Ist der Wohlstand Deutschlands in Gefahr?
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"Made in Germany": Sind teure Energieimporte eine ernsthafte Bedrohung? Wie kann die Qualität der deutschen Industrie ohne billige Energie, preiswerte Rohstoffe aus Russland, billige Arbeitskräfte in China und subventionierte Chips aus Taiwan überleben?
Der letzte Regierungswechsel in Deutschland hat das Land ganz offensichtlich aus dem gewohnten Tritt gebracht. Unversehens sind Kosten und Belastungen aufgetaucht, die zuvor niemand sehen wollte.
Sie bedrohen das deutsche Wirtschaftsmodell inzwischen ziemlich grundlegend und die Regierung sieht keinen Anlass gegenzusteuern, sondern trägt noch zur Verschärfung der Entwicklung bei, weil sie die globalen Zusammenhänge der Lieferverflechtungen nicht erkennen kann oder will.
Wie "Made in Germany" vom Malus zum Bonus wechselte
Zu Zeiten, als Deutschland mittels staatlich geförderter Industriespionage in England, das ein Vorreiter der Industrialisierung war, seine industrielle Entwicklung aufbaute, wurde die Bezeichnung "Made in Germany" als Zeichen für kopierte Ware eingeführt.
Schon bald zeigte sich jedoch, dass die deutsche Industrie nicht nur fleißig kopierte, sondern die Produkte meist auch verbesserte. Eine Entwicklung, die sich heute auch im Falle von "Made in PRC" oder "Made in China" deutlich abzeichnet.
Aufbauend auf dem Markenzeichen "Made in Germany" hat sich Deutschland dann mit dem Wirtschaftswunder an die Spitze der Exportnationen emporgearbeitet. Doch wann ist ein Produkt wirklich "Made in Germany"? Als die Produktivität in Deutschland kaum noch gesteigert werden konnte, wurden viele Produktionsschritte in Niedriglohnländer ausgelagert.
Dass dort wie im Falle von Polen und Tschechien dann Sonderwirtschaftszonen mit lokaler Steuerbefreiung aufgebaut wurden, war für die deutschen Produzenten ein beachtlicher Vorteil. Ähnliches gilt auch für Ungarn, wohin Audi praktisch seine gesamt Motorenfertigung ausgelagert hat. Sobald die Wertschöpfung mehrheitlich in Deutschland erfolgte, war das Produkt "Made in Germany". Kontrollierbar ist dies jedoch nur schlecht.
Anders als im Falle der deutschen Ursprungsbezeichnung sieht es bei der "Swissness" aus, die vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) geschützt und überwacht wird. Ausnahmen gelten beispielsweise für Schweizer Erdbeer-Konfitüre, die außerhalb der schweizerischen Erdbeersaison auch mit chinesischen Früchten produziert werden darf sowie für Kaffee und Schokolade, deren Rohstoffe in der Schweiz nicht wachsen.
"Made in Europe" wird in den USA nicht als Herkunftsbezeichnung anerkannt
Während die EU mit ihrer Initiative Made in EU diese Herkunftsbezeichnung fördern will und für kurze Zeit den Begriff "Made in Europe" auch hochgehalten hatte, verschwand er schnell wieder, als die USA diese Kennzeichnung nicht als Herkunftsbezeichnung akzeptierten.
Eine Anwendung der Herkunftsbezeichnung nur innerhalb der EU wäre zwar möglich, eine getrennte Auszeichnung nach Zielländern im internationalen Handel jedoch aus Kostengründen kaum praktikabel. Derzeit werden vom internationalen Handel unterschiedliche Typenschilder nur für Großbritannien benötigt, was in der Realität dann dazu führt, dass Waren für den britischen Markt alleine aufgrund des erhöhten Kennzeichnungsbedarfs teurer werden.
Mit der faktischen Verhinderung der Ursprungsbezeichnung "Made in EU" wollte man einem einheitlichen Auftreten europäischer Hersteller Widerstand leisten und die europäische Integration behindern. Brüssel fühlte sich in diesem Zusammenhang nicht stark genug für Waren aus den USA Vergleichbares zu fordern.
Handelshemmnisse in Folge der Auslagerung von Fertigungsanteilen nach China
Aus Kostengründen und weil die arbeitsrechtlichen und Umweltschutz-Auflagen beim Start der chinesischen Industrialisierung noch unter den deutschen Standards lagern, haben zahlreiche deutsche Hersteller Teile ihrer Produktion nach China verlagert.
Später war dann auch der wachsende chinesische Binnenmarkt interessant und mit der Lieferung von Komponenten an das deutsche Mutterhaus konnte man auch einen Teil der Investitionen in China refinanzieren. Ein direkter Export der chinesischen Erlöse wäre nur mit staatlicher Erlaubnis möglich.
