Internet in Vietnam: Kontrolle/Zensur setzt sich fort

Die Hoffnung auf eine Lockerung der Pressefreiheit/Informationsfreiheit erfüllt sich nicht; Vietnam setzt auch weiterhin auf Kontrolle der Medien

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Das Magazin "Nha Bao va Cong Luan" hatte nur eine kurze Lebensspanne: bereits nach zwei Ausgaben wurde die Veröffentlichung von Seiten der vietnamesischen Regierung gestoppt. Das Ministerium für Kultur und Information traf diese Entscheidung Mitte Januar 2005, so dass bereits die Januarausgabe nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Die Gründe sind weiterhin unklar, auch die Reporter ohne Grenzen, welche in ihrer vielfach unbeachteten Pressemeldung die Entscheidung verurteilten, können weiterhin nur mutmaßen, was zum Verbot des Magazins führte. Fest steht, dass die ersten beiden Ausgaben des Magazins sich nicht nur mit einem großen Tourismusprojekt nahe Vung Tau beschäftigten, welches von den Bewohnern dort wegen zu vermutender Umweltschädigungen abgelehnt wird sondern auch mit der Korruption unter den für das Projekt zuständigen Personen. Die Entscheidung des Ministeriums stellt jedoch nur ein Beispiel für die Zensur in Vietnam dar, welche bisher eher wenig Beachtung findet, die sich zunehmend aber auch auf das noch verhältnismäßig junge Medium Internet erstreckt.

"Politisch und moralisch gefährliche Seiten"

Dabei waren die Hoffnungen, die man auf Generalsekretär Nong Duc Manh setzte, groß, zählte man ihn doch eher zur "jungen Generation" der Partei und hoffte, dass zusammen mit der wachsenden Nutzung des Internet sich auch mehr Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit durchsetzen würde. Fast vier Jahre später findet sich Vietnam im Internationalen Pressefreiheitsranking 2004 noch immer auf Platz 161 der insgesamt 167 bewerteten Länder wieder, gefolgt von China, Eritrea, Turmenistan, Burma, Cuba und Nordkorea. Der Zugang zum Internet wird lediglich durch fünf Internetserviceprovider ermöglicht, der größte von ihnen, Vietnam Data Communications (VDC), bedient hierbei etwa ein Drittel aller Internetnutzer und wird von dem Ministerium für Post und Telekommunikation (DGPT) kontrolliert. Der Provider beobachtet sämtliche Seitenaufrufe seiner Kunden und blockiert den Zugang nicht nur zu "politisch und moralisch gefährlichen Seiten" sondern vielmehr auch zu Webseiten von Menschenrechtsorganisationen, welche im Ausland lebende Vietnamesen online stellen.

Auch in den stark frequentierten Internetcafes des Landes wird jeder Seitenaufruf protokolliert - eine Maßnahme, die das DGPT am 5. August 2002 noch einmal gegenüber den Behörden der insgesamt 61 Provinzen ausdrücklich in den Fokus stellte. Weiterhin wurde eine Bestrafung derer verlangt, welche das Internet in einem "harmful way" nutzten. Dieser "harmful way" wird von Regierung folgendermaßen definiert: Politische Opposition, Aktionen gegen die nationale Souveränität und Sicherheit sowie Gefährdung bzw. Verletzung der Moral oder schlichtweg Gesetzesverstöße

Wie weit diese Regelungen zur Zensur bzw. Einschränkung der Informationsfreiheit genutzt werden, lässt sich am Beispiel des 31jährigen Le Chi Quang näher erläutern. Quang wurde am 21 Februar 2002 in einem Internetcafe in Hanoi festgenommen, ihm wurde die "Versendung gefährlicher Informationen ins Ausland" vorgeworfen, gemeint war ein detaillierter Artikel über die Umstände eines in 1999 abgeschlossenen Grenzabkommens zwischen China und Vietnam namens "Beware of the empire to the north". In Quangs Wohnung konfiszierte die Polizei sowohl seine Computerausstattung als auch seine Notizen, Quang selbst wurde in das B-14 Gefängnis nahe Hanoi gebracht und schließlich zu vier Jahren Gefängnis und drei Jahren Hausarrest wegen der Veröffentlichung regierungsfeindlichem Materials verurteilt. Ausländische Medien waren während der Verhandlung nicht zugelassen, lediglich Quangs Eltern durften daran teilnehmen. Quang selbst gab zu, den Artikel geschrieben zu haben, bestritt jedoch, gegen das Gesetz (Artikel 88 des "Criminal Code") verstoßen zu haben und kündigte an, seine Familie würde in Berufung gehen.

