumherum reden muss man auch nicht, wenn man sich die Ausgaben ansieht. Der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) hat sich die Ausgaben für zivile Konfliktbearbeitung im Bundeshaushalt einmal angeschaut und kommt zu dem Ergebnis: "Im Verteidigungsetat sind in diesem Jahr 31 Milliarden Euro eingeplant. Das ist mehr als das 30-Fache der Mittel für die Zivile Konfliktbearbeitung." Für die gesamte Zivile Konfliktbearbeitung sind 2009 nach dem BSV 900 Millionen Euro vorgesehen.
Was Afghanistan betrifft, so hat der Bundestag die Verlängerung der deutschen Beteiligung am ISAF-Einsatz am 16. Oktober für weitere 14 Monate bis Ende 2009 gebilligt. Die Kosten für den militärischen Einsatz betragen 688,1 Millionen Euro. Am 24.6. hat der Bundestag dem Einsatz von AWACS-Flugzeugen zugestimmt. Kosten: 4,29 Millionen Euro. Im Antrag auf die Verlängerung des Mandats im Oktober 2008 hieß es:
Schwerpunkt des deutschen Engagements bleibt der zivile Wiederaufbau Afghanistans. Die Bundesregierung setzt sich hier für den Aufbau staatlicher Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen in Afghanistan ein. Hierfür wurden die Mittel im Jahr 2008 um 70 Mio. Euro auf nunmehr 170,7 Mio. Euro angehoben.
Auch hier könnte man sagen, was der HSV zu den Gesamtausgaben für Zivile Konfliktbearbeitung moniert: Von einem 'Vorrang für Zivil' kann also keine Rede sein." Der BSV fordert, dass bis 2020 mindestens genauso viele Ressourcen für zivile Krisenprävention bereit stehen wie für militärische Einsätze.