Mit der US-Kampagne gegen die chinesische Politik in Xinjiang und die Etablierung des "Uyghur Forced Labor Prevention Act, der am 21. Juni 2022 in Kraft getreten ist, wird die Einfuhr von Waren mit chinesischen Bestandteilen in die USA erschwert, wie der Industrieverband Spectaris darlegt:
[Der Uyghur Forced Labor Prevention Act] führt eine sogenannte widerlegbare Vermutung ein, dass Güter, die ganz oder teilweise in der Autonomen Region Xinjiang der Uiguren (XUAR) der Volksrepublik China angebaut oder hergestellt, von bestimmten Körperschaften bzw. von verfolgten Minderheiten in ganz China hergestellt wurden, von vornherein mit Hilfe von Zwangsarbeit hergestellt wurden und daher einem Importverbot in die USA unterliegen.
Industrieverband Spectaris
Chip-Produktion in Taiwan wird subventioniert
In der Vergangenheit wurde ein steigender Anteil der Wertschöpfung aus Deutschland in zunehmendem Umfang auf Zulieferungen aus Asien verlagert. Dies waren vor allem die Erdgaslieferungen aus Sibirien und die preiswerte Arbeitskraft in China sowie auch stark subventionierte Halbleiterbauelemente aus Taiwan.
Wenn nun die Prozessoren-Produktion in Taiwan aufgrund der dortigen Subventionen und geringerer Löhne am Markt sehr preiswert verfügbar sind, wird es schwierig werden, die Wünsche der europäischen Politik zu erfüllen und in Europa eine sichere Versorgung mit Halbleitern aufzubauen. Die steigenden Energiekosten setzen heute schon ein großes Fragezeichen hinter die geplante Halbleiterproduktion von Intel in Magdeburg, da alleine dieses Werk zweimal soviel Strom benötigt wie die Stadt Magdeburg.
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, bereitet die Europäer im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Konzentration in Europa auf die EU auf dauerhaft hohe Preise vor. Ein großer Teil der aktuellen europäischen Industrie basiere auf "sehr billiger Energie aus Russland, auf sehr billiger Arbeitskraft aus China und auf hochsubventionierten Halbleitern aus Taiwan", sagte sie einem Interview mit dem Handelsblatt. Sie stellte fest: Europa sei nicht naiv gewesen bei diesen Risiken, sondern gierig.
Intellectual Property wandert in die USA
Die internationale Arbeitsteilung hat sich seit dem deutschen Wirtschaftswunder, das von zahlreichen Innovationen geprägt war, grundsätzlich verändert. Solange ein Dollar bis zu Beginn der 1960-er Jahre mehr als vier D-Mark wert war, obwohl hinsichtlich der Kaufkraft Parität bestand, konnten US-Investoren sich mit dem Viertel des Aufwand, den deutsche Investoren aufbringen mussten, an deutschen Unternehmen beteiligen.
US-Kunden mussten damals für deutsche Produkte nur ein Viertel der Zeit arbeiten, die der deutsche Kunde benötigte. Die Folgen dieser Situation kann man bei gebrauchten Produkten bis heute feststellen. So findet man die damals wertgeschätzten Contarex-Kameras der westdeutschen Carl Zeiss-Tochter Zeiss Ikon aus Braunschweig im Gebrauchtmarkt in den USA viel häufiger, als in Deutschland.
Bei US-Investitionen in deutsche Firmen hat sich bis heute ein besonderes Verhalten erhalten, das man vielfach chinesischen Investoren vorwirft. Wenn US-Investoren eine deutsche Firma kaufen, werden alle greifbaren Rechte in die USA verlagert und müssen in der Folge von den deutschen Firmen über Lizenzzahlungen bedient werden.
Ein bekanntes Beispiel entstand mit der Zerlegung des ursprünglich in Wetzlar angesiedelten Leica-Konzerns. Hier wurden die Namensrechte auf die Leica Microsystems IR GmbH, die wiederum zu Leica Microsystems in Wetzlar zählt übertragen.
Diese ist Teil des US-Konzerns Danaher mit Sitz in Washington DC. Der wirtschaftlich eigenständige Wetzlarer Fototechnikhersteller Leica Camera, muss für den Namensbestandteil "Leica" Lizenzen an den Danaher-Konzern abführen.
Auch im Falle der ehemals Münchner Rodenstock Photooptik, wurden alle einschlägigen Rechte nach der Trennung vom Familienunternehmen Rodenstock vom neuen Eigentümer in die USA transferiert.