KI-Revolution am Arbeitsplatz: Besser als die Kollegen?
Studie zeigt gemischtes Bild: Misstrauen gegenüber der Technologie bleibt weit verbreitet. Nutzer begrüßen neue Horizonte. Ängste halten sich in Grenzen.
Hin und wieder hört man, wenn es um die Künstliche Intelligenz geht, den Vergleich mit den Webern im 19. Jahrhundert, die mit ihrem Beharren auf ihrer traditionellen Arbeitsweise vom Fortschritt durch maschinelle Produktion brutal eines Besseren belehrt wurden. Rechtzeitig auf den neuen Zug aufspringen, heißt die Parole jetzt?
Zumal sich mittlerweile herausstellt, dass selbst die Shakespeare-Lyrik von "ChatGPT und Konsorten" bei Probanden besser ankommt als das Original. Und es trifft nicht nur den Meister aus Stratford-upon-Avon: "Die Leser hielten die Werke der künstlichen Intelligenz für fast durchweg besser als die Produktionen originaler Dichter." (NZZ)
Auch am Arbeitsplatz setzt angeblich ein Trend ein, wonach menschlich generierte Sprachproduktionen als weniger unterhaltsam empfunden werden als Kunststücke aus der generativen KI: "Jeder Fünfte quatscht lieber mit Programmen wie ChatGPT als mit Kollegen", berichtete die SZ kürzlich. Das beschränkt sich nicht auf Plaudereien.
Jeder Fünfte arbeitet lieber mit künstlicher Intelligenz zusammen als mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem eigenen Team. (….) Man kann dem nervigen Kollegen aus dem Weg gehen. Wenn die Abgabe für eine wichtige Excel-Tabelle bevorsteht und man nur eine schnelle Rückfrage hat, kommt die KI direkt auf den Punkt. SZ
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Der Hype und die Ängste
Das lässt Befürchtungen keimen. Artikuliert etwa in einer Untersuchung der OECD im Juli 2023. Aus Le Monde vor einem Jahr folgende Aussage zitiert: "Eine große Anzahl von Arbeitnehmern (drei von fünf) macht sich Sorgen, dass sie ihren Arbeitsplatz aufgrund von KI in den nächsten zehn Jahren verlieren könnten, insbesondere diejenigen, die bereits mit KI arbeiten."
Wie viel an dieser Angst bestätigt sich zwei Jahre nach der Veröffentlichung von ChatGPT?
ChatGPT ist bei den Nutzerinnen und Nutzern generativer KI das mit Abstand am häufigsten verwendete System. Insgesamt geben 81 Prozent der Nutzenden generativer KI an, diesen Chatbot bereits eingesetzt zu haben.
Studie, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation
Das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) mit einer Studie zur Veränderung des Berufsalltags durch Künstliche Intelligenz (KI) ist der Frage nach Ängsten und Einstellungen zu ChatGPT und ähnlichen Systemen nachgegangen.
Die dazu gehörige Pressemitteilung trifft schon eine erste Einschätzung in der Überschrift: "Der Hype um generative KI flacht ab". Wie sehen die neuen Einblicke in die Nutzung und Ängste, die die Studie bei einer Umfrage unter 1.500 Internetnutzenden, darunter etwa die Hälfte Erwerbstätige, durchgeführt 30. September bis zum 15. Oktober 2024, ermittelt hat?
ChatGPT: Bisher keine tiefgreifende Veränderung des Berufsalltags
Die Studie bestätigt, dass ChatGPT und ähnliche Systeme zwar zunehmend in den Arbeitsalltag Einzug halten, dass, so das Zwischenfazit, eine tiefgreifende Veränderung des Berufsalltags jedoch bisher ausbleibe.
Etwa ein Viertel der Erwerbstätigen hat generative KI bereits im beruflichen Kontext genutzt. Sie sind, das ist hervorzuheben, am überzeugtesten von den neuen Helfern.
Knapp drei Viertel (73 Prozent) aller deutschen Onlinerinnen und Onliner geben an, bereits von generativer KI gehört zu haben. Der Anteil derer, die generative KI bereits genutzt haben, beträgt 35 Prozent. (…)
Immerhin 79 Prozent der Erwerbstätigen haben schon einmal von generativer KI gehört, etwas über ein Fünftel allerdings noch nicht. 25 Prozent aller Erwerbstätigen haben generative KI im beruflichen Kontext bereits genutzt. (…)
Indessen nutzte in den vier Wochen vor der Befragung etwas weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Erwerbstätigen, die generative KI bereits beruflich eingesetzt haben, die Technologie mindestens einmal pro Woche. Immerhin mehr als ein Fünftel (22 Prozent) verwendete generative KI beinahe täglich oder häufiger. (…)
Berufliche Anwenderinnen und Anwender nehmen den Nutzen generativer KI in erster Linie als positiv war. Jeweils über 60 Prozent geben an, die Ergebnisse sinnvoll zum Einsatz gebracht, Arbeitszeit gespart und hilfreiche Unterstützung bei schwierigen Aufgaben erhalten zu haben. Einen ähnlich hohen Zustimmungswert erfährt die Aussage, dass die Verwendung generativer KI zu neuen Ideen inspiriert habe.
Studie zur Veränderung des Berufsalltags durch Künstliche Intelligenz (KI)
Als Nutzen generativ erzeugter Inhalte wird genannt: Zeitersparnis, Unterstützung bei komplexen Aufgaben und Inspiration für neue Ideen.
Bildungsniveau als Einflussfaktor
Die Studienergebnisse zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen dem formalen Bildungsniveau der Befragten und ihrer Nutzung sowie ihrer Einstellung zur generativen KI. Personen mit höherem Bildungsniveau nutzen KI-Technologien nicht nur häufiger, sondern nehmen auch eine stärkere Aufmerksamkeit für das Thema in ihren Unternehmen wahr.
Auffällig ist auch, dass die Unsicherheit darüber, wie viel Aufmerksamkeit generativer KI im eigenen Unternehmen entgegengebracht wird, mit dem Bildungsniveau abnimmt. So geben 22 % der formal niedrig gebildeten Personen bei dieser Frage "weiß nicht" an, bei formal hoch gebildeten Befragten sind es nur acht Prozent.
Eine Erklärung für diese Ergebnisse kann darin bestehen, dass Berufe und Tätigkeiten mit unterschiedlichen Ausbildungsanforderungen verbunden sind und Berufe und Tätigkeiten formal höher Gebildeter systematisch stärker vom Thema generativer KI berührt sind als die formal niedrig Gebildeter.
Damit einher scheint dann auch eine höhere Aufmerksamkeit für generative KI in Unternehmen zu gehen, welche verstärkt Erwerbstätige mit höherem formalem Bildungsniveau nachfragen.
Studie zur Veränderung des Berufsalltags durch Künstliche Intelligenz (KI)
Ängste und Erwartungen
Die Sorge, dass generative KI Arbeitsplätze kosten könnte, ist unter Erwerbstätigen weit verbreitet: Mehr als die Hälfte der Befragten hegt diese Befürchtung. Sie befürchtet eine Automatisierung von Teilen ihrer Tätigkeiten erwarten.
Allerdings stellt die Studie auch fest, dass nur vier(!) Prozent der Befragten ihre eigenen beruflichen Tätigkeiten durch KI-Systeme wie ChatGPT in den nächsten zehn Jahren als vollständig überflüssig ansehen.