Iran und der Westen: Atombombe gegen wertebasierte Außenpolitik
Seite 3: Westliche Diplomatie in Bedrängnis
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Im Angesicht des nuklearen Schreckens haben sich in den Außenministerien der westlichen Welt starke Fraktionen gebildet, die die Ansicht vertreten, dass das, was nach dem Regime in seiner jetzigen Form käme, schlimmer wäre, und auch: Dass ein Regimewechsel nicht erstrebenswert ist.
Dabei fällt der Blick auf Syrien, den Jemen, Libyen. Was, wenn in einem solchen Chaos irgendwo Atombomben rumlägen?
Ein Entkommen gibt es nicht: Ajatollah Khamenei ist alt; der Wechsel an der Spitze wird in naher Zukunft zwangsläufig kommen. Mit Raisi und Ali Ahmadinedschad haben sich zwei ausgesprochene Hardliner ins Rennen geworfen – wie auch Hassan Ruhani und Mohammad Khatami auf Seiten der eher gemäßigten "Reformer".
In der aktuellen Situation, in der die radikalen Kräfte, jene, die das Konzept der Islamischen Revolution alter Schule vertreten, die Oberhand haben, ist es eher wahrscheinlich, dass die Wahl auf einen strikt anti-westlichen, anti-israelischen Kandidaten fallen würde, auch wenn der in der iranischen Öffentlichkeit überhaupt keinen Rückhalt hätte.
Die westliche Diplomatie steht nun mit dem Rücken regelrecht an der Wand – und die "feministische", werteorientierte Außenpolitik, wie sie Baerbock vertreten will, mit ihr: Die iranische Regierung hat als Bedingung für ein neues Abkommen die Aufhebung sämtlicher Sanktionen festgesetzt, also auch jener, die das Vorgehen gegen die Protestwelle betreffen. Im Endeffekt würde eine Einigung also bedeuten, dass man diejenigen, die nun für ihre Rechte eintreten, allein lassen würde.
Der "große Wurf"
Hinter vorgehaltener Hand spielen einige europäische Diplomaten aber auch den "großen Wurf" durch: Alle Sanktionen würden aufgehoben, massive Investitionen zugesagt. Im Gegenzug müsste die iranische Führung auf die Forderungen der Menschen eingehen, die für ihre Rechte auf die Straße gehen.
Am Ende der Erörterungen steht aber stets die Erkenntnis, dass all’ das schon daran scheitern würde, dass diejenigen, die aktuell in der Regierung und im Amt des Ajatollahs das Sagen haben, darauf gar nicht erst eingehen würden. Man müsste also an die Revolutionsgarden herantreten, sie davon überzeugen, dass das der richtige Weg ist. Und würde damit ausgerechnet jene Kraft stärken, die in Syrien, im Jemen und anderswo Krieg führen.
Militärische Optionen?
Was bleibt, sind militärische Optionen. In Israel herrscht wieder Regierungschef Benjamin Netanjahu, der bereits seit den Neunzigerjahren vor der iranischen Atombombe warnt. Mit ihm sitzt nun auch ein rechtsradikales Parteienbündnis in der Regierung, das sich erheblichen Einfluss über Militär und Polizei gesichert hat.
Es ist bekannt, dass Netanjahu schon 2012 einen Militärschlag gegen den Iran anordnen wollte, und davon von den Führungen von Militär und Geheimdiensten abgebracht wurde.
Dementsprechend denkbar ist es, dass er jetzt versuchen könnte, das iranische Atomprogramm in letzter Minute mit militärischen Mitteln zu stoppen. Was die Folgen wären, darüber debattieren inländische und ausländische Journalisten schon seitdem die Worte "Bombe" und "Iran" erstmals gemeinsam in einem Satz erwähnt wurden: Bislang befinden sich beide Länder in einem Kalten Krieg.
Die Revolutionsgarden unterstützen die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen; Israels Geheimdienst tötet immer wieder Personen, die mit dem Atomprogramm in Zusammenhang stehen. Darauf folgen dann stets feurige Racheschwüre aus Teheran und darauf dann: nichts.
Doch niemand kann sagen, dass das immer so bleiben wird. Würde Israels Militär iranische Atomanlagen bombardieren, wäre ein Gegenschlag zumindest einigermaßen wahrscheinlich. Die große Frage ist dann aber vor allem, ob es dabei bleiben würde – oder ob es zu einem Krieg käme. Und was dann an dessen Ende stünde.