Internetaffären in Brandenburg und Schweden
Die vermeintliche Überwachung des Internet sorgt nicht nur zwischen gegnerischen Parteien wie in Schweden, sondern auch unter Parteifreunden wie in Brandenburg für Streit
Eigentlich hatte sich Jörg Schönbohm, der den Landesverband der Brandenburger CDU führt, seinen Abschied aus der Landespolitik anders vorgestellt. Spätestens im nächsten Jahr will er sein Amt an seinen bisherigen Vize Ulrich Junghanns übergeben. Doch ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist zur Zeit völlig offen. Denn seit einigen Wochen scheint in der Brandenburger Union das Chaos ausgebrochen zu sein. Landtagsabgeordnete beschuldigen sich gegenseitig der Lüge und des parteischädigenden Verhaltens und der Generalsekretär Sven Pethke, der sich ebenfalls Hoffnungen auf Schönbohms Nachfolge machte, kämpft zunehmend mit dem Rücken zur Wand um seinen Posten. Aus den eigenen Reihen wird der Ruf nach dem Rücktritt immer lauter.
Pethke unter schwerem Verdacht. Der ehemalige Internetfachmann der Partei Daniel Schoenland beschuldigt ihn und andere Unionspolitiker, alle eingehenden Emails im Landesverband überwacht zu haben. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe vehement und haben mittlerweile mit einstweiligen Verfügungen reagiert. Doch Schoenland, der nur noch mit Bodyguards in Brandenburg auftritt, hat die Vorwürfe bekräftigt.
„Jeder misstraut jedem“, wird ein Parteiinsider über die Situation in der Brandenburger Union zitiert. Das hat aber mehr mit der Geschichte der Brandenburger Union als mit Schoenlands Enthüllungen zu tun. Denn der Landesverband war seit 1990 in verfeindete Flügel zerstritten. Ost-CDUler stritten sich mit Zugezogenen aus dem Westen und mit Bürgerrechtlern. Der Landesverband konnte sich ungestört mit sich selbst beschäftigen, weil er in der Ära des mit absoluter Mehrheit regierenden Duos Stolpe/Hildebrand sowieso keine Aussicht auf Macht im Land hatte. Das änderte sich erst mit Schönbohm, der die Partei autoritär auf Linie brachte und die Streitigkeiten unter den Teppich hielt. Das gelang ihm vor allem durch die Machtoptionen, die er der bisher im 20 % Ghetto tümpelnden Partei verschaffte. Zwar klappte der Machtwechsel nicht ganz, aber mit dem Eintritt in die große Koalition hat Schönbohm die Partei zumindest auf Augenhöhe mit der Sozialdemokratie gebracht.
Mit Schönbohms angekündigtem Rücktritt droht ein Rückfall in die alten Machtspiele und Intrigen. Da kamen Schoenlands Enthüllungen gerade Recht. Deshalb fragen sich auch viele seiner ehemaligen Parteifreunde, warum er sich gerade zu diesem Zeitpunkt als der große Aufdecker geriert. Die Vermutungen wollen nicht verstummen, dass er im Flügelstreit der Post-Schönbohm-Ära damit eifrig mitmischt. Der eigentliche Vorwurf mag sicher nicht von einem besonderen Vertrauensverhältnis in der CDU-Zentrale zeugen, zu einer besonderen Skandalisierung taugt er aber auch nicht. Wer sich per Mail an einen Politiker wendet, kann in der Regel damit rechnen, dass ihm zunächst ein Administrator antwortet. Das gilt bei Mails an den Bundespräsidenten genauso wie bei den meisten Abgeordneten von Bund und Ländern. So ist es natürlich nicht verwunderlich, dass diese Mails nicht nur vom Adressaten gelesen werden. Zumal es sich auch in der Regel nicht um Privatmails handelt.
Dass es mit dem Datenschutz am Arbeitsplatz nicht zum Besten gestellt ist, dürfte auch kein Geheimnis sein. Bekanntlich kontrollieren Unternehmen gerne den Emailverkehr ihre Mitarbeiter kontrollieren. Rechtlich bewegen sie sich hier in einer Grauzone. Zu größeren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen ist es deswegen bisher noch nicht bekommen. Das liegt aber nach Meinung von Datenschutzexperten vor allem an einer unbefriedigenden Rechtslage. Sie mahnen seit längerem ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz an. Dazu gab es aber in den Medien bisher wenig Resonanz. Auch bei den Berichten über Schoenlands Enthüllungen wird dieser Aspekt in der Regel nicht erwähnt.
Hackergate in Stockholm
Schon schwerer scheint zu wiegen, was in der Endphase des Parlaments-Wahlkampfs in Schweden bekannt wurde. Die dem bürgerlichen Lager zugehörige Liberale Volkspartei Partei hatte monatelang die Computer ihrer schärfsten Konkurrentin, der regierenden sozialdemokratischen Partei, angezapft. Weil sie die gewonnenen Erkenntnisse ungeniert für ihre Propaganda nutzte, schöpften die Sozialdemokraten Verdacht und wurden findig. Ein schlechtes Krisenmanagement hat die Liberalen noch zusätzlich zu desavouiert. Führende Politiker der Partei, die im Wahlkampf mit Law-and-Order-Parolen punkten wollten, haben ihr Mitwissen an dem Hackerangriff abgestritten und wurden dann der Lüge überführt. Der Generalsekretär der Partei musste bereits zurücktreten. Der Parteivorsitzende wird wohl spätestens nach der Wahl am 17.9. nicht mehr zu halten sein. „Ein Hauch von Watergate weht durch Stockholm“, heißt es in den Medien mit Verweis auf jene Affäre, die US-Präsident Nixon schließlich das Amt kostete. Auch wenn der Begriff Watergate seitdem arg strapaziert wurde, scheint er in diesem Fall zumindest nahe liegend zu sein. Nach schwedischem Recht ist der Hackerangriff auf die gegnerische Partei mit einem Eindringen in das Parteigebäude gleichzusetzen.
Allerdings ist die besondere Aufregung sicher vor allem dem Wahlkampf geschuldet. Die Sozialdemokraten könnten dadurch sogar ihre bedrohte Mehrheit behalten. Der sozialdemokratische Kandidat und noch amtierende Premierminister Göran Persson hat kürzlich bei einem Fernsehduell gegen Oppositionsführer Fredrik Reinfeldt den Kürzeren gezogen. Natürlich sonnen die schwedischen Sozialdemokraten mit einem gewissen Recht in der Rolle des bespitzelten Opfers. Andeutungen der Opposition, die Partei könnte den Zeitpunkt der Enthüllung bewusst in der Endphase des Wahlkampfes platziert haben, sorgen für Empörung bei den Sozialdemokraten. Doch sie sollten sich vielleicht an den Fall Barschel erinnern, der schließlich nicht nur dem Namensgeber das Leben kostete, sondern auch diversen CDU-Politikern zumindest zeitweilig einen Karriereknick bescherte. Am Ende war aber auch das damalige Opfer der Bespitzelungsaffäre, der Sozialdemokrat Björn Engholm davon betroffen. Er musste 1993 von allen politischen Ämtern zurücktreten, weil seine ursprüngliche Behauptung, er habe erst nach der Landtagswahl von 1987 von den Machenschaften aus dem Büro Barschels erfahren, widerlegt worden war.