Irak und die Iran-Sanktionen: Der nächste Fehler der Nahostpolitik der USA?
Die Befolgung der US-Sanktionen würde den Irak in große Schwierigkeiten bringen
Erfolge hat die Nahost-Politik der USA der letzten Jahre kaum, wenn überhaupt, vorzuweisen, unbestritten ist, dass sie Staaten in der Region in größere Schwierigkeiten bringen kann. Zum Beispiel den Irak, der weit über ein Jahrzehnt gebraucht hat, um sich einigermaßen von der US-Bestrafungs- und Befreiungsaktion ab 2003 zu erholen. Nun rollt ein neuer Brocken auf die Regierung in Bagdad zu: die Iran-Sanktionen infolge der Aufkündigung des Nuklear-Abkommens, dem "schlechtesten Deal ever", durch die Regierung Trump.
Irak und Iran haben enge Verbindungen - und dass sie in den letzten zehn Jahren weiter gewachsen sind, hängt nicht zuletzt mit dem Einmarsch der US-Armee im Irak zusammen. In der Handelsbilanz zeigt sich das durch einen jährlichen Austausch in Höhe von 12 Milliarden Dollar und eine wichtige "ökonomische Partnerschaft" beim Strom, Öl und Erdgas, wie das vor ein paar Tagen vom irakischen Journalisten, Schriftsteller und Dichter Omar al-Jaffal auf al-Monitor dargelegt wurde.
Dollar-Geschäfte
Dies alles könnte zusammenbrechen, so al-Jaffal, falls sich Irak an die US-Sanktionen hält. Weil die Handelsgeschäfte genau über die Bank-Transaktionen laufen, welche die USA durch die Sanktionen ausschalten wollen. Man kann das auch schärfer herausstellen:
Laut irakischen Medien besuchten Vertreter des US-Finanzministeriums die irakische Zentralbank im Juli und gaben Bescheid, dass die USA jede irakische Bank sanktionieren würden, die finanzielle Transaktionen mit Iran durchführt. (…) Die irakische Regierung hat Bankkonten bei der U.S. Federal Reserve, wo ihre Dollars deponiert sind. Und diese Dollars, von welcher die irakische Wirtschaft abhängt, würden eingefroren werden, wenn der Iran gegen die Sanktionsrichtlinien der USA verstößt.
Geneive Abdo, Politico
Der irakische Premierminister al-Abadi hatte letzte Woche vehemente Kritik für seine Äußerung kassiert, wonach Irak gar keine andere Möglichkeit habe, als sich, wenn auch widerwillig, an die US-Sanktionen zu halten.
Das hatte einige Politiker im Irak verärgert und vor allem in Iran, gleich wurde ein Treffen mit Abadi abgesagt. Danach eierte Iraks Regierung in der Frage herum; sie gab keine definitiven Kursbestimmungen mehr ab. Das ist der Kern von al-Jaffals Ausführungen auf al-Monitor. Dort erfährt man, welches Druckmittel die USA gegen Irak noch auffahren kann:
Nabil Jafar, ein Wirtschaftsprofessor an der Universität von Basra, betont, dass "Irak gar keine andere Chance hat, als sich den US-Sanktionen gegen Iran zu fügen, weil diese direkt an den Export von Öl gebunden sind und eben auch an den wichtigsten Export Iraks. Wenn die zweite Runde der Sanktionen im November erfolgt, dann könnte man Irak damit bestrafen, dass es kein Öl mehr exportieren kann, wenn das Land sich so positioniert, dass es bei den Sanktionen gegen Irak nicht auf der Linie der USA ist.
Al-Monitor
Der al-Monitor-Journalist und Schriftsteller Al-Jaffal, der ein Gefühl für Zwischenräume hat und den düsteren Aussichten doch auch Positives abringen will, lässt Iraker zu Wort kommen, die dem "unmöglichen Dilemma" zum Trotz Möglichkeiten sehen, dass man bei den Bankgeschäften Nebenspuren gehen kann, dass die USA vielleicht eine Ausnahme machen könnten und dass die irakische Wirtschaft auch ansonsten Wege findet, die Notlage, die durch die Reduzierung des iranischen Exports entsteht, irgendwie zu kompensieren.
Abhängkeiten
Dem steht eine Abhängigkeit Iraks von Iran entgegen, wie sie die weiter oben erwähnte Geneive Abdo bei Politico knapp und deutlich aufzeigt. Nach ihrer Auffassung kann al-Abadi, obschon er als mehr pro-amerikanisch als seine Vorgänger charakterisiert werde, gar nicht anders, als gegen die Sanktionen zu verstoßen.
Weil Irak nicht nur irgendeine Erdgas-Handelsbeziehung mit Iran hat, sondern davon abhängig ist. Irak sei laut des irakischen Ministers für Elektrizität für mindestens weitere 7 Jahre abhängig vom iranischen Gas, um Strom zu produzieren.
Auch bei der Wasserversorgung sei Irak nicht nur von der Türkei abhängig, sondern zu etwa 13 Prozent von Iran (siehe hier). Euphrat und Tigris, deren Wasser von der Türkei und Iran beeinflusst werden kann, stellen 98 Prozent der Versorgung mit Oberflächenwasser im Irak.
Zum Dritten habe sich der irakische Markt vom Import billiger Lebensmittel aus Iran abhängig gemacht. Das habe die irakische Landwirtschaft unterwandert, da die Nachfrage nach den teureren inländischen Produkten nachgelassen habe. "Selbst, wenn man im Irak aufhören würde, diese Produkte zu kaufen", so Geneive Abdo, würden die irakischen Bauern es nicht schaffen, genug für den inländischen Bedarf zu produzieren.
Politische Hebel Irans
Und dann gibt es durchaus noch politische Hebel. Zumal nach den irakischen Wahlen, die alles von Verhandlungen abhängig machen und angesichts der Proteste im Süden, die viel mit der Stromversorgung bei unglaublicher Hitze, mit der miserablen Wasser-Situation und mit der Energie-Abhängigkeit von Iran zu tun haben (vgl. Türkei-Syrien-Irak im Krieg ums Wasser). Es gibt im Irak viele Politiker, die enge Kontakte zu Iran haben, und die an wichtigen Schlüsselpositionen im politischen System sind.
Dazu kommen noch die Verbindungen zwischen Iran und den schiitischen Milizen in der irakischen Armee. Irak sitzt in der Frage der Befolgung der US-Sanktionen in der Zwickmühle.
Neuerdings versucht der türkische Präsident Erdogan, der nun selbst mit US-Sanktionen zu kämpfen hat, in eine Situation zu drehen, von der die Türkei und der Irak profitieren könnten. Erste neue Verbundenheitssignale wurden beim Besuch Abadis in Ankara ausgetauscht: Man machte einen neuen Grenzübergang aus und eine Vertiefung der Geschäftsbeziehungen.
Abadi habe der Türkei Unterstützung gegen die US-Sanktionen angeboten, titelte Iraqi-News, ohne dies allerdings mit wirklich substantiellen Abmachungen zu untermauern.
Der Tenor der Berichte aus dem Irak geht in die Richtung, dass die Befolgung der US-Sanktionen für das Land zu schwierig ist. Es brauche Hilfe. Das ist eine gute Gelegenheit für die USA, Fehler zu machen.