Krieg, Kampf, robuster Friedenseinsatz …

Das deutsche Verteidigungsministerium lehnt es ab, vom Krieg in Afghanistan zu sprechen

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Bundesverteidigungsminister Jung erklärte in Kabul dem ZDF sein Verständnis vom Krieg so: "Wenn unsere Bevölkerung an Krieg denkt, dann denkt sie an die Opfer des Zweiten Weltkriegs, an diese Dimension von Millionen Menschen, die ums Leben gekommen sind." In Afghanistan gebe es hingegen eine "asymmetrischen Bedrohungslage". Man befinde sich also nicht in einem Krieg gegen den Terrorismus, sondern im "Kampf gegen den Terrorismus". Damit dürfte der deutsche Verteidigungsminister allerdings nicht auf einheitlicher Linie mit anderen Nato-Staaten sein, vor allem nicht mit der britischen und US-amerikanischen Regierung.

Aufgekommen war die Definitionsfrage, nach der Vorsitzende des BundeswehrVerbandes, Oberst Bernhard Gertz, die Bundesregierung in einem Interview kritisierte, dass sie den Tod des bei Kundus getöteten Hauptfeldwebels mit der "gestelzten Wendung" umschreibe, er sei dort "ums Leben gekommen". Gertz sagte weiter: "Da wird schon verschleiert, da wird die Wahrheit verschwiegen. Richtig Ist: Dieser Hauptfeldwebel ist für die Bundesrepublik Deutschland gefallen. Wenn wir uns scheuen, dies nicht deutlich zu sagen, müssen wir uns nicht wundern, dass unsere Gesellschaft nicht versteht, was wir In Afghanistan wollen. Wir befinden uns in einem Krieg gegen einen zu allem entschlossenen fanatischen Gegner, der gegen uns Krieg führt. Die Bundesregierung wäre gut beraten, dies in aller Klarheit zu sagen."

Davon will man im Verteidigungsministerium aber nichts hören. Für den Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), ist die Kritik des BundeswehrVerbandes selbst wieder nur Rhetorik. "Wir sollten hier keine Rhetorikschlacht beginnen", sagte er dem Tagesspiegel. "In unserem Sprachgebrauch sprechen wir nicht von Kreuzzügen, wenn es gegen Terrorismus geht und nicht von Krieg, wenn es um Fälle von Anwendung bewaffneter Gewalt geht. Mit den Begriffen darf man nicht leichtsinnig umgehen." Als Sprachregelung schlägt er vor: "Es ist ein robuster Friedensschutz, kein neuer Krieg."

Besser drückte es Major Jürgen Fischer, der Sprecher des Wiederaufbau-Teams in Kundus, aus: "Wir haben eigentlich keine Zeit, uns an einer Wortschlacht zu beteiligen. Jeder nimmt den Einsatz subjektiv anders wahr."

Jung forderte überdies, dass Kritiker des militärischen Einsatzes ihren Mund halten sollen. Wer über einen möglichen Abzug diskutiere, würde dem Gegner in die Hand arbeiten. Das ist nicht nur die übliche Durchhalteparole, sondern ebenso wie die Sprachregelung ein Beitrag zur rhetorischen Aufrüstung. Da Abszugsforderungen den Extremisten, die die Diskussion verfolgen, entgegenkommen, muss geschwiegen und der Einsatz letztlich unterstützt werden: "Deshalb kann ich nur jeden bitten", so Jung, "solche Forderungen zu unterlassen, weil sie letztlich auch eine zusätzliche Gefährdung für unsere Soldaten darstellen." Das demokratische Verständnis des Ministers scheint nicht allzu groß zu sein.

Für die Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) findet beispielsweise ein Krieg in Afghanistan statt. Ihre Definition:

"In Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende (1917-1988) definiert die AKUF Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmale aufweist:

(a) an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) der Regierung handelt;

(b) auf beiden Seiten muss ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg usw.);

(c) die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuierlichkeit und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d.h. beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet einer oder mehrerer Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern.

Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. für den Zeitraum von mindestens einem Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der AKUF-Kriegsdefinition fortgesetzt werden. "