In Syrien unterstützt Iran das letzte säkulare Regime in der Arabischen Welt

Hossein Mousavian, ehemaliger iranischer Politiker, über die Sanktionen, das iranische Atomprogramm und Israel

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hossein Mousavian war der ehemalige iranische Botschafter in Deutschland und ehemaliger Sprecher des iranischen Atomprogramms. Nach dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinedschad, geriet er in die Mühlen des einsetzenden Machtkampfes. 2007 wurden gegen ihn Spionagevorwürfe erhoben, er wurde verhaftet. Als enger Vertrauter von Rafsandschani, der grauen Eminenz der Islamischen Republik, verließ er das Land in Richtung USA. Seit 2009 ist Mousavian Gastdozent an der Princeton University.

Herr Dr. Mousavian, welche Auswirkungen haben die Sanktionen des Westens- auf das iranische Atomprogramm?

Hossein Mousavian: Seit dem Beginn der Krise um das iranische Atomprogramm habe ich meine Freunde und Gesprächspartner im Westen darauf hingewiesen, dass die verhängten Sanktionen die Atompolitik des Irans weder verändern noch beeinflussen werden. Um Ihnen eine Frage zu beantworten, die Sie mir nicht gestellt haben, auch die militärische Option, ein Militärschlag, würde zwar katastrophale Folgen haben - für alle Beteiligten-, aber keine politische Veränderung diesbezüglich verursachen, das Gegenteil wäre der Fall.

Was macht Sie so sicher, dass die Regierung in Teheran nicht einlenkt, angesichts der verhängten Sanktionen, bzw. der daraus resultierenden ökonomischen Probleme?

Hossein Mousavian: Schauen Sie, seit der Etablierung der Islamischen Republik versucht der Westen den Iran zu destabilisieren, bzw. die Regierung dort zu Fall zu bringen. Als Saddam Hussein 1980 den Iran überfiel, hatte er die Unterstützung des Westens, des damaligen Ostblocks, sowie fast aller arabischen Nachbarstaaten in der Region, flankiert von massiver militärischer Unterstützung. Der Iran war auf sich alleine gestellt, durch die Revolution geschwächt... Trotzdem gelang es nicht, den Iran zu unterwerfen, zu schwächen, das Land zu spalten. Im Gegenteil. Wo ist Saddam Hussein heute, wer hat heute einen gewaltigen Einfluss im Irak? Der Iran ist eine starke Regionalmacht, mit oder ohne Atombombe. Die Sanktionen werden daran nichts ändern.

Sie selbst gehen ja davon aus, der Iran strebe keine nukleare Bewaffnung an.

Hossein Mousavian: Richtig. Die Sanktionen des Westens basieren auf einem Verdacht. Die Bedenken des Westens könnte man durch diplomatische Aktivitäten klären. Dafür müsste man im Iran, wie auch im Westen, allerdings wieder auf die Diplomatie zurückgreifen, nicht auf Konfrontation.

Weshalb ist Ihrer Meinung nach eine iranische Atombombe ausgeschlossen? Es würde das Regime doch unangreifbar machen?

Hossein Mousavian: Seit dem Jahr 2003 hat die IAEA die größte Inspektion in ihrer Geschichte gestartet, flankiert von tausenden Inspektionen im Iran selbst. Die IAEA hat darauf hingewiesen, dass man bei diesen Untersuchungen nicht ein Gramm nuklearen Materials entdeckte, welches man für den Bau einer Atombombe verwenden könnte. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf die Fatwa von Revolutionsführer Khomeini aufmerksam machen, der seinerzeit erklärte, der Gebrauch von Nuklear- und Massenvernichtungswaffen ist haram, damit also verboten.

Wieso sollte die Fatwa von Khomeini im heutigen Iran noch Gültigkeit besitzen? Die engen Weggefährten von Khomeini wurden von dem Ahmadinedschad -Regime doch ausgeschaltet, wie beispielsweise Ihr politischer Ziehvater Rafsandschani. Sie selbst wurden ja vom Präsidenten öffentlich der Spionage bezichtigt, wurden verhaftet und haben daraufhin Ihr Heimatland in Richtung USA verlassen?

