In Zukunft wird weiter gerackert
Die Arbeits- und Sozialministerin will über die Zukunft der Arbeit diskutieren - aber nur ohne Grundeinkommen
Bei der Frage zum bedingungslosen Grundeinkommen zuckte Andrea Nahles sichtbar zusammen, als würde schon allein das Wort der Arbeits- und Sozialministerin körperliches Unbehagen bereiten. "Ich hoffe doch, dass wir langfristig um so ein Grundeinkommen herumkommen", sagte sie am Dienstagabend im Hamburger Metropolis-Kino. "Ich bin kein Fan davon."
Gemeinsam mit dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz stellte sich die Ministerin für eine knappe Stunde den Fragen des Publikums zum Thema Zukunft der Arbeit. Die Veranstaltung fand im Rahmen des "Dialogprozesses Arbeiten 4.0" statt, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits im April 2015 mit der Publikation eines Grünbuches zum Thema begonnen hat.
Nun ist dieses Grünbuch mit seiner trockenen, schwer zugänglichen Fachsprache allerdings wenig geeignet, eine breite gesellschaftliche Debatte in Gang zu bringen. Das aber ist die erklärte Absicht der Ministerin. Um den Dialog "in die breite Fläche" zu tragen und neben Experten auch "Bürgerinnen und Bürger" einzubeziehen, hat sie daher unter dem Titel Futurale eine siebenteilige Filmreihe auf die Reise durch die Republik geschickt, die jetzt in Hamburg ihre fünfte von insgesamt 25 Stationen machte. Ab Donnerstag, 21. Januar, läuft die Reihe im Münchner Filmmuseum.
"Ich möchte die Zukunftsdebatte als Fortschrittsdebatte führen, in der bei allem notwendigen Fortschritt die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen", erklärt Nahles im Programmfaltblatt. Zu diesem Zweck werden die Filmvorführungen durch einleitende Kurzvorträge und anschließende Diskussionen mit eingeladenen Gästen und dem Publikum begleitet.
Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich auf der vom Ministerium eingerichteten Homepage zum Thema zu äußern - allerdings nur mit maximal 200 Zeichen pro Beitrag, wobei die Beiträge von Bürgern durch zahlreiche Werbetweets aus dem Ministerium selbst zugeschüttet werden. Kaum vorstellbar, dass sich jemand durch dieses Sammelsurium aus bislang fast 900 Kurztexten klickt, um hier und da mal eine substanzielle Äußerung zu finden - außer den Mitarbeitern der Ministerin vielleicht, die für diese Arbeit hoffentlich angemessen bezahlt werden.
Dass es an einer angemessenen Bezahlung von Arbeit immer häufiger mangelt, wird Frau Nahles wissen. Sie wird vielleicht auch wissen - wenn auch niemals öffentlich zugeben - , dass ihr Parteifreund Gerhard Schröder mit den Arbeitsmarktreformen unter seiner Kanzlerschaft viel zur Verschärfung dieses Problems beigetragen hat. Warum sie sich trotzdem so vehement gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen wehrt und es im Grünbuch, in dem erklärtermaßen vorrangig Fragestellungen erarbeitet wurden, nicht einmal als eine Option unter anderen zulässt, konnte sie in Hamburg nicht überzeugend erklären.
Wie das denn mit der Wertschöpfungskette sei und wo das Einkommen entstehe, fragte die Sozialministerin und erklärte: "An eine Gesellschaft ohne Arbeit glaube ich nicht." Darin war sie sich einig mit Bürgermeister Scholz - und wahrscheinlich mit den meisten Gästen der Veranstaltung. Zu tun gibt es genug, keine Frage. Aber warum Menschen weiterhin zur Arbeit gezwungen werden müssen und ihr Lebensunterhalt von einer Erwerbstätigkeit abhängig sein soll, obwohl Produktionsprozesse auf den Äckern und in den Fabriken mehr und mehr automatisiert werden und Maschinen ohne menschliches Zutun alles Lebensnotwendige erzeugen können, blieb ein Rätsel.
Nahles: "Mark Zuckerberg ist doch der Rockefeller 4.0"
Auch in der aktuellen Ausgabe der Frankfurter Hefte kann Andrea Nahles im Interview mit Thomas Meyer nicht erklären, warum das bedingungslose Grundeinkommen "ein weiterer Beitrag zur Entwertung der Arbeit" sei. Sie glaube nicht, dass durch Digitalisierung und den verstärkten Einsatz von Robotern "das Konzept von Arbeitseinsatz und Vergütung oder Leistung als movens einer kreativen Arbeitsgesellschaft grundlegend infrage gestellt oder verändert" werde.
Hat das jemand behauptet? Es geht nicht um die Abschaffung von Arbeit, sondern um ihre Befreiung, ihre Entkoppelung vom Zwang ein sinnentleertes, endloses Wirtschaftswachstum befeuern zu müssen, nur um die Miete bezahlen zu können. Wenn Roboter für Nahrung, Kleidung und Wohnung gesorgt haben, lassen sich wirklich wichtige Tätigkeiten wie die Pflege sozialer Beziehungen, Bildung, Erziehung, Forschung oder künstlerische Entfaltung sehr viel entspannter und produktiver durchführen.
Natürlich es auch niemandem verboten, weiterhin auf dem Acker oder in der Fabrik zu arbeiten, wenn es ihm Freude bereitet. Auch diese Arbeiten können durch den Wegfall von Zwängen nur profitieren. Und wenn einige Leute das Grundeinkommen erst einmal für eine Weile nutzen, um sich bei der Meditation in der Hängematte vom jahrelangen Strampeln im Hamsterrad zu erholen, dann sei ihnen das gegönnt. Sie haben es sich verdient.
So wie die beiden Möbelpacker in Luzia Schmids schöner Dokumentation "Deine Arbeit, dein Leben" (Dtl. 2015), die Frau Nahles leider verpasst hat, weil sie, anders als bei den übrigen Vorführungen, erst im Anschluss an das Publikumsgespräch lief. Auf die Frage, ob das sein Traumjob sei, antwortet der eine sehr überzeugend, als wäre er gerade beim Vorstellungsgespräch: "Ja, ich habe schon immer davon geträumt, so nah am Kunden zu arbeiten." Dann geht die Kamera auf seinen Kollegen, der gerade einen Karton auf die Ladefläche des LKW wuchtet. "Ja, ein Traum", sagt er. "Hoffentlich träume ich jetzt auch nur."