Kälte: Frankreich wieder einmal am Rand des Strom-Blackouts
Alle Jahre wieder wird die Bevölkerung im Atomstromland zum Stromsparen aufgefordert, weil der altersschwache Atompark an die Kapazitätsgrenze kommt
Als zum vergangenen Wochenende der Stromverbrauch in Frankreich anstieg, forderten der staatliche Energieversorger Electricité de France (EDF) und der Netzbetreiber RTE die Bürger - wieder einmal - auf, Strom zu sparen. RTE twitterte am vergangenen Donnerstag, dass die Franzosen ihren Stromverbrauch vor allem am Freitag senken sollten.
Damit solle das "Risiko von Netzabschaltungen" verhindert werden, da die Temperaturen auf minus 4 und 4,5 Grad Celsius sinken würden.
Das passiert alle Jahre wieder. Auch im vergangenen Jahr schrammte das Atomstromland am Blackout vorbei. Noch immer werden etwa 75% des Stroms in altersschwachen Atomkraftwerken produziert. Ganz eng wurde es in einer heftigen Kältewelle vor fast genau drei Jahren. Auch diverse Medien berichten, dass die Stromproduktion in den Atommeilern kaum noch ausreiche, um den Strombedarf zu decken. Aufgerufen wurde deshalb zu "kleinen Gesten", die helfen könnten.
Der neue Fast-Blackout ist allerdings nicht vorbei, die Temperaturen sind weiter niedrig, sollen aber in den nächsten Tagen steigen und damit für Entlastung sorgen. Allerdings hat das Sturmtief Filomena gerade die Pyrenäen von Spanien nach Frankreich überschritten und beschert dem Süden am Montag bitterkalte Temperaturen und ebenfalls viel Schnee.
Und hier befinden sich besonders schlecht isolierte Häuser, in denen viele Menschen die Heizungen aufdrehen müssen, oft wird weiter mit Strom geheizt. Schaut man sich in Echtzeit die Stromflüsse an, sieht man, dass nicht nur Frankreich am europäischen Tropf hängt, sondern auch viel Kapazität nach Spanien durchgeleitet wird.
Die Begründungen für die Lage ist, typisch für die französischen Atomfreunde, einigermaßen skurril. So wird nun aus Paris erklärt, dass wegen der Coronakrise die Stromproduktion gesunken sei. Angeblich seien wegen des Lockdowns viele Wartungsarbeiten an Atomkraftwerken nicht geleistet worden, weshalb nach EDF-Angaben nur 44 der 56 Atommeiler in Betrieb seien.
In den kommenden Wochen seien es sogar nur noch 43. So dürfte es Ende Januar und Anfang Februar "schwierig" werden, hatte RTE-Präsident Xavier Piechaczyk schon vorhergesagt, bevor eine Kältewelle absehbar war.
Die Umweltministerin Barbara Pompili will zwar den Landsleuten "keine Angst" vor einem Blackout machen, aber ihre Aussagen sind nicht wirklich beruhigend, wenn sie erklärt: "Wenn wir in den Durchschnittstemperaturen bleiben, sollte es gehen. Sonst müssen wir regulieren." Damit meint sie zum Beispiel als letzte Möglichkeit auch lokale Stromunterbrechungen von "maximal zwei Stunden", um einen allgemeinen Kollaps abzuwenden.
Es gibt in Frankreich, wo man weiter auf Atomstrom setzt, ein strukturelles Problem. Der Atompark ist überaltert. Die Stromknappheit wurde mit der Abschaltung der beiden Uraltmeiler im elsässischen Fessenheim im vergangenen Jahr weiter verschärft. Der geplante Ersatzreaktor, der in Flamanville schon seit acht Jahren Strom liefern sollte, wird jedenfalls vor 2024 nicht ans Netz gehen, wenn er das jemals tut.
Da in Flamanville sogar ein schadhafter Reaktorbehälter verbaut wurde, dessen Deckel nach einigen Jahren im Betrieb überprüft werden muss, sollte man das Projekt sofort beenden, anstatt immer neue Milliarden in dem Reaktorgrab zu versenken. Die Kosten sind von geplanten 3,5 Milliarden längst auf mindestens 11 Milliarden für den "billigen" Atomstrom explodiert.
Mit diesen Milliarden hätte man über erneuerbare Energien die Versorgungssicherheit längst deutlich verbessern können, allerdings müsste insgesamt ein Umdenken im Nachbarland eingeleitet werden. In Frankreich wird in oft sehr schlecht isolierten Häusern immer noch oft mit dem künstlich billig gehaltenen Atomstrom geheizt, weshalb es regelmäßig eng wird, wenn die Temperaturen sinken.
Denn die realen Kosten des Atomstroms, wie die ausstehende Endlagerung, Rückbau oder das Milliardengrab in Flamanville fließen in die Strompreise nicht ein.