Hossein Mousavian: Das hängt mit dem inneren Machtkampf im Iran zusammen, ändert aber nichts an der außen- und verteidigungspolitischen Richtlinie, die vom Revolutionsführer Chamenei, dem Nachfolger Khomeinis festgelegt und definiert wird. Im Iran gibt es natürlich auch Extremisten und auch Moderate.

Ich kann keine politische Strategie der USA oder des Westens gegenüber der Region erkennen

Die israelische Regierung erklärt hingegen, vom Iran gehe eine existenzielle Bedrohung für den jüdischen Staat aus, die sich im Falle einer nuklearen Bewaffnung ins Unerträgliche steigern würde.

Hossein Mousavian: Sie haben Recht, Israel ist die treibende Kraft hinter den Anschuldigungen, der Iran strebe eine Atombombe an. Ein Vorwurf der permanent wiederholt wird. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf folgende Sachverhalte hinweisen. 1992 erklärte der damalige Außenminister Israels Shimon Peres öffentlich, der Iran würde ab 1999 über eine Atombombe verfügen. 1995 schrieb der heutige Premierminister Netanyahu in einem seiner Bücher, in den nächsten 3-5 Jahren werde der Iran nuklear bewaffnet sein. 2001 erklärte der damalige Verteidigungsminister Ben-Eliezer, dass der Iran im Jahr 2005 über die Bombe verfügt. Im Februar 2009 erzählte Nethanyahu einer Delegation des US-Kongresses, der Iran sei nur noch 1-2 Jahre von der Bombe entfernt. Vor einem Monat, im September, erläuterte Herr Nethanyahu in seiner Rede vor der UN, dass der Iran die Bombe besitzen würde: Ab "nächsten Frühling oder nächsten Sommer!"

Wäre der Iran nicht gut beraten, wenn er endlich Israel anerkennen würde?

Hossein Mousavian: Wissen Sie, wenn es dem Westen darum geht, warum fordert man nicht Saudi-Arabien dazu auf, Israel anzuerkennen, oder Kuweit oder die Vereinigten Arabischen Emirate? Schließlich handelt es sich um die engsten Verbündeten der USA. Was man von seinen Feinden fordert, sollte man doch bei seinen Freunden voraussetzen. Die Probleme bezüglich der Anerkennung Israels sind doch nicht auf den Iran begrenzt. Es handelt sich hierbei um ein Problem zwischen Israel und der islamischen Welt.

Fürchten Sie einen israelischen Angriff auf den Iran?

Hossein Mousavian: Nein. Israel könnte den Iran nur zusammen mit den USA angreifen. In Washington hat man aber kein Interesse daran und auch keine Kapazitäten dafür. Vor allem nicht aufgrund der Lage im Irak, in Afghanistan, der ökonomischen Situation sowie der Stimmung im eigenen Land. Viel eher hoffen die Amerikaner, auch wenn sie es nicht öffentlich zugeben, dass der Iran in Afghanistan als stabilisierende Kraft auftreten wird.

Das wäre doch aber eine radikale Kehrtwende in der bisherigen politischen Strategie der USA gegenüber den Nahen- und Mittleren Osten.

Hossein Mousavian: Um ehrlich zu sein, ich kann keine politische Strategie der USA oder des Westens gegenüber der Region erkennen. Mit der Unterstützung Saudi-Arabiens stärkt der Westen seine schlimmsten Feinde, hilft den totalitären sunnitischen Extremisten zum Durchbruch. Das Ergebnis dieser "Strategie" kann man heute in Syrien erkennen. In Syrien unterstützt die Islamische Republik Iran das letzte säkulare Regime in der arabischen Welt, während der Westen auf der Gegenseite steht.