Islamkonferenz: Der deutsche Islam als immer neues Reizthema
Aufgabe wäre, ein von schlechten Nachrichten, Kontaktschwierigkeiten, Vorwürfen, Intrigen, Misstrauen und Übertreibungen geprägtes Verhältnis neu zu entwickeln
Die Islamkonferenz soll weitergeführt werden, die "Neuauflage" soll es im November geben, wird über Staatssekretär Markus Kerber im Innenministerium, Abteilung Bau und Heimat, mitgeteilt.
Die Konferenz, die von der Islamischen Zeitung als "zentrale Dialogplattform zwischen Staat und Islam in Deutschland" beschrieben wird, wurde 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble initiiert. Organisiert hat sie schon vor zwölf Jahren Markus Kerber, der auch als Hauptgeschäftsführer des BDI (Bundesverbandes der Deutschen Industrie) fungierte und als Wirtschaftswissenschaftler nicht den Hintergrund hat, den man vom Gestalter einer Islamkonferenz erwarten würde.
Kerber ist ein unideologisches Organisationstalent, ist in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung von Anfang April zu erfahren. Damals holte ihn Horst Seehofer zum "großen Erstaunen in Berlin" ins Innenministerium, zuständig für Heimat und als "Brückenbauer".
Die Brücke zum Innenminister
Mit der Unterzeile "bei den Themen Flüchtlinge und Islam unterscheidet er sich stark von seinem Chef" lockt die SZ den Leser und schürt Erwartungen, ohne sie zu bedienen. Denn tatsächlich erfährt man nichts über die Position Kerbers, was die Plakat-Aussage Seehofers betrifft: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland."
Seehofers Satz wäre Kerber niemals über die Lippen gekommen, heißt es dazu lediglich im SZ-Artikel. Weshalb das so ist, ob Kerber selbst das so ("niemals!") gesagt hat, was er stattdessen sagen würde, da sich Kerber doch "stark" von seinem Chef im Haus unterscheiden würde, das erfährt der Leser nicht.
Die Tagesschau gibt Kerbers aktuelle Haltung dazu als eine unverbindlich "diplomatische" wieder, aber schließlich muss ja auch die Brücke zum Innenminister gut sitzen.
Zur Aussage von Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, sagte Kerber, darüber könne man lange streiten. "Minister Seehofer hat sich eindeutig festgelegt: Der Islam gehört nicht dazu, die hier in Deutschland lebenden Muslime schon."
Tagesschau
Interessant ist das, weil Kerber, was die Wiedererweckung der Islamkonferenz anbelangt, aufhorchen lässt und zwar mit der Kombination "deutsch" und "Islam". Als Aufgabe der nächsten Islamkonferenz, so die Tagesschau, stellt Seehofers "Staatssekretär Heimat" den deutschen Muslimen die Definition eines deutschen Islam.
Fest steht: Es gibt einen deutschen Katholizismus, es gibt einen deutschen Protestantismus, und es gibt ein deutsches Judentum. Und wenn es einen Islam geben soll, der zu Deutschland gehört, dann müssen die deutschen Muslime ihn als 'deutschen Islam' definieren - und zwar auf dem Boden unserer Verfassung.
Markus Kerber, Staatssekretär Innenministerum
Rahmenbedingungen
Die Islamische Zeitung ergänzt Kerber habe (im Bildzeitungs-Interview) auf die Frage, ob er Seehofers Ansicht teile, mit einer Gegenfrage geantwortet: "Kann es einen deutschen Islam geben, der auf den rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in Deutschland basiert?"
Der Staat könne dafür nur Rahmenbedingungen schaffen, die Antwort obliege den deutschen Muslimen. Kerber hat damit ein hochinteressantes und politisch nicht unwichtiges Feld aufgemacht - letzteres wird zum Beispiel an der Frage erkenntlich, ob ein "deutscher Islam" künftig prinzipiell Imame aus Deutschland bevorzugt und sie denen vorzieht, die die Ditib in Zusammenarbeit mit der türkischen Religionsbehörde Dyanet aus der Türkei nach Deutschland schickt.
Das ist nur einer unter mehreren politischen Aspekten und natürlich nicht der wichtigste, was die gesellschaftspolitischen Entzündlichkeiten angeht. Da bestünde die Aufgabe darin, ein von schlechten Nachrichten, Kontaktschwierigkeiten, Vorwürfen, Intrigen, gelenkt ins Spiel gebrachten oder einfach nur verbreiteten Stories, Rollenspielen, Misstrauen und Übertreibungen stark geprägtes Verhältnis neu zu entwickeln.
Das ginge nur langsam, könnte aber ein fruchtbares Gelände abgeben. Berufliche Herkunft und die ersten Aussagen Markus Kerbers deuten darauf hin, dass er das weite Feld auf organisatorisch-rechtliche Fragen hin bearbeiten will. Dass er zugleich betont, er werde anders als bei der letzten Gesprächsrunde wieder Einzelpersonen einladen, ist ein Hinweis darauf, dass er einen größeren Rahmen aufziehen will:
Wir müssen viel stärker als bisher die Vielzahl der in Deutschland noch nicht organisierten muslimischen Mitbürger in das Zentrum unserer Islamkonferenz stellen.
Markus Kerber