KSK - der bewaffnete Arm von wem … für was?

KSK-Mitglieder am Tag der Bundeswehr 2017. Bild: Tim Rademacher/CC BY-SA-4.0

Das KSK ist nicht nur militärisch schwer bewaffnet, sondern auch politisch. Das KSK operiert im Geheimen. Ihre Kriegsaufträge sind weitgehend unbekannt, ihre Kriegshandlungen auch

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Das Kommando Spezialkräfte (KSK) ist eine Eliteeinheit der Bundeswehr, die 1996 gegründet wurde. Als Vorbild gilt die GSG 9 (Grenzschutzgruppe), die so etwas wie die Armee im Inneren wurde. Große Schlagzeilen machte sie in den 1970er Jahren im Kampf gegen die RAF (Rote Armee Fraktion).

Der Chef dieser paramilitärischen Truppe hieß Ulrich Wegener. Er war nicht nur ein hoch dekorierter Polizist, sondern auch stramm rechts. Wie rechts demonstrierte er in einem Buch, das er 2006 zusammen mit Wilhelm Walther, einem ehemaligen Oberstleutnant der Wehrmacht, und Reinhard Günzel, dem entlassenen ehemaligen Kommandeur des Kommando Spezialkräfte (KSK), im neofaschistischen Pour le Mérite Verlag des Verlegers Dietmar Munier publiziert hatte: "Geheime Krieger: Drei deutsche Kommandoverbände im Bild: KSK, Brandenburger, GSG 9".

Sowohl der Chef der GSG 9, als auch der Chef des KSK verstanden sich in einer (Traditions-)Linie mit den "Brandenburger", eine Spezialeinheit des Amtes Ausland/Abwehr der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges, zu deren Hauptaufgabe Operationen hinter den feindlichen Linien gehörten. Wilhelm Walther war "Brandenburger" und zeitweiliger Stabschef des SS-Obersturmbannführers Otto Skorzeny.

Geheime Krieger

Das KSK war und ist auch die Antwort auf eine veränderte geopolitische Lage, die sich durch den Zusammenbruch des Ostblockes ergeben hatte. Die DDR als Alternativmodell zur Deutschland AG implodierte und sofort standen alle im vereinten Deutschland auf der Matte und forderten "außenpolitische Normalität". Eine noch rücksichtsvolle Umschreibung für das Verlangen, nach so langen Jahren qualvoller Abstinenz bei Kriegen auch dabei sein zu dürfen, also endlich so imperialistisch zu sein wie die anderen auch.

Dazu braucht man nicht nur die Bundeswehr. Dazu braucht man eben auch eine geheim operierende Truppe. Auch das hat naheliegende Gründe. Dass Deutschland militärisch angegriffen wird, ist eher unwahrscheinlich, wozu man dann ja gegebenenfalls die reguläre Bundeswehr und die in Deutschland stationierten US-Streitkräfte hätte. Auf einen solchen Verteidigungsfall zu warten, macht mürbe und ungeduldig.

Aber es geht eben auch um Kriege, die man selbst anzettelt, um Kriege, an denen man sich beteiligen möchte, um Kriegshandlungen im Ausland, für die es viele Gründe gibt, nur keinen Verteidigungsfall. Und da man das UN-Völkerrecht kennt und mitunterzeichnet hat, weiß man, dass Angriffskriege völkerrechtswidrig sind und als Kriegsverbrechen verfolgt werden können.

Wie entgeht man diesem "Dilemma"? Man erfindet "Verteidigungsgründe", vor allem ganz edle, um dann aus völlig selbstlosen Gründen Krieg zu führen. Dieser Kriegsführung gab man 1999 den Namen "humanitäre Intervention" und probte dies in dem geradezu herbeigesehnten Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Wenig später bot sich die nächste Gelegenheit, Krieg zu führen, als man 2001 im Zuge von "9/11" unbedingt beim globalen Kriegszug gegen den Terror dabei sein wollte. Damals oblag es dem "Verteidigungs"minister Peter Struck (SPD) in orwellscher Manier, "Deutschland am Hindukusch zu verteidigen". Diese neue Deutschland-Definition bedeutete nicht nur, dass auch SPD-Politiker sie abnickten, sondern eben auch deutsch-nationale, neofaschistische Kräfte, die ihre Stunde gekommen sahen, den Nachkriegskonsens "Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Krieg" im wahrsten Sinn des Wortes auseinanderzubrechen.