Quang ist jedoch nur einer von insgesamt 7 "Cyberdissidenten", die hinter Gitter mussten. Am 2. Februar entließen die Behörden zwei von ihnen, den Journalisten Nguyen Dinh Huy und den 61jährigen Menschenrechtsaktivisten Dr. Nguyen Dan Que aus der Haft. Am 17. März 2003 wurde er inhaftiert, als Grund hierfür gilt eine Antwort auf die Ankündigung eines Sprechers des Außenministeriums, dass Informationsfreiheit in Vietnam garantiert sei. Dass die Antwort Dr. Nguyen Dan Ques die derzeitige Situation bezüglich der Presse- und Informationsfreiheit in Vietnam kritisierte, verwundert wenig, bedenkt man, dass er selbst 1978 festgenommen wurde und fast 20 Jahre im Gefängnis verbrachte, ohne dass es zu einer Gerichtsverhandlung gekommen war. (Die kurze Zeit in Freiheit von 1988-1990 nutzte er, um die "High Tide Humanist"-Bewegung zu gründen, die einen gewaltlosen Kampf zur Etablierung von Menschenrechten in Vietnam propagiert). Zwischen 1998 und 2003 befand sich Dr. Nguyen Dan Que erneut in "Freiheit", wenngleich auch unter "virtuellen Hausarrest" gestellt. Einschränkungen seiner Freizügigkeit und seiner Kommunikationsmöglichkeiten sowie eine konstante Überwachung durch die Regierung waren die weiteren Auflagen, welche die Regierung bezüglich des Aktivisten beschlossen hatte.

Presse muss auf Linie gebracht werden

Die Zahl der inhaftierten Cyberdissidenten erscheint klein bei einem Land mit ca. 2,500,000 Internetnutzern, bei einer Bevölkerung von ca. 80,278,000 im Jahre 2003. Verfolgt man jedoch das aktuelle Vorgehen der Regierung, so ist eher mit einer weiteren Verschärfung der Situation zu rechnen, wenn sich das Internet weiter als Medium etabliert. Ngyuen Khoa Diem, der "Chefideologe" des Politbüros, hat im Januar 2005 seine Philosophie einer "vernünftigen Presse" jedenfalls auch auf das Internet ausgeweitet. Die Presse, so Ngyuen Khoa Diem, müsse "auf Linie gebracht werden, da sie zunehmend Sensationen und dem Profit hinterher rennt statt sich auf die Verbreitung der Regierungsideologie zu beschränken".

Die Schließung der Webseiten Tuoi Tre und Vnexpress.net Anfang 2005 wird daher von Menschenrechtsorganisationen als alarmierendes Signal angesehen. Tuoi Tre wurde geschlossen nachdem Nguyen Thi Lan Anh, einer der wenigen investigativen Journalisten, eine Notiz des Gesundheitsministers veröffentlichte, die eine Untersuchung der hohen Preise verlangte, die von Zuellig Pharma VN festgesetzt wurden - eine Notiz, die als "Staatsgeheimnis" deklariert wird. Vnexpress.net hatte über den Regierungskauf von 78 Luxuswagen für die Europe-Asia (ASEM) berichtet. Tintucvietnam.com (Vietnam News) wurde ebenfalls geschlossen, es wird vermutet, dass abgedruckte Leserbriefe der Grund waren. Genaues steht hier noch nicht fest.

Es sind weniger als 12 Monate bis zum nächsten Kongress der Kommunistischen Partei in Vietnam und da die Bevölkerung zunehmend die Möglichkeit entdeckt, ihre Unzufriedenheit im Internet kundzutun, wird die weitere Einschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit für eine Regierung unvermeidlich sein, die die Presse lediglich als Propagandavehikel ansieht; dass die Zahl der Cyberdissidenten ansteigen wird ist daher mehr als wahrscheinlich.