Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?
Nach ersten Meldungen im Mai 2015 verdichteten sich wenige Monate später Meldungen über die mutmaßliche Verstrickung der Deutschen Bank in Geldwäscheaktivitäten
Die Geldwäsche gilt seit vielen Jahren als das "Herzstück" der Organisierten Kriminalität. Nachdem Mitte Juli 2015 die New Yorker Finanzaufsicht (Department of Financial Services, DFS) entsprechende Ermittlungen aufgenommen hatte, widmet sich nun auch das US-Justizministerium dem Verhalten der Deutschen Bank im Umgang mit russischen Geschäftspartnern.
Es wird berichtet, dass die Deutsche Bank angeblich selbst die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) eingeschaltet und manche ihrer Händler in Russland suspendiert habe. Ihnen wird vorgeworfen, für russische Kunden Gelder zweifelhafter Herkunft in beträchtlichem Ausmaß gewaschen zu haben. Sie sollen zunächst im Moskauer Freiverkehr ("over the counter", OTC), also nicht über die dortige Börse mit ihren Transparenzpflichten, Derivate gekauft haben. Nur Sekunden später sollen diese über den Londoner OTC-Markt wieder verkauft worden sein.
Während manche von einer Summe in mindestens dreistelliger Millionenhöhe reden, kursieren Meldungen, dass Rubel in einer Höhe von umgerechnet sechs Milliarden Dollar gewaschen worden seien. Russische Kunden sollen Papiere in Rubel gekauft haben, die ihnen die Deutsche Bank in London fast gleichzeitig wieder abkaufte, so dass die Gelder an den Behörden vorbei aus Russland herausgeschafft wurden. Aus Rubeln wurden also britische Pfund Sterling und Dollar. Auf diese Weise könnte es auch zu Verstößen gegen bestehende Sanktionen gekommen sein.
In der Deutschen Bank waren rasch Stimmen zu hören, wonach die Herkunft der Gelder nicht ordnungsgemäß geprüft worden sei. Wäre dies geschehen, hätten die inkriminierten Geschäfte nie zustande kommen dürfen. Die Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank habe angeblich sogleich interne Ermittler und Forensiker aus London und New York herbeizitiert, um den Fall aufzuklären. Federführend dafür ist der Konzernvorstand Stephan Leithner, als Chef des Europageschäfts für Russland zuständig und gleichzeitig weltweit für die Regelbefolgung ("Compliance") verantwortlich. Der Zeitraum der Untersuchung soll die Jahre 2011 bis 2015 umfassen. Der BaFin in Deutschland ist der Fall ebenfalls bekannt: Sie wollte die Informationen aber vorerst nicht kommentieren. Die Deutsche Bank bestätigte zunächst lediglich, dass eine "kleine Anzahl Händler in Moskau" bis zum Abschluss einer internen Untersuchung beurlaubt worden sei.
Die Vorwürfe waren zwar Gegenstand des Zweiten Quartalsberichts 2015, passen aber natürlich nicht so recht zu dem mit großem Aufwand propagierten "Kulturwandel" in der Deutschen Bank. Die Entwicklung des aktuellen Sachverhalts bleibt abzuwarten. Gegenwärtig ist völlig offen, ob sich die Verdächtigen der Deutschen Bank am Ende wirklich der Geldwäsche schuldig gemacht haben.
Der hier veröffentlichte Text ist ein Auszug dem Buch "Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?" von Wolfgang Hetzer, das gerade erschienen ist. Die Deutsche Bank steht in dem Verdacht, dass sie in ihren eigenen Reihen die Entstehung von Subkulturen zugelassen hat, deren kriminelle Energie und Schadensträchtigkeit das Leistungsspektrum jedweder Mafia-Organisation bei weitem übertreffen. Wolfgang Hetzer analysiert in seinem Buch, wie es dazu kommen konnte, und zeigt vor allem auch, was passieren muss, um diesem verantwortungslosen Treiben ein Ende zu setzen.