Wenn man also - und das gilt auch im Fall Afghanistan - an Angriffskriegen beteiligt ist, dann ist man nicht durch internationales Recht, durch das Völkerrecht, geschützt, sondern potenziell Kriegsverbrecher. Also operiert man soweit es geht im Geheimen, also genau so, wie es das KSK tut. Man weiß nicht, an welchen Kriegshandlungen es beteiligt ist, man kann es folglich kaum zur Rechenschaft ziehen.

Das wenige, was man über die Kriegseinsätze des KSK weiß, soll so etwas wie eine "bewaffnete Gerechtigkeit" suggerieren. Laut Selbstlegendierung war (und ist) das KSK in Ex-Jugoslawien unterwegs, um dort Kriegsverbrecher aufzuspüren, um sie der Justiz zu übergeben. Fast so ähnlich ist die Legende von dem KSK in Afghanistan gestrickt:

Am 11. September 2001 wird Amerika angegriffen - bald ist klar, dass die USA in Afghanistan zurückschlagen werden. Oberstleutnant Staub fliegt ins Herzland der Taliban, hockt als Verbindungsoffizier in "Camp Rhino", einem Drecksloch südlich von Kandahar. Derweil bereiten sich 40 Kämpfer und 60 Unterstützer in einem Lager im Oman unter Führung eines US-Colonels vor. Mitte Dezember landen sie in Afghanistan. "Da mitten in der Nacht zu landen, alles neu, alles geheim", erzählt der Kampfmittelbeseitiger Robert Siegmann, "das war mein schönster Moment im KSK. Wie Weihnachten." In Afghanistan arbeiten die Deutschen erstmals in einer multinationalen Koalition unter Führung der Amerikaner. Netzwerke der Taliban aufspüren, Strukturen zerstören, Waffenverstecke ausheben - das sind die Aufträge.

Die Profis, stern.de vom 13. November 2004

In beiden offiziell bestätigten Fällen sollen die edlen Motive das Faktum überblenden, dass das KSK in Ex-Jugoslawien wie in Afghanistan an völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen beteiligt ist. Vielleicht versteht man so besser, wozu es diese "geheim operierende" Truppe gibt. Sie dient vor allem der Verdeckung eigener schwerer Straftaten.

Wenn man weiß, heute mehr denn je, dass der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit Kriegslügen ("KZ Pristina", "Hufeisenplan", "ethnische Säuberungen", ein "zweites Auschwitz verhindern") und massiven Kriegsverbrechen (Zerstörung ziviler Einrichtungen und die Bombardierung der zivilen Infrastruktur als Teil einer biologischen Kriegsführung) einherging, dann bräuchte das KSK gar nicht die Landesgrenzen übertreten, um Kriegsverbrecher festzunehmen, um für "Gerechtigkeit" zu sorgen.

Man muss kein Militärseelsorger oder Wehrbeauftragten sein, um festzustellen, dass eine solch geheim operierende Truppe, mit derart reaktionärem Führungspersonal und gesetzeslosen "Aufträgen" für all das "anfällig" ist, was man dann mindestens einmal in zehn Jahren als "Skandal" bezeichnet, um dann noch effizienter daran festzuhalten.

Dass das KSK dabei an Traditionen anknüpft, die auch in der Bundeswehr bis heute "gepflegt" werden, die viel mit Faschismus und 1000-jährigem Reich zu tun haben, liegt auch daran, dass man fast alles, was an "Führungspersonal" das Dritte Reich überlebt hatte, in die Bundeswehr, in den Geheimdienst, in die Polizei integriert hatte.

Dazu gehört unter anderem der „Gründer“ des Bundesnachrichtendienstes (BND) Reinhard Gehlen, ehemaliger Chef der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) im Dritten Reich. Sein Agentenwissen war bei den West-Alliierten genauso gefagt, wie seine Bereitschaft, weiterzumachen – was nicht sonderlich schwer war, da der Antikommunismus so sehr gefragt war wie im Dritten Reich.

Aber es gibt auch noch mehr als rechte, neonazistische Gesinnungen im KSK, was sich zu einer brandgefährlichen Melange vermischt. Wer im KSK ist, weiß und spürt, dass er machen kann, was er will, dass er de facto außerhalb des Gesetzes steht, sowohl was die Gesetze in Deutschland anbelangt, als auch die internationalen Rechtsnormen. Diese Verachtung teilen neonazistische Soldaten und Vorgesetzte, die einfach nur ihren Job machen. Und genau das hält und schweißt zusammen, was mit Korpsgeist nur sehr schwach umschrieben ist.

