Ich bin auch net g'rad arm
Eigentumsverhältnisse bei Schloss, Bergbauernhof und Kleingalaxis - Groschenroman Teil 3
Der Heftroman und damit die Trivialkultur erschaffen weniger eine eigene Welt, als dass sie die bestehende Welt mit unterschiedlichen Brechungen wiedergeben. Seit den 1970er Jahren haben sich Generationen von Akademikern bemüht, dem Genre seine systemstützende Funktion nachzuweisen; und auch, wie über Liebe, Herzschmerz, Berg und Tal, Revolverheld und blauem Blut sozusagen subkutan dem Leser die grundlegenden Prämissen der kapitalistischen Welt untergejubelt werden. "Die böse Liebe des Volkes zu dem, was man ihm antut", nannte das Adorno.
Wir haben hier vom Gebrauchswert des Groschenromans als dem des Happy End gesprochen und zu dieser in sich geschlossenen Utopie gehört auch das "Wording", was Namen anbelangt (Es war ein strahlend schöner, sonniger Herbsttag über der Eifel. Kulturkritik und Trivialkultur des Groschenromans oder die Utopie des Happy End - Teil 2.) Die Vor- und Nachnamen der Figuren in den Heftromanen haben dabei die symbolische Aufgabe, einen semantischen Raum zu definieren und abzugrenzen, sie markieren gewissermaßen das Binnenland der Träume. So heißt im Heimatroman die junge Heldin Franziska Pachtner, der alte Knecht Valentin Huber, der Nachbarsohn Tobias Anzengruber und der Bergpfarrer Sebastian Trenker. Klar, dass in dieser Welt ein Jiri Gradowitsch oder eine Chantall Grünkern nicht wirklich passen würde.
Bei Perry Rhodan wiederum sind Namen nur dazu da, das Fremde zu betonen, weil sich ja seit 3000 Jahren eh alles wiederholt. Hier gilt die Regel, je mehr und seltsam Buchstaben miteinander verklumpt werden, desto fremder ist uns die Spezies, von der gerade die Rede ist. Da ist "Nadhnar", der kleine "Geme" mit seiner typisch bläulichen Haut, dort steht ein "Nodhkari" herum und wartet auf irgendwas, hier unterhält "Haurrigh" sich mit "Klem" und dann wird noch ein gewisser "Frugghir" irgendwo in der Milchstraße abgesetzt.
Das Gegenteil zum Rhodanschen Sprachkatarrh ist der Arztroman. Hier heißen alle Ärzte Bastian oder Daniel oder Matthias, die Namenswelt ist deutsch und kurz und klar: Judica Holzapfel, Dr. Weigand, Caroline Steuber. Und im Adelsroman - wir hatten's ja schon - wird gevont und gegräft was das Zeug hält. Wer dort nicht einen "von", einen "Graf" oder "Prinz" am Namen hängen hat, gehört nicht wirklich zur Geschichte, sondern zum Gesinde: "Butler Franz nahm eines der Tabletts und verließ die Küche", "der alte Gärtner Siegfried", "Paul, der Koch …".
Und so wie wir in all den Krimis und Serien und Liebesfilmen meist nur weitläufige Lofts und Altbauwohnungen, die Villa mit alten Baumbestand und das Ferienhaus am See zu sehen bekommen (und eigentlich nie die Zwei-Zimmer-Sozialwohnung in München Sendling, weil da das Filmteam gar nicht Platz hätte), so ist die Welt der Groschenromane eine des Privateigentums. Da hat Prinzessin Tamara von Herzberg zwar ein Schloss, kann aber auf den herrlichen Rosengarten nur einen "flüchtigen Blick" werfen, weil sie als Chefin einer eigenen Firma ja nach dem Tode der Eltern und bla, bla, bla. Und Franziska Pachner gehört natürlich der "Bergbauernhof unterhalb des Zwillingsgipfels" und muss nun - natürlich nach dem Tod der Eltern - "ganz auf sich alleine gestellt" das "väterliche Erbe" erhalten, bla, bla, bla.
Dabei müssen die Eigentumsverhältnisse aber schon irgendwie legitimiert werden, denn zu neidisch kann der Leser auch nicht gemacht werden. Da die Angehörigen des Adels wahrscheinlich keine Adelsromane lesen, muss die Adelsgeschichte für den Nichtadel kompatibel werden, vor allem in Hinsicht soziale Gerechtigkeit. Das funktioniert dann mit Hilfe moralischer Enterhacken, wodurch auch die Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk an Bord des Adelsschiffs gelangt: "Am liebsten hätte sie alles hingeworfen und wäre auf die Bahamas geflogen . . . Doch Tamara Prinzessin von Herzberg wusste ganz genau, dass sie das nicht tun konnte. Im Moment ruhte auf ihren Schultern die ganze Verantwortung für Schloss und Familie Herzberg"; "Er hatte sich aus Armut hochgearbeitet. Seine Familie besaß einen guten alten Namen, aber kein Geld. Heute war er reich und angesehen."
Und ob Schloss oder Bergbauernhof, egal, Geld kommt zu Geld: "Lange Zeit hat Franziska niemanden an sich herangelassen … sie musste ja Angst haben, dass jeder nur hinter ihrem Geld her sein würde." Bis der Florian kommt: "Und was dein vieles Geld angeht - ich pfeif' d'rauf, denn ich bin auch net g'rad arm." Franziska schaute ihn bittend an. "Ich glaub' ich war etwas voreilig", flüsterte sie.
Eigentumsverhältnisse kann man übrigens auch stabilisieren, indem man sie völlig aus dem Blickwinkel nimmt. Das wirklich große und wahre Geheimnis, das in den nächsten dreitausend Jahren des Perry-Rhodan-Universums zu lösen ist, lautet: Wie hat der unsterbliche "Erbe des Universums" (Rhodan) eigentlich seinen Lohn als Galaxis-Chef angelegt, muss er Rentenbeiträge und Erbschaftssteuer für das Universum abführen? Und wem gehören eigentlich die Planeten in der "Kleingalaxis Cetis"?
All das ist nicht neu, sondern schon von vorne bis hinten und von oben bis unten ideologisch entlarvt, kritisiert, verdammt - und es gibt sie immer noch, die Groschenhefte. Manchmal erschreckt man allerdings selbst, wenn sich die Welt des Trivialen plötzlich auflöst und hinter den Nebelbänken des Happy End plötzlich das normale, mitunter grausame Leben auftaucht. Etwa in der Welt des Schlagers, des musikalischen Verwandten des Groschenromans.
Obwohl man es ja wusste, bestürzt einen die tiefe Diskrepanz zwischen heiler und wirklicher Welt. Etwa bei dem Schlagersänger Roy Black, bürgerlich Gerhard Höllerich ("Du bist nicht allein"), der 1991 nach Alkoholexzessen allein in einer Fischerhütte starb. Oder bei Rex Gildo, bürgerlich Ludwig Franz Hirtreiter ("Fiesta Mexicana"), der 1999 aus dem Fenster sprang. Plötzlich schien all die Verlogenheit des Schlagers, die kritische Kritiker seit den 1960er Jahren angemerkt hatten, offensichtlich.
Aber hat sich seit dieser Zeit etwas geändert, im Groschenroman? Ja, sagt Anna Basener, selbst Heftroman-Autorin und Lektorin. Im Frauenroman dürfe man jetzt mit ins Schlafzimmer, nur pornografisch dürfe es nicht werden.
Manche Dinge sind allerdings gleich geblieben. Und dazu gehört der Nazi-Krieg als Abenteuer. IV: Juchh - Juchh - Juch! Bummm - Bummm - Bummm!