Trübe Aussichten
Es ist auch grundsätzlich ungewiss, ob diese und andere Geldwäschevorwürfe wirkungsvoll verfolgt und angemessen sanktioniert werden können. Die Geldwäschebekämpfung in Deutschland ist kein Ruhmesblatt effektiver Strafverfolgung. Die Deutsche Bank dürfte zwar wegen der mit den Geldwäschevorwürfen möglicherweise einhergehenden Reputationsschäden, soweit überhaupt noch möglich, besorgt sein. Das Strafbarkeitsrisiko ihrer Mitarbeiter wird sich aber auch diesmal in Grenzen halten, wie die folgenden Hinweise zur Rechtslage und zu den faktischen Zuständen in Deutschland andeuten.
Der Straftatbestand der Geldwäsche ist eine der umstrittensten Vorschriften im Strafgesetzbuch. Das Spektrum der Kritik ist groß: Es reicht von der ungenauen Bestimmung des geschützten Rechtsguts über die Schwierigkeiten bei der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale bis hin zur kriminalpolitischen Zweckmäßigkeit des gewählten Bekämpfungsansatzes. Das teilweise ungenügende Meldeverhalten der nach dem Geldwäschegesetz Verpflichteten und das Missverhältnis zwischen der Zahl der Verdachtsmeldungen und der Zahl rechtskräftiger Verurteilungen sind schon länger Gegenstände kritischer Betrachtung.
In jüngerer Zeit haben die enormen Summen, die Banken wegen ihres vielfältigen Fehlverhaltens zahlen müssen, auch die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Strafvorschriften zur Geldwäschebekämpfung im Bereich internationaler Finanzkriminalität eine praktische Bedeutung haben sollten.
Die Betrachtung der Geldwäscheproblematik erfolgt vor folgendem weltweiten und allgemeinen Hintergrund: Die Banken haben im Laufe des Jahrs 2014 in Rechtsverfahren weltweit zirka 60 Milliarden Dollar (48,3 Milliarden Euro) zahlen müssen.1 Nach den Erhebungen der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG), die in einer Studie Anfang Dezember 2014 veröffentlicht wurden, war das fast ein Drittel mehr als in den Jahren 2012 und 2013. Die Kosten aus Strafen und Vergleichen beliefen sich seit Beginn der Finanzkrise bis Dezember 2014 auf 178 Milliarden Dollar. Dabei wurden die führenden sechs Banken aus den USA und die zwölf größten Institute aus Europa, darunter die Deutsche Bank, berücksichtigt.
Nach anderen Zählungen, die auch kleinere Banken erfassen, beträgt die Summe an Strafen und Vergleichen seit der Finanzkrise mehr als 190 Milliarden Dollar. Alleine die Bank of America war mit gut 74 Milliarden Dollar dabei, JP Morgan Chase mit 29 Milliarden Dollar und die Citigroup mit 12 Milliarden Dollar. Die Deutsche Bank lag mit 7,3 Milliarden Dollar auf dem sechsten Rang. In Europa musste bislang nur die französische Bank BNP Paribas mehr bezahlen, nämlich neun Milliarden Dollar.
