Kabul: Bislang größter Terroranschlag in einer gesicherten Zone

Screenshot, Video/YouTube

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Der Anschlag am Mittwochmorgen in Kabul hatte eine ungeheure Wucht. Er hinterließ ein Trümmerfeld mitten in einer belebten und gesicherten Zone. Bislang wird, gestützt auf Angaben von afghanischen Ministerien, von über 80 Toten und 350 Verletzten berichtet. Zu rechnen ist damit, dass sich die Zahl erhöht. Die Situation ist unübersichtlich, die Rettungskräfte waren auch zwei Stunden nach dem Anschlag noch mit dem Transport von Verwundeten beschäftigt.

Das genaue Ziel des Anschlags steht noch nicht fest, falls es ein solches "genaues Ziel" überhaupt gegeben hat: Die Sprengladung, deren Wucht laut Nachrichten noch in einem Kilometer Entfernung deutlich zu spüren war, ging in einem Viertel hoch, wo sich mehrere Botschaften befinden: die deutsche, die indische und die US-Botschaft. Auch das afghanische Verteidigungsministerium, das Hauptquartier der "Nationalen Sicherheit" und der Präsidentenpalast liegen in der Nähe. Zu dieser Tageszeit waren auch viele Menschen unterwegs.

Deutsche Botschaft: Ein Toter, mehrere Verletzte

Bisher wird angenommen, dass ein Tanklaster, vorgesehen für Wasserlieferungen, befüllt mit Sprengstoff, zur Explosion gebracht wurde. Es gibt Fotos von der vermuteten Stelle, zu sehen ist darauf neben einer tiefen Aushöhlung eine Betonabsperrung in unmittelbarer Nähe, die zwar deutliche Spuren der Sprengstoffwirkung zeigt, aber standgehalten hat.

Einem Bericht von Tolo-News zufolge könnte es sich dabi um die Absperrung der grünen Zone handeln. Laut Angaben der Nato, die dort zitiert werden, habe der lastwagen versucht dort einzudringen, sei aber abgehalten worden.

Fotos der deutschen Botschaft in Kabul, die in einem Ha'aretz-Bericht zu sehen sind, zeigen größere Schäden am Gebäude: herabgefallene, größere Deckenteile und Mauerstücke in den Räumen - Zeichen dafür, dass die Explosion unweit der Botschaft stattfand.

Es gab einen Todesfall, ein afghanischer Sicherheitsbediensteter, der für die Bewachung des Geländes zuständig war, so Außenminister Sigmar Gabriel in einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes. Dort ist auch davon die Rede, dass Bedienstete der deutschen Botschaft verletzt wurden. Dass es angesichts der Explosionswirkung, die sich am Gebäude zeigt, nicht zu Schlimmeren gekommen ist, wäre möglicherweise damit zu erklären, dass einige Beamte oder Angestellte der Botschaft in den Morgenstunden noch nicht an ihrem Arbeitsplatz eingetroffen waren.

Taliban distanzieren sich

Wer für den Anschlag verantwortlich ist, war am Mittwochvormittag noch Spekulationen überlassen. Die Taliban distanzierten sich auf ihrer Webseite "Islamisches Emirat Afghanistan" von dem Sprengstoffanschlag:

Die Explosion hat nichts mit den Mudschahedin des Islamischen Emirats zu tun. Unsere Mudschahedin sind nicht in diesen Zwischenfall involviert und es ist den Mudschahedin auch nicht erlaubt, solche großen Explosionen in solchen ("ill-defined") Arealen durchzuführen.

Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid

Dem heutigen Anschlag war eine Reihe anderer vorausgegangen, zum Beispiel auf das Sardar-Daud-Militärkrankenhaus im März, zu dem sich der IS in Afghanistan bekannt hatte. Bislang steht eine Erklärung des IS zum Anschlag noch aus; theoretisch nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass auch al-Qaida in Taliban in Afghanistan wieder auf sich aufmerksam machen will. Hamza Bin Laden, der offenbar zu einem neuen Führer aufgebaut wird (siehe Erneuter Aufstieg von al-Qaida?), hält sich angeblich in Afghanistan auf.

Abschiebeflug: "Heute ganz andere Prioritäten"

Das Problem, das sich schon bei den letzten Anschlägen für die deutsche Abschiebepolitik gezeigt hat (siehe Kabul: Der IS widerspricht der Bundesregierung) wird beim aktuellen Anschlag ganz offenbar. Für den heutigen Mittwoch war nämlich ein weiterer Flug mit abgeschobenen Afghanen nach Kabul angesetzt, wie gestern berichtet wurde.

Heute hieß es, dass der Flug verschoben wurde. "Hintergrund seien organisatorische Fragen", berichtet die Welt. Zitiert wird Armin Schuster (CDU), Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestags: "Die Entscheidung heute nicht zu fliegen, liegt auf der Hand. Die für die Abschiebung in Afghanistan zuständigen deutschen Beamten haben nach dem Anschlag heute ganz andere Prioritäten."

Schuster bekräftigte auch, dass die grundsätzliche Haltung unverändert bleibe. "Wir berufen wegen der Gefährdungslage ja auch nicht unsere deutschen Beamten aus Afghanistan ab."