Inflation Reduction Act: Deutsche Autobauer können auf US-Subventionen hoffen
Der Industriestandort Deutschland kränkelt an hohen Energiepreisen und den Subventionen der US-Regierung. Unter Umständen könnten deutsche Autobauer nun auch in den Genuss der Steuermilliarden kommen.
Deutschland und Europa sind als Wirtschaftsstandort in Gefahr – diesen Sirenengesang kennt man nun bereits eine Weile. Am Donnerstag hat ihn der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wiederholt. Der Industriestandort Europa sei an einem kritischen Wendepunkt angelangt, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner.
"Angesichts hoher Energiepreise, überbordender bürokratischer Belastungen sowie eines internationalen Wettlaufs um beste Klimatechnologien wandern Zukunftsinvestitionen zunehmend in die USA und nach China ab", sagte Gönner. Der Europäische Rat müsse jetzt die Trendwende einläuten und Maßnahmen ergreifen, die Europas Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Was Gönner dabei in den Sinn kommt, lässt sich mit wenigen Worten erklären: mehr Subventionen und weniger Regulierung. Genehmigungsverfahren sollten nicht nur beim Ausbau der erneuerbaren Energien schneller sein, sondern in allen Sektoren.
Vor wenigen Tagen erst hatte das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) vor hohen Energiepreisen gewarnt. Sie würden "die Aussichten für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands dauerhaft" gefährden, hieß es in einer Erklärung. Und das würde die Folgen des demografischen Wandels noch einmal verstärken.
"Deutschland steht ein schwieriges Jahrzehnt bevor, das mehr als bislang durch Verteilungskonflikte geprägt sein wird", sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths. Weniger Menschen müssten künftig unter schwierigen Rahmenbedingungen Wohlstand in Deutschland erwirtschaften.
Im Jahr 2024 wird der deutsche Arbeitsmarkt den Zenit mit 45,9 Millionen Beschäftigten überschreiten, prognostizierte Kooths. "Fortan scheiden mehr Personen aus dem Erwerbsleben aus, als neue hinzukommen." Pro Jahr verliere der deutsche Arbeitsmarkt dann fast 200.000 Erwerbspersonen – trotz hoher Zuwanderung aus dem Ausland.
Sowohl Kooths als auch Gönner sehen in wettbewerbsfähigen Energiepreisen einen Schlüssel, um die Aussichten auf wirtschaftliches Wachstum zu steigern. Zudem seien "der unbürokratische Zugang zu Fördermitteln und Investitionsprogrammen sowie der Zugang zu den notwendigen Rohstoffen im Übergang zur Netto-Null-Wirtschaft" erforderlich, so Gönner.
Ein Grund für das Abwandern von Industrie in Richtung USA ist der Inflation Reduction Act (IRA) der Regierung von Joe Biden. Mit rund 370 Milliarden US-Dollar sollen im Verlauf von zehn Jahren CO₂-sparende Technologien gefördert werden – unter der Bedingung, dass ein erheblicher Teil der Wertschöpfung in den USA stattfindet.
Gerade für die deutsche Automobilwirtschaft wird diese Form des Protektionismus zum Problem: Die USA sind ein wichtiger Markt für deutsche Elektroautos. Im Handelsblatt heißt es dazu, dass im vergangenen Jahr ein Drittel aller in die USA importierten E-Autos aus Deutschland gekommen seien. Ihr Absatz würde vermutlich drastisch zurückgehen, wenn US-Kunden die Steuervorteile nur bei inländischen Herstellern bekämen.
Aber auch Batteriehersteller könnten zunehmend in die USA abwandern. Eine Studie habe laut Handelsblatt gezeigt, dass die Kosten der Batterieproduktion in den USA durch die IRA-Förderung so stark sinken würde, dass man sogar günstiger als in China produzieren könne. Die Produktion in Europa sei dagegen etwa ein Drittel teurer.
Zumindest einen Lichtblick gibt es, dass die Batterieproduktion in Deutschland und Europa eine Zukunft haben könnte. Über ein gemeinsames Rohstoffabkommen mit den USA könnte der Marktzugang für europäische Hersteller künftig erhalten bleiben.
Denn der IRA sieht vor, dass momentan 40 Prozent der kritischen Mineralien aus den USA oder aus Ländern kommen müssen, mit denen Washington ein Freihandelsabkommen geschlossen hat. Bis 2027 soll der Anteil auf 80 Prozent steigen.
Biden kommt damit – der offiziellen Version zufolge – den Europäern entgegen. Eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte jüngst ergeben, dass die USA ihre Vorgaben nicht einhalten können. Denn von den kritischen Rohstoffen kommen demnach 76 Prozent aus Ländern, mit denen die USA kein Freihandelsabkommen haben. Auch "ausgewählte grüne Technologien wie Photovoltaik, Windturbinen oder Lithium-Batterien stammen zu mehr als der Hälfte aus Nicht-Freihandelsländern", heißt es beim DIW.
Die bestehenden Abhängigkeiten könnten nicht kurzfristig gelöst werden, meinte Studienautorin Josefin Meyer. Bei den Technologien sah sie für die USA nur drei Möglichkeiten: "Entweder ziehen sie die Produktion dieser Technologien in die USA, sie lockern ihre Bedingungen oder sie schließen länder- und sektorspezifische Verträge, die Ausnahmeregelungen vorsehen".
Bei den kritischen Rohstoffen, die für die Energiewende benötigt werden, sind die Probleme gravierender. Die benötigten Mengen sind groß und sowohl die globalen Märkte als auch die Lieferketten werden von wenigen Ländern beherrscht – mit China an der Spitze.
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