Seit ein paar Jahren häufen sich also wieder die Skandale. Das hat nichts mit dem tatsächlichen Geschehen im KSK zu tun, sondern mit den "Zufällen", durch die man davon etwas mitbekommen soll. Und wie im NSU-Fall häufen sich die Einzelfälle: Man erfährt, dass KSK-Mitglieder Nazilieder grölen, den Hitlergruß machen und mit Schweineschädeln werfen. Und dank der taz-Recherchen weiß man, dass es organisatorische und ideologische Verbindungen zu neonazistischen Netzwerken (Hannibal) gibt, dass der KSK Standort in Calw (Baden-Württemberg) so etwas wie ein "safe house" für diese reaktionären Netzwerke ist.

All das weiß man seit Jahren und es passierte - wie so oft und regelmäßig - nichts. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fand das mit den Schweinschädeln und Naziliedern "geschmacklos" … "und beließ es, trotz in diesem Fall tatsächlich evidenten 'Haltungsproblemen' einzelner Soldaten, heeresintern im Wesentlichen dabei". (Das KSK im Gefecht gegen den inneren Feind, nzz.ch vom 1.7.2020)

Das war so um das Jahr 2017 herum. Auch die Anfang 2019 publizierten taz-Recherchen rund um das Hannibal-Netzwerk eines KSK-Mitgliedes wirbelten nur ein bisschen Staub auf.

Und wie es wieder ein Zufall so will, entdeckt die Bundeswehr beim Nachzählen, dass über 60 Kilo Sprengstoff "abhanden" gekommen sind, was wahrscheinlich deshalb so schwer auffällt, weil sich alle mal etwas nachhause nehmen können.

Ein gut platzierter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht haben soll

Vor Kurzem schrieb ein Hauptmann an die aktuelle Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Er prangert den "Kadavergehorsam" im KSK an, der verbandsintern von Auszubildenden "mit dem der Waffen-SS verglichen wurde". Folglich gäbe es eine "Kultur des Hinnehmens rechtswidrigen Verhaltens" und eine "toxische Verbandskultur", in der man ganz schnell zum Kameradenschwein wird, wenn man diesen Korpsgeist nicht teilt.

Wie gesagt ein Brief an die Verteidigungsministerin. Wie gelangen Auszüge davon an die Öffentlichkeit? Warum wird der Hauptmann so lieb behandelt, obgleich der den Dienstweg nicht eingehalten hatte? Anstatt wie ursprünglich vorgesehen, wird er nicht strafversetzt, sondern in die "Reformkommission" berufen. Es riecht alles nach einem gut eingefädelten Plan.

Selbst eine Verteidigungsministerin namens Annegret Kramp-Karrenbauer braucht aber keinen Brief eines Hauptmannes, um zu wissen, was im KSK vor sich geht. Seit Jahren, seit Gründung des KSK 1996 sind die dort gepflegten und geschätzten Gesinnungen, die Führungsstrukturen bekannt, die auf viel schwören, am aller letzten auf das Grundgesetz. Ein Stern-Bericht aus dem Jahr 2004 hält dazu fest:

Wir haben in Afghanistan gesehen, wie ekelhaft US-Soldaten mit Afghanen umgesprungen sind, Fußtritte und Kolbenstöße waren noch harmlos. Sie haben sie behandelt wie Untermenschen. Die Deutschen hätten auch erlebt, wie Amerikaner bei der Operation Anaconda ganze Dörfer platt machten und Türschlösser rausrissen: Hier Jungs, frei zum Plündern. Der hochrangige Ex-KSK-Mann sagt: Die Bilder von Abu Ghraib, das Foltern in irakischen Gefängnissen, haben mich absolut nicht überrascht. Offiziell heißt es im Verteidigungsministerium, KSK-Soldaten hätten in Afghanistan nur eine Handvoll Gefangene gemacht und die wieder laufen lassen. Wahr ist, dass wir immer Amerikaner dabei hatten, wenn Gefangene gemacht wurden. So haben die eben die Verdächtigen festgenommen, nicht wir. Eigentlich dürfen deutsche Soldaten Gefangene nicht an ein Land übergeben, in dem die Todesstrafe verhängt wird. Im Grunde ist es eine Sauerei, unsere Jungs mit ungeklärter Rechtslage da reinzuschicken, sagt der Ex-Offizier.

