Inseln im Nordatlantik als Corona-Labors
Die Färöer-Inseln und Island: Forschungsergebnisse mit großer Reichweite
Die Färöer-Inseln, ein Land mit 51.000 Einwohnern, sind von der Corona-Pandemie deutlich betroffen: 159 Fälle einer Infektion durch das Virus SARS-CoV-2 wurden mittlerweile registriert. Doch im rauen Nordatlantik gibt es auch Grund zur Hoffnung, der Welt mehr Wissen über das Virus zu vermitteln.
Daran glauben der dort leitende Arzt Lars Fodgaard Møller sowie Virologen in Dänemark, mit denen sich der Arzt austauscht. Møller nennt sein Land ein "Minilabor". Zum einen darum, weil hier von Anfang an umfassend getestet wurde. Wer immer auf den 17 bewohnten Inseln den Hauch eines Symptoms vermeldet, wird getestet. Das Labor des Landes unter dänischer Hoheit hat eine Kapazität von 600 Tests pro Tag, nach acht Stunden liegt das Ergebnis vor.
Die Einrichtung ist Ergebnis einer anderen Epidemie - das Land, das vom Fischexport abhängig ist, wurde vor zwanzig Jahren mit der "Ansteckenden Blutarmut der Lachse" in seinen Fischfarmen konfrontiert und musste ein eigenes Forschungszentrum aufbauen, um schnell reagieren zu können. Ansonsten hätten Proben nach Dänemark geschickt werden müssen, mit dem das Land die Außen- und Sicherheitspolitik abspricht.
Das Laboratorium war aufgrund ähnlicher Verfahren relativ schnell in der Lage, sich auf das Coronavirus umzustellen und war Ende Februar einsatzbereit, am vierten März wurde dann die erste Infektion nachgewiesen. Das Labor und die abgeschottete Lage (Touristen haben derzeit keinen Zugang) ermöglichen, den Verlauf der Infektionen zu recherchieren, Ort und Zeit der Ansteckung herauszufinden, was in anderen Ländern nicht mehr umzusetzen ist.
Dabei bestätigten die Arbeit der Mediziner eine chinesische Studie von Anfang März, dass es zwei Haupttypen des Virus gibt - den ursprünglichen S-Typ sowie den L-Typ. Der "S-Typ" sei weit weniger infektiös, selbst bei einem Kuss habe es nachweislich keine Übertragung gegeben. Der L-Typ, der über Island und Dänemark auf die Inseln kam, habe sich weitaus aggressiver verbreitet, bei manchen Leuten einfach im Vorübergehen. Diese Unterschiede gelten in der Wissenschaft derzeit noch als Hypothese.
Dabei stellen sich zwei Fragen: Sind die Unterschiede zwischen den beiden Viren-Haupttypen biologisch so bedeutend, dass zwei Impfstoffe entwickelt werden müssten? Entwickelt sich das Virus wie bei Grippe-Epidemien, so dass es infektiöser wird, dabei gleichzeitig der Krankheitsverlauf milder gerät?
Allan Randrup Thomsen, Professor für Virologie in Kopenhagen, glaubt an eine solche Abmilderung durch Mutation und hält die Studien aus den Färöer-Inseln von großer Bedeutung. Es gebe ein "Licht am Ende des Tunnels", wie er der dänischen Zeitung Berlingske sagt.
Island: DeCode Genetics
Bestätigt werde seine Einschätzung auch durch ein Ergebnis aus Island, dort hatte das private Unternehmen "DeCode Genetics" festgestellt, dass das Virus auf der Insel vierzig Mal mutiert sei. Die Forscher haben im Auftrag der isländischen Regierung bereits über 10.000 der 360.000 Inselbewohner getestet. Die Tests sind für die Betroffenen kostenfrei wie verpflichtend, sollten sie Symptome verspüren, zu einer Risikogruppe gehören oder anderweitig krank sein.
Dabei wurde von DeCode Genetics eine vollständige Gensequenzierung umgesetzt. Somit konnte verfolgt werden, woher die Viren eingeführt worden sind - aus dem Skiurlaub in Österreich und Italien sowie Großbritannien, wo sich einige Isländer ein Fußballspiel angeschaut hatten. Nach jüngsten Ergebnissen sollen die Viren jedoch noch von anderen Ländern eingeschleppt worden sein.
Erstmals festgestellt wurde durch die isländischen Genetiker, dass eine Person von beiden Coronaviren-Typen (vermutlich S und L) befallen wurde. Kári Stefánsson, der Gründer des Unternehmens, der nun die Rolle des Pandemie-Erklärers in Island hat, glaubt mittlerweile, dass ein Prozent der Isländer bereits infiziert sind, die Einschätzung stammt vom 23. März.
Seine vorige Schätzung lag bei 0,5 Prozent, doch fehlten vielen Personen die Symptome. Über 5.000 Personen, die sich freiwillig testen ließen, hatten (noch) keine Beschwerden. Dabei wurden 48 Infizierte ausgemacht. Stefánsson kündigte eine entsprechende Studie an und versprach die Ergebnisse einer internationalen Datenbank zukommen zu lassen.
DeCode Genetics wurde 1996 gegründet, um den Stammbaum der Bevölkerung mittels Genetik offen zu legen, so konnte die Entwicklung von Krankheiten auf Island verfolgt werden. Diese Woche sollen die Bewohner Islands gebeten werden, eine App herunterzuladen, die diese aktivieren sollen, falls sie einen positiven Test erhalten. Die App verfolgt dann die bisherige Kommunikation mit Personen, die sich in der Nähe der frisch Infizierten aufhalten. Die Datenfreigabe geschehe anscheinend freiwillig.
Die Republik Island, die 1.020 Infizierte und zwei Todesfälle verzeichnet, hat sich noch nicht zu sehr strikten Maßnahmen entschieden. Die Kindergärten und Grundschulen sind geöffnet und da sich in der Klasse ihres Sohnes ein Infektionsfall zeigte, ging Premierministerin Katrin Jakobsdottir kürzlich vorbildhaft in die Quarantäne.
Das Land, das vom Fischfang und Tourismus lebt, hat zwar die Grenzen dicht gemacht, allerdings scheint die Furcht vor dem Virus nicht so ausgeprägt wie die Angst vor den wirtschaftlichen Konsequenzen zu sein.
So ermuntert der Staat die Isländer zum Herumreisen im Land und gibt jedem isländischen Bürger einen Bonus von umgerechnet 33 Euro, den er für das Übernachten in Hotels oder in anderen touristischen Einrichtungen einlösen kann, um so die Reisebranche vor dem Kollaps zu retten.
Dass die ungebetenen Touristen, die Coronaviren, ebenfalls im Land herumkommen, scheint in Kauf genommen zu werden.