Journalists for Future?
Warum gibt es noch keine Organisation "Journalists for Future"? Das fragt in der Taz in diesen Tagen die Kollegin Ute Scheub. Die Frage ist berechtigt. Ein Kommentar
Die für eine bessere Klimapolitik streikende Jugendbewegung nennt sich "Fridays for Future". Die mit ihnen solidarischen Eltern gaben sich den Namen "Parents for Future" und die sie unterstützenden 42.000 Wissenschaftler den Namen "Scientists for Future". In München gibt es sogar die Gruppe "Grandparents for Future". Warum gibt es noch keine Organisation "Journalists for Future"?
Das fragt in der Taz in diesen Tagen die Kollegin Ute Scheub. Die Frage ist berechtigt. Wir Journalisten sind eine seltsame Spezies. Wir arbeiten meist nach dem uralten Motto "Only bad news are good news". Je schlechter, je gewaltträchtiger und je spektakulärer die Nachricht, desto höher die Auflage oder die Einschaltquote. Je mehr Tote und je brutaler die Gewalt, desto besser? Gute Nachrichten haben es in der Regel schwerer, groß herausgestellt zu werden.
"Fridays for Future" streitet für eine bessere Klimapolitik
Am 15. März 2019 gingen weltweit 1.6 Millionen junge Leute auf die Straße für ein besseres Klima. Ein welthistorisches Ereignis. Aber zur selben Zeit verübte ein Terrorist in Neuseeland einen Anschlag auf eine Moschee. Seine Morde beherrschten die Schlagzeilen und die Aufmacher der Weltmedien.
Ute Scheub fragt zu Recht: Müssen die jungen Klimademonstranten erst Steine werfen oder Anschläge verüben bis wir sie ernster nehmen?
Die neuseeländische Ministerpräsidentin Arden hat uns Journalisten beispielhaft vorgemacht, wie man mit Terroristen auch umgehen kann: Sie hat seinen Namen bis heute bewusst nicht in den Mund genommen und will es nie in ihrem Leben tun.
Was wollen Terroristen?
Terroristen gieren nach Aufmerksamkeit und legen ihre Taten geradezu auf die Schlagzeilen an, die sie erhoffen. Und wir Journalisten fallen ständig darauf herein. Indirekt unterstützen wir ihre Taten, indem wir sie massenhaft verbreiten.
Oder: Über vielleicht tausend randalierende Gelbwesten in Paris wurde vor kurzem ausführlicher berichtet als über 40.000 Schüler, die zur selben Zeit in derselben Stadt für Klimaschutz demonstrierten. Das ist absolut unangemessen.
Der Unterschied zwischen beiden Demos: Die Gelbwesten waren gewalttätig. Das ist eine verheerende Botschaft an die jungen Klima-Demonstranten: Wir nehmen euch genau so wenig ernst wie die Politik. Ihr seid ja keine Profis. Und ihr seid zu friedlich!
Es stimmt schon: Die lächerlichen und unverantwortlichen Sprüche einiger AfD-Politiker sind uns oft wichtiger als die Ernsthaftigkeit und bisherige Friedfertigkeit der "Fridays for Future"-Bewegung für die Überlebensfrage der Menschheit.
Wann wachen die Politiker auf?
Ute Scheub wirft ihrer und meiner Zunft vor, dass die Klimaerhitzung das meist verdrängte Thema unserer Zeit ist. Zum Glück ändert sich das gerade. Aber nicht wir Journalisten haben die Schüler aufgeweckt, sie sind dabei, uns aufzuwecken. Hoffentlich wacht auch die Politik endlich auf.
Wenn es um die Überlebensfrage der Menschheit geht, gibt es keine journalistische Neutralität. Wir dürfen uns in dieser Frage nicht länger an das populäre Motto des Kollegen Hajo Friedrich halten, der meinte, Journalisten dürfen sich nicht mit einer Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten.
Zum Glück hat sich Hajo Friedrich selbst nicht immer an dieses Motto gehalten. Die Gründung einer "Journalists for Future"-Bewegung - Initiative - gehört zu unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Das ist zumindest wichtiger als unsere ewige Gewalt-Fixierung. Dabei geht es nicht um Parteinahme, sondern um unseren eigentlichen Job - um ganzheitliche Aufklärung.
Meine eigene Erfahrung nach 50 Jahren politischem Journalismus: Auch good news können good news sein und viele ZuschauerInnen und LeserInnen erreichen.
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