Die Profis, stern.de vom 13. November 2004

Was ist jetzt anders, als bei allen vorangegangenen und ausgesessenen "Skandalen" innerhalb der Bundewehr, innerhalb der Elitetruppe "KSK"?

Eiserner Besen und/oder Wischmopp

Kaum ist der Brief in Auszügen an die Öffentlichkeit gelangt, was mit aller größten Wahrscheinlichkeit einer nicht schriftlichen Dienstanweisung zu verdanken ist, findet man im Zuge einer Hausdurchsuchung bei einem KSK-Mitglied ganz viel Waffen, Sprengstoff, Munition und "verfassungsfeindliche Schriften", also Nazi-Literatur.

Nun legt die oberste Dienstherrin Annegret Kramp-Karrenbauer richtig los: Sie werde mit "eisernem Besen" aufräumen. Man werde die Führungsstrukturen von dem KSK durchleuchten, man werde die ganze Truppe von circa 1600 Soldat*innen ins Visier nehmen. Das klang ganz schön hart und ungewohnt. Alles Theaterzauber, alles ein großer Bluff?

Auffallend und besonders ist an dieser Aufregung zweierlei: Man spricht de facto vom einem systemischen Problem, also nicht - wie üblich - von ein paar schwarzen/braunen Schafen in einer ansonsten tadellosen Truppe. Man spricht aus, dass "schwarzen/braunen Schafe" nicht so lange und so sicher in der Truppe sein können, wenn sie nicht durch die Vorgesetzten gedeckt oder gar ermutigt werden.

Und dann spricht das Verteidigungsministerium von einer "Bewährungsprobe" für das KSK: Sollte diese nicht genutzt werden, schließe man die Auflösung des KSK nicht aus. Ein bemerkenswertes Angebot zur "Selbstreinigung".

Dieses doch sehr besondere Angebot erinnert an einen Mafia-Streit unter "Familien". Man bietet als Lösung der betreffenden "Familie" an, das selbst zu lösen oder man werde eben Tabula rasa machen.

Im Folgenden möchte ich drei Thesen ausführen, die hoffentlich der besonderen Situation gerecht werden und vielleicht auch die doch sehr speziellen "Lösungen" erklären helfen.

Die vielen Spuren, die zum Mord an Walter Lübcke führen

Viel verrückter als die gegenwärtige Situation kann es nicht zugehen: Im laufenden Prozess in Frankfurt wird ein "Einzeltäter", Stephan Ernst für den Mord an den CDU-Regierungspräsidenten in Kassel 2019 verantwortlich gemacht. Stephan Ernst habe keine Verbindungen zu Combat 18, er sei in keine neonazistischen Strukturen eingebunden. Es habe sich quasi privat radikalisiert, was dann eben auch zu einem Mord führen kann.

Die tatsächlichen Handlungen außerhalb des Gerichtsaales sprechen eine ganz andere Sprache. Sie decken sich auf ganz stille Weise mit allen den Recherchen, die der offiziellen Version vehement widersprechen. Genau das, was im Lübcke-Prozess auf Teufel komm raus, herausgehalten wird, steht zurzeit im Mittelpunkt: Ein "bewaffneter Untergrund", der bis in die Polizei und in das KSK hineinreicht und ideologisch alles zusammenbringt, was reaktionäre, religiöse und faschistische Endzeitprophezeiungen vereint.

Während also im Gerichtsaal in Frankfurt ein Phantom-Prozess geführt führt, geht es "draußen" ganz anders zu: So wurde im Januar 2020 Combat 18, eine klandestin organisierte neonazistische Gruppierung verboten, obgleich es dafür gar keinen Anlass gäbe, wenn man für wahr erachten würde, dass beim Mord an Walter Lübcke keine Spur zu Combat 18 führt.

Die Ermittlungen bei den die neun Morde an Migranten (die man 2011/12 dem NSU zugeordnet hatte) hatten einen neonazistischen Hintergrund geradezu vorsätzlich ausgeschlossen. Erst der Mord an Walter Lübcke zwang die Ermittlungen, sich den folgenden Fragen zu stellen: Gibt es ein neonazistisches Potenzial, das eben nicht nur "linke Zecken", Migrant*innen bedroht oder gar ermordet, sondern auch jene aus der "Mitte" angreift, die nicht rechts genug agieren, wie der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke? Gibt es ein neonazistisches Potenzial und eine Strategie, die auch vor dem "System" und den "Systemparteien" nicht Halt macht?

