US-Think-Tank: Ukraine dem Untergang geweiht

Ukraine-Stecker aus US-Flagge gezogen

Der wichtigste konservative US-Think-Tank sieht die Ukraine vor dem Aus. Die Gründe sind dramatisch. Was das für die künftige Trump-Regierung und den Krieg bedeutet.

Das "America First Policy Institute" (AFPI) ist neben der Haritage Foundation der wohl wichtigste konservative Thinktank in den USA, der strategisch die Weichen für die künftige innen- und sicherheitspolitische Agenda der neuen Trump-Ära gestellt hat. Das institutseigene "Center for Security Policy" veröffentlichte 2024 den Research Report "America First – Russia and Ukraine", der den Krieg in der Ukraine analysiert und Vorschläge macht, wie dieser Krieg beendet werden könnte.

Autoren des Berichts sind Generalleutnant a.D. Keith Kellogg, Präsident des Center for American Security, und Fred Fleitz, Stabschef des Nationalen Sicherheitsrats während der ersten Amtszeit von Donald Trump. Beide gelten als Experten für Militärstrategie und Sicherheitspolitik der USA. Die Ergebnisse des Berichts fließen derzeit in die strategische Planung der Trump-Administration ein.

Die Ukraine habe trotz umfangreicher Waffenlieferungen aus den USA kaum eine Chance, ihr Territorium zurückzugewinnen. Allein der Vergleich der Bevölkerungszahlen mache deutlich, dass die Ukraine das bestehende gravierende Defizit nicht durch Waffen ausgleichen könne. Aufgrund von Fluchtbewegungen habe die Ukraine nur noch eine Bevölkerung von ca. 35 Millionen. Demgegenüber habe Russland 144 Millionen Einwohner.

Aktuelle Kriegssituation in der Ukraine

Den Menschen in der Ukraine steht der dritte Kriegswinter bevor. Große Teile der lebenswichtigen Energieversorgung sind zerstört oder ständigen russischen Angriffen ausgesetzt. Der Zivilbevölkerung droht erneut eine entbehrungsreiche Zeit mit Kälte und Nässe in teilweise zerstörten Unterkünften.

Rolf Bader
Rolf Bader

Die Strom- und Wasserversorgung ist stellenweise unterbrochen. Händeringend wird versucht, Reparaturen durchzuführen und die Funktionsfähigkeit wiederherzustellen. Das menschliche Leid ist kaum in Worte zu fassen.

Die russischen Truppen sind an wichtigen Frontabschnitten auf dem Vormarsch, die Umstellung auf Kriegswirtschaft ist in relativ kurzer Zeit gelungen, die Rüstungstechnik wurde forciert und wesentlich verbessert, die Produktion läuft auf Hochtouren.

Ausreichend Soldaten und ausgebildete Reserven stehen noch zur Verfügung und können ohne logistische Probleme herangeschafft werden. Die logistische Unterstützung mit Rüstungsgütern aus Iran und Nordkorea funktioniert und stellt eine wesentliche Verstärkung dar.

Die Verluste im Krieg sind für beide Kriegsparteien extrem hoch. Nach Schätzungen der Nato hat die russische Armee fast 600.000 Soldaten geopfert, die ukrainische bis zu 200.000.

Kellogg und Fleitz sehen eine Chance, den Weg für Verhandlungen zu ebnen1:

In der Ukraine gibt es einen Weg nach vorn, auf dem Amerika seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellen und gleichzeitig eine Rolle bei der Beendigung des größten Krieges in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg spielen kann.

Diese Rolle muss durch eine entschlossene Führung im Sinne von "America First" wahrgenommen werden, bei der mutige Diplomatie den Weg zu einer endgültigen Lösung ebnet. Was wir nicht länger tun sollten, ist, Waffen in eine Pattsituation zu schicken, die die Ukraine am Ende nur schwer gewinnen kann.

America First Policy in der neuen Trump-Ära bedeutet eine Neuausrichtung der US-Sicherheitspolitik, die mit einer Strategie zur Beendigung des Krieges beginnen sollte. Konkret würde dies eine offizielle US-Politik bedeuten, einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung für den Ukraine-Konflikt anzustreben.

Gleichzeitig würden die USA die Ukraine weiter aufrüsten und ihre Verteidigung stärken, um sicherzustellen, dass Russland keine weiteren Vorstöße unternimmt und nach einem Waffenstillstand oder einem Friedensabkommen nicht erneut angreifen kann.

Um Putin für Friedensgespräche zu gewinnen, sollte die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zunächst für einen längeren Zeitraum aufgeschoben und zur Verhandlungsmasse eines umfassenden und überprüfbaren Friedensabkommens mit Sicherheitsgarantien gemacht werden.

Ob der russische Präsident unter diesen Bedingungen zu Friedensverhandlungen bereit wäre, ist derzeit nicht absehbar. Denn Russland fordert als Reaktion auf den ukrainischen Siegesplan unmissverständlich einen neutralen Status der Ukraine und die Anerkennung der russischen Annexion der besetzten Gebiete in der Süd- und Ostukraine. Dies sind die Bedingungen Russlands für eine mögliche Teilnahme an einer Friedenskonferenz.

Für die Ukraine kommen Gebietsverluste jedoch nicht infrage. Sie beruft sich auf das Souveränitätsrecht und die territoriale Integrität ihres Staatsgebietes gemäß der UN-Charta. Ein blockfreier Status der Ukraine oder ein "Einfrieren des Krieges" werden kategorisch abgelehnt.

Donald Trump müsste die Ukraine also zu Zugeständnissen bewegen und zur Aufgabe ultimativer Positionen zwingen. Realistisch wäre dies nur über die Drohung, Waffenlieferungen zu reduzieren oder ganz einzustellen.

America First ist weder isolationistisch noch ein Aufruf zum Rückzug Amerikas aus der Welt. Ein America-First-Ansatz für die nationale Sicherheit unterscheidet sich jedoch deutlich von einem außenpolitischen Establishment, das die Vereinigten Staaten oft in endlose Kriege zum Schaden des Landes verwickelt, indem es idealistische Prinzipien über die Interessen des amerikanischen Volkes stellt.

Keith Kellogg und Fred Fleitz, AFPI

Chancen für neue Rüstungskontrollverhandlungen?

Donald Trump hat während seiner ersten Präsidentschaft den INF-Vertrag zwischen den USA und Russland aufgekündigt, obwohl dieser auf unbestimmte Zeit geschlossen worden war. Auch die Verträge zwischen den beiden Staaten über die Begrenzung der Raketenabwehr (ABM) und über den "Offenen Himmel" (Open Skies) wurden aufgekündigt.

Der New-Start-Vertrag über die strategischen Nuklearpotentiale ist außer Kraft getreten, der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) ist noch nicht in Kraft getreten. Rüstungskontrollverhandlungen sind ausgesetzt und finden zwischen den Nuklearwaffenstaaten derzeit nicht statt.

Ob Donald Trump eine neue Initiative starten wird, um den Rüstungskontrollprozess wieder in Gang zu bringen, ist noch völlig offen. Dazu müsste er auch China mit ins Boot holen. Aber das ist derzeit ein schwieriges Unterfangen.

Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).