Iranischer Außenminister Zarif kündigt Rücktritt an
US-Außenminister Pompeo und der israelische Premierminister Netanjahu weinen Zarif keine Träne nach. Update: Zarif bleibt und profitiert
Der Rücktritt des iranischen Außenministers Mohammad Dschawad Zarif kam unerwartet, zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt, auf einem ungewöhnlichen Kanal. Mitten in der Nacht von Montag auf Dienstag war auf dem Instagramm-Konto Zarifs auf Farsi zu lesen, dass er nicht "mehr in der Lage" sei, sein Amt weiter auszuüben, wie die FAZ ins Deutsche übersetzt.
Die Meldung traf so überraschend ein, dass der belgische Journalist Elijah J. Magnier, der zu den ersten gehörte, dem die Neuigkeit vor die Nase kam, einräumte, dass es sich auch um einen Hack des instagram accounts handeln könnte. Mittlerweile wurde die Meldung aber von einem Vertreter des Außenministeriums bestätigt, wie die Nachrichtenagentur Fars mitteilte.
Auch die Nachrichtenagentur Iran bestätigte die Rücktritt-Meldung - unter der Überschrift, dass Präsident Rouhani die Einheit des außenpolitischen Apparates betont. Offengelassen wird, ob Rouhani den Rücktritt angenommen hat. Darauf hat auch die Tagesschau noch keine Antwort, die von einem "rätselhaften Rücktritt" schreibt.
Mit "Zarif ist weg, good riddance" hat der israelische Ministerpräsident Netanjahu reagiert, was so viel wie "Auf Nimmerwiedersehen" bedeutet. Netanjahu weint dem Außenminister keine Träne nach. Auch US-Außenminister Pompeo ist nicht traurig über die Rücktrittsankündigung: "Schauen wir, ob das so bleibt", twittert er. Zarif und Rouhani seien lediglich Frontfiguren einer korrupten Regimemafia. Wir wissen, dass Khamenei alle endgültigen Entscheidungen trifft. Unsere Politik bleibt gleich - das Regime muss sich wie ein normales Land verhalten und seine Bevölkerung respektieren."
Die US-amerikanische und die israelische Regierung hätten am liebsten einen Regierungswechsel. Aber wie sollte ein solcher Wechsel denn realistisch gelingen, ohne ein immenses Chaos anzurichten, das sogar den syrischen Konflikt noch in den Schatten stellen würde? Wie sieht denn eine realistische US-Politik gegenüber Iran aus, die nicht Chaos und Destabilisierung zum Ziel hat, und welche Gesprächspartner will man dafür haben?
Zarif ist oder war ein Gesprächspartner mit einer gewissen Nähe zu den USA - hervorragendes Englisch, Schul- und Universitätsausbildung in den Vereinigten Staaten, langjährige Erfahrungen im diplomatischen Dienst. Aber er ist kein Regimegegner, sonst hätte Zarif diesen Posten nicht. Glaubt man in Washington, dass Verhandlungen mit Iran leichter würde mit Vertretern, die den Pasdaran, den Revolutionswächtern, näherstehen?
Es gibt viele talentierte Politiker in Iran, die für den Posten infrage kämen, sagen Beobachter, die das Land besser kennen als solche, die die komplizierten politischen Verhältnisse in Iran nur in die beiden Lager Reformer und Konservative unterteilen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass mit dem Rücktritt Zarifs die Pasdaran mehr Einfluss bekommen, sei gegeben.
Die Revolutionswächter sind eine große Macht in Iran; sie sind noch stärker an der Wirtschaft beteiligt als das Militär in Ägypten und sie haben großen sozialen Einfluss. Unter den zahlreichen Spekulationen zum Rücktritt Zarifs gibt es auch diejenige, die davon ausgeht, dass der Außenminister nachts nach aufreibenden politischen Gesprächen frustriert war. Dafür spricht, dass er sich zuletzt in harten Worten über Hardliner in Iran geäußert hatte, wie dies der Guardian berichtete.
Andere Spekulationen nehmen an, dass Zarif enttäuscht darüber war, dass er beim gestrigen Treffen zwischen dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und dem obersten geistlichen Führer Khamenei nicht zugegen sein durfte, was er als Diskreditierung seines politischen Gewichts verstanden haben könnte.
Angenommen wird auch, dass Zarif das sich abzeichnende Scheitern der Atomvereinbarung auf seine Kappe nimmt - der Misserfolg wird in Iran sehr mit ihm verbunden; er steht unter Kritik -, und er keine bedeutende politischen Gestaltungsmöglichkeiten mehr in seinem Amt sah. (Ergänzung: Das ist plausibel, wie Magnier erklärt, der mehrere Gründe sieht). Jüngeren Meldungen in iranischen Zeitungen betonen anderes.
Dort heißt es, dass Zarif die "Einheit des Außenministeriums" bewahren wollte, ganz wie es die oben zitierte Irna-Meldung beschwört. Hingewiesen wird auch darauf, dass der iranische Präsident Rouhani dem Rücktritt zustimmen muss, 150 Parlamentarier in Iran hatten sich für ein Verbleiben Zarifs ausgesprochen.
Nachtrag: Laut PressTV nimmt Rouhani das Rücktrittsgesuch nicht an.
Update: Zarif ist am Mittwoch gestärkt zum Dienst angetreten, den er dann doch nicht quittiert hat. Die Episode - mit einer direkten Adresse an die Öffentlichkeit via Instagramm - hat ihn gestärkt, wie wohl nicht nur die Standard-Kommentatorin Gudrun Harrer die Angelegenheit einen Tag später bewertet. Bei ihr ist aber auch zu lesen, dass nun wieder die Hardliner rückversichert werden. Beim belgischen Journalisten Magnier ist die Entschuldigung des al-Quds-Kommandeurs Soleimani zu lesen.