Hinter den Strafen stehen vor allem die amerikanischen Aufsichtsbehörden. Aufgrund ihrer Forderungen haben alleine die amerikanischen Banken zwischen 2009 und September 2014 etwa 115 Milliarden Dollar gezahlt. Dieser Betrag geht zu 98 Prozent auf behördliches Verlangen zurück. Von den 63 Milliarden Dollar, die europäische Banken an Strafen zahlen mussten, waren es 45 Prozent. In den USA wurden vor allem die verlustreichen Hypothekenanleihen geahndet, in Europa wurde es in den Jahren 2013/2014 wegen der Zinsmanipulationen der Referenzsätze Libor und Euribor teuer. Im Strafregister schlugen sich auch die Hilfen zu Steuerhinterziehungen und Verstöße gegen amerikanische Sanktionen nieder.2
Anfang Februar 2015 wurde gemeldet, dass das amerikanische Bankhaus JP Morgan Chase im Rechtsstreit mit Investoren wegen Manipulationen am Devisenmarkt 99,5 Millionen Dollar zahlen wird. Allerdings musste die seinerzeit veröffentlichte Einigung erst noch von einem Gericht bestätigt werden und war nicht mit einem Schuldeingeständnis verbunden. JP Morgan war die erste von zwölf betroffenen Banken, die eine Einigung erzielt hatte. Die Händler der Banken sollen sich seit Anfang 2003 abgesprochen haben, Devisenkurse zum Nachteil ihrer Kunden zu manipulieren. Dabei hätten sie Internetforen, Messaging-Dienste und E-Mails genutzt, um das "Welt-Markt-Reuters-Fixing" zu beeinflussen, eine der am meisten genutzten Plattformen am Devisenmarkt. An dem munteren Treiben sollen unter anderem auch die Deutsche Bank, die Credit Suisse und UBS teilgenommen haben, auf einem Markt auf dem täglich, wie schon angedeutet, zirka fünf Billionen Dollar umgesetzt werden.3
Gleichzeitig ging aus Tausenden vertraulicher Dokumente hervor, dass Kriminelle, Angehörige von Königshäusern aus dem Nahen Osten und Regierungsmitglieder etlicher Länder bei einer Schweizer Tochter der Großbank Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) Milliardenbeträge angelegt haben, viel davon als "Schwarzgeld". Bereits 2007 wurden mehr als 75 Milliarden Euro gelagert. Gemessen an der Bilanzsumme ist die HSBC die zweitgrößte Bank der Welt. Sie genoss und genießt nicht nur das Vertrauen von ehemaligen und amtierenden Machthabern wie Hosni Mubarak (Ägypten), Baschar al-Assad (Syrien) und Li Peng (China), sondern auch einer Vielzahl von Blutdiamantenhändlern, Waffenschiebern und Terrorfinanciers. In den Dateien der Schweizer "HSBC Private Bank" fanden sich mehr als hunderttausend Personen aus mehr als zweihundert Ländern und Territorien.
Es handelte sich damit um das bisher größte Datenleck in der Geschichte der Bankbranche. HSBC-Vertreter haben inzwischen ein Kontrollversagen ("in der Vergangenheit") eingeräumt. Die Schweizer HSBC habe "zu viele Hochrisiko-Konten" geführt. Jetzt behaupten Verantwortliche, dass sich die Bank von allen steuerlich problematischen Kunden getrennt hätte. Erste Prüfungen haben übrigens ergeben, dass von rund dreitausend ausgewerteten französischen Konten nur sechs den Finanzämtern gemeldet waren.4
Ende Mai 2015 wurde bekannt, dass sich sechs der weltgrößten Banken mit dem Justizministerium in Washington sowie weiteren amerikanischen und britischen Behörden wegen ihres rechtswidrigen Verhaltens beim Handel mit Devisen auf die Zahlung von zusammen rund 5,8 Milliarden Dollar geeinigt haben. Diese "Geldbußen" sind den Strafen hinzuzurechnen, die in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar schon im November 2014 in den USA, Großbritannien und der Schweiz verhängt worden waren.
Die Banken hoffen, mit diesen exorbitant hohen Beträgen einen weitgehenden Schlussstrich unter die seit 2013 laufenden Ermittlungen im Devisenmarkt ziehen zu können. Citigroup, JP Morgan Chase, Barclays und RBS haben sich deshalb schuldig bekannt, die Wechselkurse von Euro und Dollar manipuliert zu haben. Zwischen Dezember 2007 und Januar 2013 hatten sich deren Devisenhändler in einem nur für Mitglieder zugänglichen elektronischen Chatroom für illegale Absprachen zur Beeinflussung der Devisenkurse getroffen.
