KI: Konkurrenz des Westens mit China auf neuem Niveau
Ursula von der Leyen schlägt bei G-20-Treffen einen Weltrat für Künstliche Intelligenz vor, um vor Falschinformationen zu schützen. Warum diese Idee ein grundlegendes Problem hat. Ein Kommentar.
Künstliche Intelligenz stand schon in den 1990er-Jahren auch in Deutschland im Verdacht, ein Game-Changer zu werden, konnte sich jedoch am Markt nicht behaupten und verschwand für viele Jahre wieder in der Versenkung.
Steigende Rechenleistung und verbesserte Algorithmen haben der KI eine neue Blüte beschert. Mit Programmen wie ChatGPT lassen sich jetzt mühelos und in großer Zahl Texte aller Arten für den Arbeitsalltag, aber auch journalistisch, juristisch, wissenschaftlich, literarisch generieren, die den Eindruck erwecken, sie seien von Menschen und sogar von Experten erdacht, nur eben ohne sprachliche Fehler.
Da der Nutzer nicht weiß, woher das Programm sein Wissen bezieht und dieses seine Quellen nicht transparent bewerten kann, ähnelt der Ablauf einem Blindflug. Auch wenn das Ergebnis plausibel erscheint, kann es durchaus ″geflunkert″ sein. Selbst Juristen haben sich schon mit solchen fiktiven Urteilen blamiert.
Mitteleuropäern verlieren Boden unter den Füßen
Erzählungen wird hierzulande schon lange nur begrenzter Wahrheitsgehalt zugebilligt. Jäger- und Anglerlatein, deren Namen noch aus der Zeit mangelnder Lateinkenntnisse in der Bevölkerung stammen, sind Zeichen dafür. Geglaubt wurde dem Pfarrer, dem Arzt und dem Lehrer. Und wer sich eine alternative Quelle suchen wollte, ging zum Friseur.
Mit dem Aufkommen der Printmedien ging die Deutungshoheit auf das gedruckte Wort über. In jüngerer Zeit wurde jedoch auch dieses oftmals als Fake News bezweifelt, wenn es nicht in das eigene begrenzte Weltbild passte. Fotomontagen verfälschen Bildaussagen und inzwischen können Videos mit KI komplett gefälscht werden.
Vielen Mitteleuropäern scheint es den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Die Schnelligkeit der sozialen Medien und die immer besser werdenden Übersetzungsprogramme tun ein Übriges, um eine weltweite Vielfalt an Informationen für das deutsche Heim aufzubereiten.
Dass hier dann zahlreiche sogenannte Scheinfakten generiert werden, die teilweise keine Falschangaben sind, sondern aus dem Zusammenhang gerissene Textschnipsel, erleichtert die Beurteilung nicht.
Fatale Fake News
Dass man auch mündlichen Erzählungen nicht unbedingt Glauben schenken kann, wussten schon die alten Griechen. So machte im Jahr 335 v. Chr.
In der griechischen Stadt Theben ging die Nachricht um, dass Alexander der Großen, der damalige makedonischen König verstorben sei. Gestützt wurde die Information von der Erzählung seines Rivalen Demosthenes, der behauptete, Alexander sei im Kampf gefallen.
Der vermeintliche Tod Alexanders führte in Theben zu ersten Revolten. Doch dieser war noch am Leben und seine Armee zerstörte Theben fast vollständig. Das war offensichtlich eine der fatalsten Fake News der antiken Welt.
Zu den vielleicht bekanntesten Fake-Bildern der Zeitgeschichte zählt das Bild der sowjetischen Flagge auf dem Reichstag, das die Befreiung Berlins von den Nationalsozialisten belegen sollte.
Bewegte Fake News reichen auf eine noch längere Tradition zurück und haben bis in den aktuellen Sprachgebrauch überlebt. Als die Mitteleuropäer begannen, sich von der Kirche zu emanzipieren, begann diese, den "Teufel an die Wand zu malen". Mit einer Laterna magica wurde der Schattenriss eines Teufels an die Wand geworfen und die flackernde Lichtquelle sorgte für Bewegung.
Zudem werden aber auch Filme von Ereignissen, die von Unbedarften für nicht realisierbar gehalten werden – wie die Mondlandung des Apollo-11- Programms – mit großem Fantasiereichtum zur Fake News verdreht. Der Glaube an eine inszenierte Mondlandung gilt heute als die Mutter aller Verschwörungstheorien. Seit den 1970er-Jahren geistert sie durch die Welt.
Kulturelle Unterschiede bei der Bewertung von Nachrichten
Die westliche Kultur, die nur ein ″entweder oder″ kennt, hat traditionell große Probleme mit der richtigen Einordnung von Nachrichten. Dazu zählt auch die im arabischen Sprachraum gebräuchliche Form der Betonung einer Aussage durch maßlose Übertreibung der Zahlenangaben.
Auch im chinesischen Umfeld, was deutlich mehr Länder umfasst als Festland-China, haben Zahlen vielfach eine andere Bedeutung als im Westen und dienen beispielsweise zur Betonung der Bedeutung einer Stadt und nicht zur quantitativen Beschreibung der Einwohnerzahl.
Die asiatischen "sowohl-als-auch"-Gesellschaften machen den Menschen im Globalen Westen das Leben schwer, weil sie die Bedeutung der Zahlen nicht ermessen können.
Die westlichen Versuche, beispielsweise China in die westlichen Denkweisen einzuführen, haben die Lage der westlichen Staaten nicht gerade erleichtert, weil sie inzwischen bei der Beurteilung fernöstlicher Aussagen auch noch beurteilen müssen, in welchem Kontext die Angaben genutzt werden.
China hat kulturbedingt einen gewaltigen Vorsprung bei der Beurteilung von Texten und Videos, die gut gemacht, eine Realität vorgaukeln, die nicht existiert. Ein solches Beispiel war der auf der Messe Auto-China 2012 in Peking vorgestellte Hover Car von Volkswagen, der im Rahmen des "People's Car Project" als virtuelle Konzeptstudie entstanden war und nur in dem Video die entsprechenden Funktionen zeigte.
In Kulturen, die daran gewöhnt sind, dass Realität und Fiktion nicht zu trennen sind und zwei Seiten der gleichen Sache darstellen können, ist es für die Menschen deutlich einfacher, mit Fake News umzugehen.
Weltrat für Künstliche Intelligenz?
Nach dem Motto: "Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich einen Arbeitskreis" wurde auf dem G-20-Gipfel in Neu-Delhi jetzt von Ursula von der Leyen die Bildung eines Weltrats für Künstliche Intelligenz vorgeschlagen.
Die Hoffnung, dass Europa hier einen globalen Regelungsrahmen entwickeln kann und eine weltweite Übereinstimmung erreichen zu können, dürfte sich als Utopie erweisen, solange der Westen China von Hochleistungshardware in diesem Bereich ausschließen will.
Wenn China bei der Entwicklung von Hochleistungsrechnern auf sich allein gestellt werden sollte, wird eine gemeinsame Regulierung mit dem Westen nicht möglich sein. Dies gilt umso mehr, als es für China aus kulturellen Gründen keinen Bedarf an einer Regulierung von KI nach westlichen Vorstellungen gibt.
Es macht letztlich nur wenig Sinn, den Einsatz von KI einer staatlichen Regulierung zu unterwerfen, wenn man ihre Einhaltung nicht einmal im Ansatz überwachen kann. Entweder lernen die Bürger der westlichen Staaten, wie sie mit der Scheinrealität umgehen können oder sie bewegen sich zurück in die Zeiten der Gebrüder Grimm.
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