Iranischer Gibraltar-Tanker: Beschlagnahmt oder bereit zur Weiterfahrt?
Ein amerikanisches Gericht urteilt anders als eines im britischen Überseegebiet
Ein Bundesgericht in der US-Hauptstadt Washington hat eine Beschlagnahmung des Anfang Juli vor Gibraltar festgesetzten iranischen Öltankers "Grace 1" verfügt (vgl. Britische Marines entern iranischen Tanker vor Gibraltar). Ebenfalls beschlagnahmt sind der amerikanischen Staatsanwältin Jessie Liu nach die zwei Millionen Fass Rohöl, die das Schiff an Bord hat, und ein Bankguthaben in Höhe von 995.000 Dollar. Letzteres gehört einem Unternehmen, das Liu zufolge im Verdacht steht, Teil eines "Netzwerk von Scheinfirmen" zu sein, mit dem die seit April von der US-Regierung als Terrorgruppe eingestuften iranischen Revolutionsgarden iranisches Öl nach Syrien schaffen und Geld waschen.
Grundlage der Beschlagnahmeentscheidung sind auf dem Schiff gefundene Karten und Daten aus elektronischen Geräten der Besatzungsmitglieder. Aus ihnen geht der Ansicht des Gerichts nach hervor, dass der Zielhafen des Schiffs der syrische Mittelmeerhafen Baniyas war. Das hatten auch die Behörden in Gibraltar gemutmaßt. Dass das oberste Gericht der Exklave auf der iberischen Halbinsel das Schiff am Donnerstag trotzdem freigab, lag ihren Angaben nach daran, dass die Teheraner Staatsführung vorher schriftlich versichert hatte, das Öl nicht in Syrien abzupumpen.
Flaggen- und Namenswechsel
Aus Teheran hieß es später dazu, diese Darstellung sei irreführend, weil die Ladung des Schiffs auch ursprünglich nicht für Syrien bestimmt gewesen sei. Der tatsächliche Zielhafen gehe niemanden etwas an. Man werde jedoch das Schiff nach der Freigabe in Adrian Darya umbenennen und unter iranischer Flagge weiterfahren lassen. Bis 2013 war der Mitte der 1990er Jahre von Hyundai hergestellten Doppelhüllentanker als "Meridian Lion" unter der Flagge der Marshallinseln gefahren, danach hatte er als "Grace 1" die Flagge Panamas gehisst.
Die Genehmigung dafür hatten die Behörden dieses mittelamerikanischen Landes mit engen Bindungen an die USA zurückgezogen, nachdem heraus kam, dass das AIS-Tracking des Schiffs in der ersten Dezemberhälfte abgeschaltet worden war. Deshalb ließ sich nicht mehr sicher feststellen, ob der offiziell von einer Reederei in Singapur betriebene "Very Large Crude Carrier" seine Tanks damals - wie behauptet - im irakischen Basra oder stattdessen im iranischen Bandar Assaluyeh füllte.
Offizielle und inoffizielle Gründe
Ob die britischen Behörden so eine Weiterfahrt zulassen werden, ist bislang unklar. Offiziell hatten sie das Festhalten des Tankers in Gibraltar bisher mit dem Verdacht eines Verstoßes gegen das 2012 verhängte Syrienembargo der EU begründet. Die Tauglichkeit dieser Rechtsgrundlage ist jedoch umstritten.
Der Wissenschaftliche Dienstes des Bundestages kam in einem heute bekannt gewordenen Gutachten zum Ergebnis, dass die Vorschrift nicht ausreichte und das Festhalten von Grace 1 ein Verstoß gegen das Völkerrecht war. "Maßnahmen auf der Grundlage des EU-Sanktionsregimes" heißt es darin, "sind insofern nur statthaft, als sie auch mit den einschlägigen völkerrechtlichen Rahmenvorgaben vereinbar sind". EU könnten sich jedoch "nicht auf eine Autorisierung ihrer Sanktionen durch eine externe, übergeordnete Ebene berufen". Deshalb stehe der Vorwurf im Raum, "letztlich eigene (nationale oder regionale) Interessen zu verfolgen", was die " Glaubwürdigkeit des Sanktionsregimes […] unterminier[e]".
Inoffiziell geschah das Festsetzen des Schiffs einem Bericht der New York Times zufolge auch nicht deshalb, sondern auf einen Wunsch der US-Administration hin.
Werten die Briten das jetzt vorliegende Urteil aus Washington trotzdem nicht als Barriere für eine Freigabe, könnte eventuell ein anderes Hindernis die Weiterfahrt verzögern: Die US-Regierung hat den insgesamt 28 Besatzungsmitgliedern aus Indien, Pakistan und der Ukraine nämlich Einreiseverbote angedroht. Auch bereits erteilte Visa könnten ihren Angaben nach entzogen werden, wenn jemand durch seine Arbeit als Seemann eine Terrororganisation wie die Revolutionsgarden unterstützt.
Der Iran hat allerdings noch eine Art "Geisel", mit der er Druck auf die britische Staatsführung ausüben kann: Den britischen Tanker Stena Impero, den er zwei Wochen nach dem Stopp der Grace 1 an der Meerenge von Hormus festhielt (vgl. Persischer Golf: Iran verschärft die "abgestufte Reaktion"). Als Begründung dafür nannte Teheran offiziell ein Abweichen von der Fahrspur und Fahrerflucht nach der Kollision mit einem Fischerboot. Inoffiziell legen vorherige Äußerungen iranischer Politiker nahe, dass man auf so eine Gelegenheit zumindest gewartet hat.
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