Das Kartell der Betrüger wurde (und wird?) durch die starke Konzentration des Devisenhandels auf wenige Marktteilnehmer begünstigt
Erstaunlicherweise ist die Deutsche Bank an diesen jüngsten "Vergleichen" nicht beteiligt, obschon sie einer der größten Devisenhändler der Welt ist. Immerhin wurden schon einige ihrer Mitarbeiter wegen Fehlverhaltens aus dem Devisenhandel entlassen. Dennoch ist die Bank von den Aufsichtsbehörden bisher noch nicht in die erste Reihe der Verdächtigen befördert worden.
Inzwischen ermittelt aber die Bankenaufsicht von New York seit Dezember 2014 wegen des Verdachts, dass auf den Handelsplattformen ein Algorithmus eingesetzt wurde, der "Tricksereien" erleichtern konnte - ein Verdacht, der nicht nur die Deutsche Bank, sondern auch Barclays trifft. Die Briten haben sich im Devisenfall bereiterklärt, 2,3 Milliarden Dollar zu zahlen, der bislang höchste Tribut. Zudem müssen sie 115 Millionen Dollar für Manipulationsversuche im Geschäft mit Zinsswaps ("Isdafix") berappen und sich von insgesamt acht Mitarbeitern trennen. Die Schweizer (USB) müssen eine Strafe von insgesamt 545 Millionen Dollar bezahlen; schon im November 2014 haben sie 800 Millionen Dollar herausgerückt. Von der neuen Geldbuße wegen der Manipulationen am Devisenmarkt fließen 342 Millionen Dollar an die amerikanische Notenbank.
Nochmal zur Erinnerung: Im globalen Währungshandel werden täglich rund 5,3 Billionen Dollar umgesetzt - das Anderthalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands. Der Devisenmarkt ist das größte Segment der internationalen Finanzmärkte. Wegen der riesigen Umsätze hielt man bis jetzt die Anfälligkeit für Manipulationen für gering, weil es für einzelne Marktteilnehmer schwierig ist, die Kurse zu beeinflussen.
Diese Gewissheit ist dahin, und verdächtige Kursbewegungen im Umfeld eines wichtigen Preisfestsetzungsverfahrens haben manchen die Augen geöffnet: Beim Abschluss eines Handelstags in London, dem wichtigsten Devisenhandelsplatz der Welt ("4 p. m. London Fix"), hat eine Clique von Devisenhändlern über Jahre hinweg mittels verbotener Absprachen die jeweils zu diesem Zeitpunkt ermittelten Devisenkurse zu ihren Gunsten frisiert. Inzwischen wurden Dutzende von Händlern suspendiert oder entlassen.
Das Kartell der Betrüger wurde (und wird?) durch die starke Konzentration des Devisenhandels auf wenige Marktteilnehmer begünstigt, denn nur fünf Banken kontrollieren zusammen rund 60 Prozent des globalen Währungsgeschäfts. Marktführer war 2014 die amerikanische Citigroup, knapp vor der Deutschen Bank. Selbst die Bank von England geriet dabei ins Zwielicht: Im März 2014 wurde bekannt, dass dubiose Kursbewegungen rund um das Londoner Preis-Fixing bereits seit 2006 in einem Ausschuss der Notenbank zur Sprache gekommen waren. Diesem Verdacht war aber niemand nachgegangen. Zu den Mitgliedern dieses Ausschusses zählten übrigens mehrere Devisenhändler großer Banken, die später suspendiert wurden.5
Es gibt keine vergleichbar präzisen Angaben darüber, ob das diesen Zahlen zugrundeliegende Verhalten auch nach den strafrechtlichen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung gewürdigt wurde und welche Folgen dies hatte oder hätte haben müssen. Erst recht gibt es keine verlässlichen und zitierfähigen Untersuchungsergebnisse, die zeigen könnten, was die moderne Finanzindustrie von der organisierten Kriminalität unterscheidet, die vor mehr als zwei Jahrzehnten in Deutschland und in Europa ja der Grund dafür war, dass man neue Vorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche schuf.6
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