Erst wenn man in diese Richtung tatsächlich ermittelt, kommt fast automatisch eine weitere Überlegung ins Spiel: Gibt es innerhalb der Polizei und innerhalb der Bundeswehr eine zunehmende Bereitschaft, mit neofaschistischen Gedanken und Organisationen zu liebäugeln?

Dass genau diese Überlegungen nicht ins Blaue hineingedacht sind, belegen die taz-Recherchen zu einem neonazistischen Netzwerk, das ein KSK-Mitglied (mit Deckname Hannibal) führt/e und genau das zusammenführte, was man für gewöhnlich für einen schlechten Krimi hält: ein Zusammenschluss von Ex-Soldaten, Mitgliedern des KSK, (Ex-)Polizisten, Neonazis und völkisch gesinnten Politikern. Ein Zusammenschluss, der sich auf den Tag X vorbereitet, wenn alles zusammenbricht. Eine Vereinigung, die auch alles dafür tut, dass der Tag X kommt.

Sehr oft bringt man neofaschistische Strategien nur mit Folgendem in Verbindung: Faschisten wollen die "Linke" einschüchtern und schlagen. Und alles, was nicht deutsch genug ist, ist an allem schuld. Man vergisst dabei, dass in dieser Strategie zwei wesentliche Bausteine dazukommen. Findet der Kampf gegen Linke und alles "Jüdische" Zuspruch, auch in den Reihen bürgerlicher Parteien, dann tritt eine ganz wichtige Phase in Kraft: Man erhöht den Druck auf die Teile des bürgerlichen/konservativen Lagers, die sich diesen "radikalen" Schritten verweigern. Das führte in der Weimarer Republik zu gezielten Morden und Anschläge auf bürgerliche Politiker, wie die Ermordung des ehemaligen Reichsfinanzministers Matthias Erzberger am 26. August 1921, der Anschlag auf den ersten Ministerpräsidenten einer demokratisch legitimierten Reichsregierung Philipp Scheidemann vom 4. Juni 1922 oder die Ermordung des Reichsaußenministers Walter Rathenau am 24. Juni 1922.

Doch nicht nur "auf der Straße" versucht der Faschismus seine Schlacht zu gewinnen. Von ganz zentraler Bedeutung sind die Anstrengungen, immer mehr Einfluss auf Polizei und Armee zu nehmen. Gerade dort Sympathisanten und Unterstützer zu finden, ist dann nicht besonders schwer, wenn nationalistische und autoritäre Einstellungen bereits fest verankert sind. Von daher erstaunt es nicht, dass der Neonazismus/Faschismus nie gegen die "Staatsgewalt" an die Macht gekommen ist, sondern immer mit deren Hilfe.

Keine Frage sind die heutigen Verhältnisse nicht annähernd so, dass ein rechter/faschistischer Putsch droht. Aber es ist durchaus nachvollziehbar, wenn man einen zweiten "Lübcke"-Mord verhindern möchte. Auch im Verteidigungsministerium weiß man, dass man einen Zug nicht aufhält, wenn er seine Endgeschwindigkeit erreicht hat, sondern wenn er anfährt, wenn er noch weit von seinem Ziel entfernt ist.

Das KSK - der bewaffnete Arm der AfD?

In den letzten sechzig Jahren waren rassistische, autoritäre und völkische Tugenden über alle Parteien verteilt: Von CSU/CDU über die FDP bis hin zur SPD. Man hatte sie eingebunden und die "Ewiggestrigen" hielten sich aus Dankbarkeit für diese "Schutzhütten" zurück. Doch in den letzten Jahren verlassen diese "rechtsextremen" Gesinnungen zunehmend ihre Notunterkünfte. Dazu haben ganz viele Entwicklungen beitragen, nicht zuletzt die weit verbreitete Ansicht, endlich einen "Schlussstrich" unter die Geschichte des deutschen Faschismus zu ziehen. Wer hätte daran gedacht, dass genau diese Geschichte zum "Fliegenschiss" erklärt wird und man dafür auch in den Bundesstag gewählt wird?

