Iran und der Westen: Atombombe gegen wertebasierte Außenpolitik

Seite 2: Die strategische Landkarte

Auf der strategischen Landkarte ist indes zu sehen, wie massiv die Auswirkungen einer iranischen "Bombe" wären – oder eines Kriegs mit dem Iran, wer immer ihn auch führen würde: Durch den Persischen Golf wird ein erheblicher Teil des weltweit gehandelten Öls transportiert. In unmittelbarer Nähe liegen die Golfstaaten, Saudi-Arabien mit ihren Öl- und Gasvorkommen.

Und auf der anderen Seite der arabischen Halbinsel, immer noch in bequemer Reichweite iranischer Raketen, liegt das Rote Meer, durch das ein gigantischer Teil des Schiffsverkehrs aus Asien nach Europa fließt. Und natürlich ist da Israel, das mit der iranischen Revolution Anfang der 1980er-Jahre zum Erzfeind des Iran wurde.

Würde die iranische Führung tatsächlich Israel angreifen? Oder einen atomaren Krieg gegen andere Staaten in der Region beginnen? Man kann es auch nicht einmal im Ansatz sagen. Sicher ist: Die Entscheidung über Krieg und Frieden, aber auch darüber, ob überhaupt Uran auf waffenfähiges Niveau angereichert wird, trifft nicht der Ajatollah allein, der auf dem Papier die alleinige Entscheidungsbefugnis hat.

Die Macht der Revolutionsgarden

Denn die tatsächliche Macht haben die Revolutionsgarden, die im Laufe der Jahre nicht nur zu einer hochgerüsteten Truppe geworden sind, die mehr oder weniger im Verborgenen auch schon seit Langem an den Konflikten in Syrien, im Jemen und im Gazastreifen beteiligt sind, dort bewaffnete Gruppen unterstützen.

Im Iran selbst betreiben die Revolutionsgarden viele Industriebetriebe, sind Wirtschaftsmacht. Das Verhältnis zwischen dem Ajatollah, der Regierung und der Militärführung ist ambivalent: Die Revolutionsgarden beziehen ihre Daseinsberechtigung aus der Islamischen Revolution, deren Fortbestand sie schützen sollen.

Auf der anderen Seite wird aber immer wieder deutlich, dass Hossein Salami, der Kommandeur der Revolutionsgarden, auch politisch ein Wort mitreden möchte: Auf Bildern von Sitzungen der Regierung, des engeren Kreises um Ajatollah Khamenei ist er immer öfter auch zu sehen.

Mit einer Atombombe würde der Einfluss der Revolutionsgarden weiter steigen. Durch die anti-US-amerikanische, die anti-israelische Rhetorik steht zudem immer das diffuse Gefühl im Raum, dass diese Leute zu allem bereit sind, auch nicht davor zurückschrecken würden, die Atombombe auch tatsächlich einzusetzen, jederzeit, ohne Vorwarnung. Und überall in ihrer Reichweite, die ziemlich groß ist.

Mit der Lieferung von Drohnen an das russische Militär, die dann im Ukraine-Krieg eingesetzt wurden, haben die Revolutionsgarden diesen Eindruck noch verstärkt. Nun gab man auch noch bekannt, eine Langstreckenrakete mit einer Reichweite von über 1.600 Kilometern entwickelt zu haben.

Würden sie? Werden sie? Es gibt Anzeichen dafür, dass die Revolutionsgarden auch mit der "Bombe" spielen, um in die Köpfe der Diplomaten und Entscheidungsträger im Westen zu gelangen.