Jamaika-Koalition in Hessen?
Wenn Schwarz-Grün die Mehrheit verliert, will FDP-Spitzenkandidat René Rock einspringen
Zwei Wochen nach der Wahl in Bayern steht die nächste Landtagswahl an: Am 28. Oktober wählen die Hessen. Der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen nach wird die regierende schwarz-grüne Koalition dabei ihre Mehrheit einbüßen. Die grüne Milieupartei darf zwar mit einem Zuwachs von 11,1 auf 18 Prozent rechnen - aber dieser Zuwachs gleicht die zu erwartenden Verluste der CDU nicht aus, die um fast zehn Punkte von 38,3 auf 29 Prozent abzustürzen und damit das schlechtestes Ergebnis seit 52 Jahren einzufahren droht.
Für diesen Fall hat der hessische FDP-Spitzenkandidat René Rock angeboten, Schwarz-Grün bei der parlamentarischen Mehrheitsbeschaffung behilflich zu sein. Seinen Worten nach wird die FDP das nach der Wahl "ernsthaft verhandeln, wenn es möglich ist", weil eine "große Koalition in Berlin […] schon schlimm genug" sei.
Preis für eine Jamaika-Koalition ist das Wirtschaftsministerium
Als Preis dafür fordert er das Wirtschaftsministerium, das derzeit der hessische Grünenchef Tarek al-Wazir leitet: "Ein Bündnis, bei dem die FDP den Umweltminister stellt und die Grünen den Wirtschaftsminister", so Rock, "da würde jeder sagen: Ich glaube, die haben da was verkehrt gemacht". Stattdessen solle "jeder die Themen mach[en], für die er auch Kompetenzen hat und Know-how mitbringt".
Vor einer solchen Jamaika-Koalition steht für die hessische FDP allerdings noch die Fünf-Prozent-Hürde, die sie 2013 denkbar knapp übersprungen hat. Der Forschungsgruppe Wahlen nach kann sie 2018 zwar mit sechs Prozent rechnen - aber eine Fehlertoleranz von plus/minus drei Prozentpunkten schließt auch 4,9 Prozent oder weniger nicht aus. So ein Ergebnis ist auch deshalb möglich, weil eine drohende Jamaika-Koalition potenzielle FDP-Wähler dazu bringen könnte, sich nach einer Alternative umzusehen. Die steht ihnen in Hessen unter anderem mit den Freien Wählern zur Verfügung, die durch ihre bevorstehende Regierungsbeteiligung in Bayern gerade bundesweit viel Medienaufmerksamkeit bekommen.
SPD-Spitzenkandidat schließt Rot-Rot-Grün nicht aus
Die SPD verliert in Hessen mit vorhergesagten 7,7 Punkten auf 23 Prozent den Umfragen nach etwas mehr, als die Grünen hinzugewinnen, und droht damit ihr bislang schlechtestes Nachkriegsergebnis einzufahren - aber auch sie will regieren. Ihr Spitzenkandidat Torsten Schäfer-Gümbel hat deshalb eine rot-rot-grüne Koalition nicht ausgeschlossen, für die es der Forschungsgruppe Wahlen nach knapp reichen könnte, weil die Linke mit einem Zuwachs von 2,8 Punkten auf acht Prozent rechnen darf. Ob so ein Bündnis dann tatsächlich zustande kommt, und wie lange es hält, hängt davon ab, wie die SPD mit einer Linke-Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler zurechtkommt, die mit Slogans wie "Es lebe die Anti-Abschiebe-Industrie!" Aufmerksamkeit erregt.
Bislang kein Koalitionsangebot hat die AfD bekommen, die mit voraussichtlich 13 Prozent und einem Plus von 8,9 Punkten in das sechzehnte und letzte ihr fehlende deutsche Landesparlament einziehen wird. Ihr Spitzenkandidat ist der durch seine Gegnerschaft zum Flughafenausbau bekannt gewordene exzentrisch frisierte Frankfurter Stadtrat und Doppeldoktor Rainer Rahn, der früher bei der FDP war. Aber auch sie muss fürchten, dass ihr die nach dem Wahlerfolg der bayerischen Freien Wähler entstandene Medienaufmerksamkeit potenziell Wähler abspenstig macht, die nach einer Alternative zu den Etablierten suchen.
So eine Alternative will auch Martin Sonneborns Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (PARTEI) bieten, die mit ihrem Spitzenkandidaten Mario Bouffier darüber hinaus auf Wähler hofft, die einen Hugenotten nicht vom anderen unterscheiden können. Bernd Luckes Liberal-Konservative Reformer (LKR) treten dagegen mit dem tschetschenisch-ossetischen Nachnamen Tsomakaeva an, der allerdings nur angeheiratet ist. Einen türkischstämmigen Kandidaten an der Spitze haben neben der erdoğannahen Allianz Deutscher Demokraten (ADD) auch die Freien Wähler, deren Listenanführer Engin Eroglu jedoch weniger auf Identitätspolitik, als auf Subsidiarität setzt.
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