In den letzten zehn Jahren haben viele ihre Unterstände verlassen und sind in Scharen zur AfD übergelaufen. Und wenn man berücksichtigt, dass in der AfD auffallend viele sich wohl und beheimatet fühlen, die in der Polizei und in der Bundeswehr waren und sind, dann begreift man die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse.

Sofort hat sich die AfD demonstrativ vor das KSK gestellt und einen "Generalverdacht" gegen die Elitetruppe zurückgewiesen. Das hat eine ganz besondere Note, wenn man bedenkt, dass die AfD gerne das "System" attackiert, aber seine "Schutzmacht" davon ausnimmt, erst recht, wenn es dabei um die "Elite" geht.

Man kann also durchaus die Angst und Sorge um die "politische Führung" dieses KSK verstehen. Spitzen sich die Verhältnisse (weiter) zu, stellt sich die Frage, ob die bewaffneten Kräfte noch loyal zu den Entscheidungen der Regierung stehen?

Die Drohung mit dem "eisernen Besen" ist zwar auch sehr sprachgewaltig. Aber es drückt auch aus, dass man sich der Loyalität nicht mehr sicher ist und dass man sie wieder erzwingt, solange das machtpolitisch möglich ist.

Ein doch ganz weicher Besen? Ein Wischmopp?

Eigentlich passt es nicht zusammen: Auf der einen Seite droht man mit dem "eisernen Besen", was ziemlich schonungs- und rücksichtslos klingt. Gleichzeitig bietet man eine mehrmonatige "Reifeprüfung" an, also Zeit für einen "innerer Reinigungsprozess".

Eine äußerst wacklige Umschreibung für ein ganz heikles Problem: Man will gegen Neonazis, Rassisten in Uniform vorgehen, das KSK umbauen, eine Einheit auflösen. Und gleichzeitig appelliert man an die KSK-Mitglieder, daran mitzuwirken.

Der Grund für deren Einbeziehung ist so gar nicht edel. Das KSK ist nicht nur militärisch schwer bewaffnet, sondern auch politisch. Das KSK operiert - wie beschrieben - im Geheimen. Ihre Kriegsaufträge sind weitgehend unbekannt, ihre Kriegshandlungen auch. Das heißt, sie stehen de facto außerhalb der nationalen und internationalen Rechtsordnung. Das ist üblich in der "westlichen Wertegemeinschaft".

Was wäre, wenn durch "reinen Zufall" solche Kriegsgeheimnisse öffentlich würden und die Werte, für die das KSK steht, nicht wiederzufinden sind? Zum Beispiel im verdeckten Krieg in Afghanistan, wo das KSK mit US-Elitesoldaten gemeinsam "Operationen" durchgeführt hat?

In diesen fast 25 Jahren KSK ist viel zusammengekommen, was man so gar nicht in die Öffentlichkeit tragen möchte. Damit das so bleibt, muss man eben auch das KSK so behandeln, dass es zu einem Gegenschlag nicht "gezwungen" wird. Darum weiß selbstverständlich das Verteidigungsministerium und deshalb hat der "eiserne Besen" auch etwas von einem Wischmopp.

Das Problem ist nicht nur das KSK

Das KSK ist so wenig wie die Bundeswehr out of control. Es untersteht der politischen Führung und wird durch parlamentarische Kontrollgremien "eingehegt", überwacht. So sollte es zumindest sein, wenn man sich an die Gesetze halten würde.

Funktionieren diese parlamentarischen Kontrollgremien nicht? Haben sie nicht genug Macht oder genug Willen, die politische Kontrolle durchzuführen? Es gehört zur Mär, dass ihnen die Mittel, die "Waffen" dazu fehlen. Sie selbst legen sich als Legislative die nötigen "Waffen" zu, um eine Kontrolle effektiv und wirksam durchzusetzen. Wenn dies beabsichtigt ist.

Wenn diese Kontrolle also versagt hat und das behauptete man im NSU-Fall auch, dann war das gewollt! Es ist doch kein Geheimnis, dass die Lücke zwischen Kontrollrecht und "Staatsgeheimnis" gewollt ist.

