Irak: "Erst Tikrit, dann Mosul und Falludscha"
Erfolgsmeldungen von der Rückeroberung der sunnitischen Stadt aus den Händen des IS lassen das iranische Militärkommando jubeln, in Washington sind die Reaktionen zwiespältig
Neunzig Prozent von Tikrit sollen von IS-Milizen befreit sein, meldet das irakische Kommando der Militäroffensive. Aus den Reihen der schiitischen al-Hashd al-Sha’bi-Freiwilligenverbände wird gar eine 100prozentige Übernahme der Kontrolle gemeldet. Erfolgsmeldungen über die Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt gab es schon im letzten Jahr, wenig später stellte sich heraus, dass sie voreilig waren. Doch dieses Mal ist einiges anders.
Die militärische Offensive wird mit großem medialem Einsatz begleitet. Waren die früheren Angriffe der irakischen Armee nur Stoff für kleinere Meldungen, so wird dieser Feldzug von viel Bildmaterial und einer größeren Medien-Aufmachung begleitet; man hat gelernt, den IS auch dort zu bekämpfen, wo er bislang im Vorteil war, auf der Propaganda-Ebene.
Dazu gehört, dass in den Erfolgsmeldungen zur Tikrit-Offensive beispielsweise in iranischen Nachrichtendiensten auch die strategische Bedeutung herausgestellt wird. So zitiert Fars den Kommandeur der Revolutionären Garden, General Ali Jafari mit einer etwas überdrehten Einschätzung:
Angesichts der strategischen Position Tikrits am Ende der Hamrin Berge bedeutet die Freiheit Tikrits, dass ISIL auch in keiner anderen irakischen Stadt mehr Widerstand leisten kann (…). Nachdem ISIL sich nicht mehr in Tikrit halten kann, werden sie auch dazu gezwungen werden, aus Falluhjah und Mosul, die sie noch kontrolliern, zu flüchten. Und ISIL wird aus dem Irak verschwinden.
Aus bisherigen Lageberichten von den Fronten in Tikrit geht hervor, dass umliegende Dörfer von der irakischen Armee und den schiitischen Milizen erobert wurden und ein Vormarsch ins Zentrum gelang, allerdings wird im Zentrum und am Rand der Stadt noch gekämpft.
Bemerkenswert ist, dass im Bericht der New York Times, der Kämpfe in den umliegenden Dörfern schildert, an mehreren Stellen darauf verwiesen wird, dass die schiitischen Milizen Videos von ihren Eroberungen gedreht haben und ins Netz gestellt, um zu zeigen, dass sie die Bevölkerung als Befreier empfangen haben. IS-Milizen sollen nach dieser Darstellung in manchen Orten Häuser angezündet haben, um die Schuld den schiitischen Milizen anzulasten - aus bekannten Beweggründen.
Wie viel darauf ankommt, dass bei der Eroberung der überwiegend von Sunniten bewohnten Zone kein böses Bliut gmacht wird, zeigen einerseits Warnungen von Experten (vgl. Win or lose Tikrit, Isis can only be defeated in Iraq by the Sunni) und sehr deutlich die Zusammensetzung der irakischen Eroberungstruppe, wie sie der amerikanische Generalstabschef Dempsey vor einem Senatsauschuss lieferte.
Nach seinen Informationen übertrifft die Zahl der Kämpfer der schiitischen Milizen diejenige der irakischen Armeesoldaten und freiwilligen sunnitischen Kämpfer "in drastischer Weise". 20.000 schiitischen Milizenmitgliedern würden von einer Brigade mit 3.000 irakischen Soldaten, mehreren hundert Anti-Terror-Soldaten und 1.000 Kämpfern von sunnitischen Stämmen ergänzt.
In amerikanischen Militärpublikationen führt dies zu einigem Kopfzerbrechen darüber, inwiefern die amerikanischen Interessen im Irak durch einen Sieg dieses Kampfverbundes nicht allzu sehr ins Abseits geraten; in Washington dürften ähnliche Überlegungen im Gange sein. Die irakische Regierung wird damit zitiert, dass Iran seit letzten Sommer immer schneller und unorthodoxer dabei war, Hilfe zu liefern, als die amerikanische Führung, wenn die irakische Regierung darum bat.