Erleichterung am Oberrhein: Schrottreaktoren in Fessenheim werden abgeschaltet
Am Samstag geht der erste der beiden Uralt-Atommeiler vom Netz und Ende Juni wird mit der Abschaltung von Block 2 das Ende des ältesten französischen Atomkraftwerks besiegelt
Was lange währt… Immer wieder hatten französische Regierungen die Abschaltung der gefährlichen Atomreaktoren am Oberrhein auf die Tagesordnung gesetzt. Deshalb wurde auch die neunte Ankündigung aus dem letzten Jahr noch mit großer Vorsicht unter Atomkraftgegnern aufgenommen.
Denn geschehen war nichts, das "Aus" in Fessenheim wurde mit der Inbetriebnahme des neuen EPR in Flamanville verknüpft, dessen Inbetriebnahme sich aber immer wieder hinauszögert. Vor 2022 passiert dort jedenfalls nichts, falls der EPR in Flamanville denn überhaupt jemals ans Netz geht.
Fessenheim wurde nicht einmal dann abgeschaltet, als ein Meiler im Jahr 2014 kurzeitig außer Kontrolle geriet, weil die Schaltschränke nicht gegen Wasser gesichert waren. Der Meiler hätte längst endgültig abgeschaltet werden müssen, da ein Dampferzeuger mit gefälschten Sicherheitszertifikaten verbaut worden war.
Zwischenzeitlich wurde er sogar abgeschaltet. Dem Reaktor wurde aber nachträglich noch von der Atomaufsicht (ASN) eine Genehmigung erteilt, da man in Frankreich in jedem kalten Winter - wie vor einem Jahr - vor einem Blackout steht und jedes Kilowatt Strom benötigt.
Trotz allem hat nun der französische Premierminister Edouard Philippe angekündigt, dass das Atomkraftwerk im elsässischen Fessenheim bis Ende Juni definitiv vom Netz geht. Philippe und Umweltministerin Elisabeth Borne haben mit ihrer Unterschrift am Dienstagabend die Betriebsgenehmigung von Electricité de France (EdF) für das älteste derzeit noch betriebene französische AKW in Fessenheim aufgehoben. Damit starte die "erste Phase" der 2018 von Präsident Emmanuel Macron verkündeten Energiestrategie.
Der erste Meiler wird bereits am Samstag abgeschaltet, gab der Premier bekannt. Macrons Plan sieht vor, den Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung bis 2035 von gut 75% auf 50% zu senken. Dazu kommt die Schließung von Kohlekraftwerken bis 2022, die allerdings ohnehin nur zu knapp 2% an der Stromversorgung beteiligt sind.
Angesichts der Stromknappheit sollen zwar auch erneuerbare Energien ausgebaut werden, vorrangig sollen aber Verbindungsleitungen zu Nachbarstaaten ausgebaut werden. Damit hängt Frankreich alsbald noch stärker am europäischen Strom-Topf.
Da die gefährlichen Uraltmeiler abgeschaltet werden, die am Rheinseitenkanal nur etwa 30 Kilometer von Freiburg im Breisgau und etwa 50 Kilometer vom Schweizer Basel entfernt stehen, atmet man am Oberrhein nun auf. Die Gegend wird immer sicherer, nachdem schon zum Jahreswechsel das Atomkraftwerk Philippsburg bei Karlsruhe definitiv abgeschaltet wurde. Und wenige Tage zuvor kam das Aus für das marode und gefährliche Atomkraftwerk im Schweizer Mühleberg.
Die Atomkraftgegner feiern die Entscheidung und schreiben sich die Abschaltung von Fessenheim als späten Sieg auf die Fahnen. Ob die Abschaltung nämlich etwas mit Macrons angeblicher Energiewende zu tun hat, ist zumindest zu bezweifeln. Zuletzt wurde auch in einer neuen Studie klar, dass französische Atomkraftwerke wie Fessenheim die international gültigen Sicherheitsstandards nicht erfüllen.
Vorgestellt hatten die Studie die Europa-Abgeordneten Jutta Paulus und Michèle Rivasi gerade in Brüssel. Die Abgeordneten der Grünen resümierten, dass die Studie zu dem Ergebnis kommt, dass in Meilern wie Fessenheim veraltete Sicherheitskonzepte angewandt werden und notwendige Nachrüstungen in den meisten Punkten nicht möglich - oder wirtschaftlich nicht darstellbar seien.
Der Trinationale Atomschutzverband (TRAS), gebildet von Initiativen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, ist jedenfalls erleichtert, "dass mit der Abschaltung von Reaktorblock I am kommenden Samstag um 02.30 Uhr die erste von zwei Hochrisiko-Anlagen am Oberrhein für immer außer Betrieb genommen wird".
Der Verband verweist darauf, dass das "älteste kommerzielle Atomkraftwerk Frankreichs" weder vor "Erdbeben, Dammbruch oder Flugzeugabsturz" genügend geschützt ist und bei Erdbeben über keine ausreichende Notkühlung verfügt. Deshalb verletze Fessenheim auch die französischen Sicherheitsvorschriften (Règles Fondamentales de Sûreté, RFS), wie sich schon im Jahre 2002 aus Protokollen der EDF entnehmen habe lassen, die elsässischen Umweltorganisationen zugespielt wurden. Genau diese Protokolle hatten 2005 zur Gründung der TRAS geführt.
Definitive Entwarnung könne es in Fessenheim aber erst geben, wenn auch Block 2 stillgelegt ist und wenn die hochradioaktiven Brennstäbe aus der Anlage entfernt seien. "Die Entfernung der Brennstäbe steht bis 2023 in Aussicht, könnte sich aber wegen der Knappheit an Lagerstätten verzögern", erklärt die TRAS.