Daran hat Klaus-Dieter Fritsche die versammelten Parlamentarier (über alle Parteigrenzen hinweg) im NSU-Fall ganz zu Beginn ihrer "Aufklärungsarbeit" am 18. Oktober 2012 als Zeuge vor dem NSU-Ausschuss in Berlin sehr eindringlich erinnert:

Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren. (…) Es gilt der Grundsatz "Kenntnis nur wenn nötig". Das gilt sogar innerhalb der Exekutive. Wenn die Bundesregierung oder eine Landesregierung daher in den von mir genannten Fallkonstellationen entscheidet, dass eine Unterlage nicht oder nur geschwärzt diesem Ausschuss vorgelegt werden kann, dann ist das kein Mangel an Kooperation, sondern entspricht den Vorgaben unserer Verfassung. Das muss in unser aller Interesse sein.

Klaus-Dieter Fritsche

Gab es damals einen Widerspruch gegen diese "Arbeitsteilung"? Wir machen, wenn nötig, auch etwas, was gegen geltendes Recht verstößt und ihr habt nichts davon gewusst. Dieses Agreement existiert seit Jahrzehnten und wird von welcher Regierung auch immer fortgeführt und gepflegt.

Der MAD ist selbst mehr "Prüffall" als Hüter der Verfassung

Und dann wäre da doch noch der Militärgeheimdienst MAD, der mit seiner Gründung auch neue Heimat für Ex-Nazis und Ex-Wehrmachtsoldaten wurde. Warum weiß der MAD immer erst etwas, wenn es nicht mehr zu verheimlichen ist? Alle "Skandale" der letzten 30 Jahre sind nicht durch den MAD aufgedeckt worden. Man kann vielmehr sagen: Der MAD wusste erst etwas, als die schützende Hand Brandblasen hatte:

Der eigentlich für die Extremismusabwehr zuständige Militärische Abschirmdienst ist ebenso wenig als Frühwarnsystem aufgefallen, wenn man mutmaßliche Warnungen vor Durchsuchungen mal beiseitelässt. Stattdessen sagte der MAD-Chef Ende 2018: Es gebe keine rechtsextremen Netzwerke in der Bundeswehr. Und 2019: Es gebe Vernetzung, aber kein Netzwerk. In dieser Woche sprach er dann von "Netzwerken und Strukturen".

Taz-Kommentar vom 3.7.2020

Der Grund ist kein komplizierter, sondern ein recht einfacher und sehr kameradschaftlicher: Eine weitgehend gleiche politische Gesinnung, die "rechtsradikale" Tendenzen gar nicht als solche erkennen kann, geschweige denn für "verfassungsfeindlich" hält. Deshalb haben auch alle KSK-Mitglieder mühelos die vorgenommenen Prüfungen auf ihre Verfassungstreue durch den MAD durchlaufen.

Zu dieser dezidiert verfassungsfeindlichen Grundauffassung zählt auch die Kollaboration mit anderen befreundeten Geheimdiensten, im Zusammenhang mit gänzlich illegalen Überwachungspraktiken, die im Zuge der Snowden-Enthüllungen öffentlich wurden.

Mitschuldig

Die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat mit Blick auf das KSK folgendes gesagt:

Das klare Signal ist: Wer Missstände benennt, hilft sie zu beseitigen. Wer schweigt, ist Teil des Problems und macht sich mitschuldig.

Kramp-Karrenbauer in einem Interview mit Focus Online vom 15.6.2020
  • Wer also schweigt, verschweigt, dass die parlamentarischen Kontrollgremien alles dafür getan haben, dass die Kontrolle versagt,
  • wer verschweigt, dass es sich bei zahlreichen geheimen Operationen des KSK um Kriegshandlungen handelt, für die es keinen Verteidigungsfall gibt,
  • wer verschweigt, dass der militärische Abschirmdienst (MAD) mit Wissen und Unterstützung aller Regierungsparteien an einem globalen Überwachungssystem beteiligt ist,
  • wer dazu schweigt, dass der MAD von der Türkei aus an einem Krieg beteiligt ist, der in Syrien einen "Regime Change" erzwingen will,
  • wer verschweigt, dass diese dauerhaft verfassungsfeindlichen Handlungen ein Netzwerk gegenseitiger Kompromittierung erzeugen, das zum Schweigen aller Beteiligten "verpflichtet",
  • wer all dies verschweigt … macht sich mitschuldig.

Auch ohne Nazi-Tattoos an den Waden von KSK-Mitgliedern sind Kriegsverbrechen Kriegsverbrechen.

Von Wolf Wetzel ist das das Buch zum Thema erschienen: "Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Strebrenica, Genua, Kabul nach …", Unrast Verlag 2002. Siehe auch vom Autor: Der Nato-Krieg gegen Jugoslawien 1999.

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