Juchh - Juchh - Juch! Bummm - Bummm - Bummm!

Der Iwan greift mit dem Panzer an oder warum die Ostfront wieder aktuell ist - Groschenroman Teil 4

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Was ist eigentlich, wenn sich Groschenroman und aktuelle Schlagzeilen vermischen? "Sieht nicht danach aus, als ob uns der Iwan so ohne weiteres in die Stadt reinlassen will", kommentierte Eschweg das das unausgesetzte Schießen, das von der Spitze der Kolonne zu ihnen herüberdrang." "Litauen sieht konkrete Bedrohung durch Russland" (WAZ 2017).

"Über die Russen war jetzt eine wahre Hölle hereingebrochen. Das Feuer von einem Dutzend Maschinengewehren und mehreren Panzerkanonen fuhr in ihre Reihen, riß die erste Welle zu Boden und mähte ohne Gnade auch in die zweite dichtauf folgende hinein." "Bedrohung durch Russland: Europas Straßen sollen panzertauglich werden" (shz 2018).

"Der Russe hatte sich wieder einmal entschlossen, zähen Widerstand zu leisten." "Gemeinsame Kritik an Russland: "Es bedroht unser aller Sicherheit ..." (Welt 2018). "Juchh - Juchh - Juch! Bummm - Bummm - Bummm! Die Einschläge der schweren russischen Granatwerfer lagen deckend." "Russland stellt eine existenzielle Bedrohung dar" (Handelsblatt 2018).

"Wieder flog eine Salve russischer Werfergranaten heran. Die kurz hintereinander aufbrüllenden Einschläge lagen dicht bei der Nachbargruppe, wie Almenröder feststellen konnte." "Große Gefahr aus Russland" (Volksstimme 2018). "Versuchen Sie, mit ihren Männern den Russen in den Rücken zu kommen. Ich gebe Ihnen einen der Flammenwerfer als Unterstützung mit." "Die wahre russische Gefahr lauert in einem anderen Meer" (Welt 2018).

"Es wäre gut, wenn wir den Russen so wie geplant von hier aus in die Flanke fahren könnten, stellte Petzke fest." "8 Anzeichen, dass von Russland eine Gefahr ausgeht" (Huffington Post 2018). "Müller ließ einen ersten Feuerstoß aus seiner am Beiwagen aufmontierten Waffe zum Russen hinüber. Der Fahrtwind brauste ihnen an den Ohren vorbei." "Russland trainiert Krieg gegen die Nato" (Bild 2018).

Eigentlich hatte man gedacht, dass nun endlich Frieden sein können an der Ostfront. Nach 1989, als die Sowjetunion ihre Truppen aus Osteuropa abzog. Und im September 2013, als der Pabel-Möwig-Verlag endlich den unsäglichen "Der Landser" einstellte. Von 1957 an, also bereits zwölf Jahre, nachdem der letzte Landser seinen letzten Schuss abgegeben hatte, erschien Woche für Woche der kriegsverherrlichende Heftroman unter dem fadenscheinigen Deckmantel "Erlebnisberichte zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges". Hier wurde der Zweite Weltkrieg weitergekämpft, nun parallel zum kalten Krieg, diesmal unter dem Aspekt der "sauberen Wehrmacht", die quasi nur ihr Handwerk verrichtete und mit den bösen Nazis nichts zu tun hatte.

Das ging bis 2013, als der Verlag nach massiven Protesten endlich die Reißleine zog und das Heft vom Markt nahm. Der Anstoß: Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte ein Verbot der Heftreihe gefordert. Die jüdische Nicht-Regierungsorganisation mit Sitz in Los Angeles kritisierte, der "Landser" glorifiziere den Zweiten Weltkrieg und NS-Verbrecher. Sie berief sich auf eine Studie des Historikers Stefan Klemp. Der konzentrierte sich auf die zweite Seite des "Landser", auf der "Ritterkreuzträger" porträtiert wurden. "Kriegsverbrecher, Mitglieder der SS und der Wehrmacht, werden in diesem Format vorgestellt und als Ordensträger gefeiert. Ihre Taten werden dagegen verschwiegen", so das Urteil von Klemp.

Als Beispiel verwies er auf Hermann Fegelein, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS, der mit zahlreichen Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht wird. "Es ist fraglich, ob es vertretbar und legal ist, diese Personen so zu porträtieren." Das Simon-Wiesenthal-Zentrum urteilte, mit derartigen Porträts würden die an der Vernichtung der Juden im Zweiten Weltkrieg beteiligten Verbände der SS glorifiziert und das Dritte Reich "reingewaschen". Der Bauer-Verlag verteidigt die Reihe, die "im Einklang mit den in Deutschland geltenden Gesetzen" stehe, nahm die Hefte aber schließlich vom Markt.

Doch die Ritterkreuzträger sind nicht totzukriegen. Sie sind seit 2013 neu auferstanden im "Weltkrieg", der Nachfolgeserie des "Landser". Wie gehabt geht es um "Erlebnisberichte", etwa über die Ostfront. Die Aufmachung der Hefte erinnert sehr an den Landser. Da gibt es die orange Reihe "Weltkrieg", die blaue Reihe "Weltkrieg-Flieger", die hellblaue Reihe "Weltkrieg Marine" und die braune Reihe "Weltkrieg-Soldaten". Besonders unappetitlich fällt die "Schwarze Serie" auf, in der es um die reaktionären, rechtsradikalen Haufen der Freikorps in der Weimarer Republik geht. Sie schlugen Arbeiteraufstände blutig nieder.

Begrüßt wird man auf der Website des verantwortlichen Mediavari Verlags aber nicht mit "Sieg Heil", sondern mit "Gruezi euch allen". Denn dieser Weltkrieg wird von der Schweiz aus geführt, genauer aus der Türlocherstraße 18 in CH-6060 Sarnen, so das Impressum.

"Deutsches Kriegsheftli unter falscher Schweizer Flagge" schrieb dazu die Aargauer Zeitung. An der angegebenen Adresse finde sich aber kein Verlag, so die Zeitung, sondern der Obwaldner Treuhänder Karl Gasser. Der hatte für den Rostocker Anwalt Volker Beecken die Gründung der Mediavari AG vorbereitet. Dazu vermutete das deutsche Medienmagazin "Zapp" (NDR), dass Beecken im Auftrag des Verlags Lesen & Schenken des norddeutschen Rechtsextremisten Dietmar Munier gehandelt habe. Wie auch immer, der "Weltkrieg" wird in Bremen gedruckt und in Deutschland, der Schweiz und Österreich mit der im Impressum angeführten Adresse in Sarnen vertrieben.

Nochmal, was zeigt sich, wenn sich aktuelle Nachrichten mit dem "Weltkrieg" vermischen? Dass die Fronten heute nicht übersichtlicher geworden sind, der Gefreite Müller würde sich wundern. An der Ostfront stehen heute taz, ARD und FAZ, während das rechte Lager gerne RT Deutsch konsumiert.

Aber was für einen Gebrauchswert hatten und haben "Der Landser" und der "Weltkrieg" eigentlich? V: Prinzessin Tamara und die letzte Front.