Italienischer Innenminister hält Verkauf von Goldreserven für eine "interessante Idee"
Alternative zu neuen Schulden bei geringerem Wirtschaftswachstum
Italien hat mit 2451,8 Tonnen die weltweit drittgrößten Goldreserven. Ein neuer Gesetzentwurf soll klarstellen, dass diese Reserven nicht der italienischen Notenbank, sondern dem italienischen Staat gehören. Italienische Medien wie die Zeitung La Stampa mutmaßen, dass dieser Gesetzentwurf den Verkauf eines Teils dieser Goldreserven einläutet. Der italienische Innenminister und Vizeministerpräsident Matteo Salvini meinte zu diesen Spekulationen, ein Goldverkauf sei "keine Angelegenheit, die [er] verfolge", räumte aber gleichzeitig ein, dass das "eine interessante Idee sein könnte".
Hintergrund der Spekulationen ist neben dem Gesetzentwurf die Absenkung des von der EU-Kommission für 2019 erwarteten italienischen Wirtschaftswachstum von 1,2 auf 0,2 Prozent. Grundlagen dieser Korrektur sind unter anderem ein Rückgang der italienischen Industrieproduktion um 5,5 Prozent und ein Schrumpfen der italienischen Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2018. Hinzu kommen schlechtere Aussichten für die Weltwirtschaft, die der Prognose des Weltwährungsfonds nach vor allem die Industriestaaten betreffen.
Defizitverfahren und Herabstufung durch Ratingagenturen
Ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum würde Löcher in den italienischen Staatshaushalt reißen, der in Brüssel erst nach langen Verhandlungen genehmigt wurde (vgl. EU-Kommission akzeptiert etwas kleineres italienisches Haushaltsdefizit). Versucht die italienische Regierung, diese Löcher mit neuen Schulden zu stopfen, droht ihr doch noch ein Defizitverfahren, wie der österreichische Finanzminister Hartwig Löger und sein slowakischer Amtskollege Peter Kažimír gestern nach einem Treffen der zuständigen Ressortchefs der Euro-Mitgliedsländer durchblicken ließen.
Darüber hinaus müsste die italienische Regierung in so einem Fall auch eine weitere Herabstufung ihrer Staatsanleihen durch das Ratingagenturoligopol aus Standard & Poor's, Moody's und Fitch fürchten. So eine weitere Herabstufung hätte zur Folge, dass viele institutionelle Anleger ihren eigenen Regeln nach italienische Staatsanleihen nicht nur meiden, sondern sogar abstoßen müssen, weil sie dann als zu unsicher gelten. Das daraus resultierende größere Angebot dürfte die Zinsen, die die italienische Regierung für ihre Schulden zahlen muss, deutlich erhöhen und könnte sich auch auf andere Länder auswirken.
Der Verkauf eines Teils der Goldreserven wäre eine Alternative zu neuen Staatsschulden. Eine andere Alternative wäre die Verbesserung der ökonomischen Aussichten. Daran scheint der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria jedoch zu zweifeln: Am Wochenende meinte er, man dürfe "keine Investitionen erwarten, wenn eine Regierung es für legitim hält, unterzeichnete Verträge rückwirkend zu ändern". Damit spielte er auf den von der Fünf-Sterne-Bewegung erzwungenen Stopp des Baus der TAV-Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke von Turin nach Lyon an. Eine weiterer umstrittene Entscheidung, gegen die am Wochenende Gewerkschaften und Industrieverbände gemeinsam demonstrierten, ist der Stopp der Gasbohrungen im adriatischen Meer.
Die M5S, die für diese Entscheidungen steht, verlor bei der am Sonntag abgehaltenen Wahl in der Region Abruzzen 1,2 Punkte auf jetzt 20,2 Prozent. Stärkste Partei wurde dort mit aus dem Stand 27,52 Prozent die Lega, die in der Region zusammen mit ihren alten Verbündeten Forza Italia und Fratelli d'Italia antrat und den siegreichen Fratelli-Kandidaten Marco Marsilio unterstützte.
Salvini: "Unabhängigkeit kann nicht Unverantwortlichkeit bedeuten"
Dass dieses Ergebnis dazu führt, dass das Bündnis zwischen M5S und Lega auf Landesebene bald auseinander bricht, ist insofern unwahrscheinlich, als sich Lega-Chef Matteo Salvini und M5S-Capo Luigi Di Maio in vielen Fragen weiterhin einer Meinung zeigen: Auf einer Veranstaltung in Vincenza kritisierten beide vor Kunden der mit 17 Milliarden Euro "geretteten" Geldinstitute Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca das derzeitige Personal der Notenbank Banca d’Italia, deren Unabhängigkeit der parteilose Tria vorher betont hatte.
"Unabhängigkeit", so Salvini dazu, könne "nicht Unverantwortlichkeit bedeuten". Deshalb müsse die Führung der Zentralbank "komplett ausgetauscht" sowie zivil- und strafrechtlich für Versäumnisse verantwortlich gemacht werden. Aktuell blockieren er und Di Maio die Verlängerung des Mandats von Luigi Federico Signorini, den Notenbankgouverneur Ignazio Visco als stellvertretenden Generaldirektor behalten will.
Bei der italienischen Börsenaufsicht Consob, die Salvini und Di Maio in Vincenza ebenfalls kritisierten, konnten sie am 5. Februar ihren bisherigen Europaminister Paolo Savona als neuen Präsidenten durchsetzen. Der sardische Ökonom sollte ursprünglich der Ministerpräsident ihrer Koalition werden, wurde aber vom sozialdemokratischen Staatspräsident Sergio Mattarella als zu euroskeptisch abgelehnt (vgl. Italien: Regierungsbildung scheitert am sozialdemokratischen Staatspräsidenten).
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