Iran-Abkommen: Weiß Donald Trump, was er in Gang setzt?
Der US-Präsident sucht mit dem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen den kurzfristigen Vorteil und verzockt die amerikanische Hegemonie
Ohne wirkliche Beweise dafür, dass der Iran das Atomabkommen verletzt hat, ist US-Präsident Donald Trump den lange angekündigten Schritt gegangen. Er lässt die USA aus dem Abkommen aussteigen und kündigt die Verhängung neuer, schwerer Sanktionen an. Damit lenkt Trump auf den Kurs von Israel und die mit dem Iran konkurrierende Regionalmacht ein. Es geht wohl nicht wirklich darum, dass der Iran in nächster Zeit Atomwaffen herstellen könnte, sondern das Land soll als regionaler Machtfaktor ausgeschaltet werden.
Donald Trump folgt damit einem langen Drehbuch der amerikanischen Feindschaft gegenüber dem Iran. Bekanntlich hatten die USA auch Diktator Saddam Hussein gegen den Iran nach der Islamischen Revolution hochgerüstet und mit Chemiewaffen ausgestattet, die dieser dann gegen die Kurden einsetzte. Im Iran hatten die USA im Kalten Krieg 1953 den ersten Regime Change durchgeführt. Nach dem Sturz des demokratisch gewählten Regierungschefs Mohammad Mossaddegh unter der Regie der USA und Großbritannien wurde Schah Mohammad Reza Pahlavi an die Macht gehievt, der zunehmend repressiv herrschte.
Er konnte sich dank massiver amerikanischer Unterstützung bis 1979 trotz zunehmenden Widerstands aus säkularen und religiösen Oppositionellen an der Macht halten, bis er aus dem Land fliehen musste und schließlich der religiöse Fundamentalist Ayatollah Khomeini aus dem französischen Exil nach Teheran zurückkehrte. Nach einem Referendum wurde der Iran dann zu der islamischen Theokratie, die sich bis heute an der Macht halten konnte. Aus der Mitverantwortung, antiamerikanische Extremisten gestärkt zu haben, scheinen die US-Regierungen nichts gelernt zu haben, der Fehler wurde in Afghanistan, im Irak und jetzt in Syrien wiederholt, während man an repressiven System wie Saudi-Arabien festhält. Im Iran wurden die USA mitsamt Israel zu Repräsentanten des Bösen, umgekehrt wurde der Iran, vor allem nach der Geiselkrise und der gescheiterten militärischen Befreiung zum bösen Staat, schließlich zum Teil der "Achse des Bösen".
Trump macht hier also keine neue Politik, die eigentlich Obama zusammen mit Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland mit den 5+1-Verhandlungen über ein Atomabkommen eingeleitet hat. Die Wiederannäherung hat Trump nun durchschnitten. Das Kalkül ist, abgesehen vom überkommenen Ressentiment und der rückhaltlosen Unterstützung des anti-iranischen Kurses der Netanjahu-Regierung, nicht ganz klar. Womöglich setzt Trump auf einen erneuten Regime Change im Iran und glaubt, dass der Zerfall der Macht mit neuen Sanktionen beschleunigt werden kann. Aber was sollte dann im Iran entstehen? Eine USA-freundliche Regierung, die sich mit Saudi-Arabien und Israel durch Unterwerfung aussöhnt?
Erst einmal werden im Iran die fundamentalistischen Fraktionen gestärkt und die Reformbewegung geschwächt. Aber es geht nicht nur um den Iran und die Region. Mit der Aufkündigung des Abkommens, an dem der Iran und anderen Staaten, also auch die EU, festhalten wollen, schafft Donald Trump einen erneuten Riss im transatlantischen Bündnis und entfremdet selbst Großbritannien. Vor allem macht er aber klar, dass die USA unter seiner Präsidentschaft in keiner Weise ein verlässlicher Partner sind, der sich an Abmachungen hält.
Man fragt sich, ob man im Weißen Haus beispielsweise überlegt hat, welche Folgen der Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran für die geplanten Verhandlungen mit Nordkorea haben wird. Wird sich Nordkorea auf ein Abkommen mit den USA zur Beendigung des Atomwaffenprogramms noch einlassen, sofern es dies ernsthaft in Erwägung gezogen hat? Nun muss Nordkorea damit rechnen, dass Abkommen mit den USA keinen Bestand haben, auch dann nicht, wenn es von einer unabhängigen Organisation wie der IAEA überprüft wird. Das wird auch das Vertrauen mit Südkorea zerstören. Und der Iran könnte zu einem neuen Nordkorea werden und sich mit diesem verbünden. Abkommen mit den USA erhalten damit einen taktischen Charakter. Sofern sie Amerika wieder groß machen, werden sie aufgekündigt und neu abgeschlossen, wenn das Eigeninteresse nach Ansicht des US-Präsidenten aber nicht gewahrt wird, werden sie gleich wieder gekündigt.
Trump mag seine Deals einhalten, aber er setzt den Präzedenzfall, dass der nachfolgende Präsident jederzeit diese fallen lassen könnte. Sicherheit und Vertrauen gibt es so nicht mehr auf der internationalen Bühne. Wie sich schon jetzt zeigt, wird durch Trumps Verhalten eine neue Weltordnung befördert, weil die bislang von den USA geleiteten Staaten selbst mehr Entscheidungen auch gegen die USA fällen müssen, während andere Großmächte wie die EU, Russland und China als Stabilitätsfaktoren eine größere Stabilitätsrolle übernehmen müssen.
Deals sind keine langfristige Politik
Trump, so scheint es, setzt auf kurzfristige Deals, um Amerikas Macht zu stärken. Was unternehmerisch vielleicht geschickt sein kann, ist für eine Regierung aber noch lange nicht gut, die für die Verbündeten und die Feinde eine berechenbare Politik, auch mit roten Linien, verfolgen sollte. Auch wenn kurzfristig nun Israel und Saudi-Arabien profitieren, werden diese Staaten das Vagabundieren der US-Regierung genau beobachten und Strategien entwickeln, von den USA unabhängiger zu werden. Trump macht vielleicht kurzfristig Amerika wieder groß, um seine Hegemonie desto endgültiger zu beerdigen. Die angeblichen westlichen Werte gelten sowieso immer weniger, wenn einzig offene Interessenpolitik herrscht.
Die panische Angst, übervorteilt werden zu können, beherrscht auch das private Alltagsleben und ist mit Trump zur Regierungspolitik geworden. Damit werden gemeinschaftliche Konventionen gekündigt und entsteht wieder ein Kampf von jedem gegen jeden (homo hominis lupus est), der nur durch verlässliche Abkommen eingedämmt werden kann. Für neoliberale Unternehmer wie Donald Trump ist das nicht nachvollziehbar, da nur der schnelle Vorteil zählt. Vielleicht beerdigt Trump mit seiner Politik gegen seinen Willen auch den Neoliberalismus mit seinem egoistischen Rationalismus. Das wäre jedenfalls eine Hoffnung für eine Welt, die gemeinsam und nicht im Konkurrenzkampf gestaltet und bewahrt werden könnte.
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