Kann die Friedensbewegung wieder an Bedeutung gewinnen?
Seite 3: Wie wichtig ist die internationale Friedensbewegung?
- Kann die Friedensbewegung wieder an Bedeutung gewinnen?
- Perspektiven für die internationale Friedensbewegung
- Wie wichtig ist die internationale Friedensbewegung?
- Auf einer Seite lesen
Das Problem ist, dass die Ukraine angegriffen worden ist. Nicht die Amerikaner haben die russische Grenze überschritten, sondern die Russische Föderation hat die ukrainische Grenze überschritten. Die Russische Föderation hat sich völkerrechtswidrig vier ukrainische Regionen angeeignet und in ihr Staatsgebiet eingegliedert. Während der Invasion und Besetzung haben russische Akteure zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.
All dies darf man nicht verdrängen und sich einseitig auf die Seite des Aggressors stellen oder diesen Ausbruch aus einer rechtsbasierten Weltordnung relativieren, weil man die Geschichte der brutalen US-amerikanischen Aggressionen und deren Missachtung der internationalen Rechtsordnung in der Vergangenheit kennt.
Wenn aber (organisierte) Teile der Friedensbewegung dies einseitig tun und dort auch versuchen, die entscheidenden Machtpositionen zu besetzen, dann verprellt man potentielle zukünftige Teilnehmer an Friedensaktionen, die mitarbeiten und sich ein eigenständiges kritisches Bild machen wollen. Die Friedensbewegung wird dann auch in der Öffentlichkeit nicht ernst genommen oder medial weiter bekämpft.
Der Weg aus der Sackgasse führt für die Friedensbewegung über präzise und abgestufte Forderungen zu einem Friedensprozess, der sich präzise am Völkerrecht und insbesondere an der UN-Charta orientiert. Alles andere ist aus meiner Sicht kontraproduktiv und nicht im Interesse der angegriffenen ukrainischen Zivilgesellschaft und der Teile der Welt, die am meisten unter diesem Krieg zu leiden haben.
Deutschland und seine (Ampel-)Regierung sind ein wichtiger internationaler Akteur mit erheblichem Einfluss auf EU-Entscheidungen, aber auch auf Prozesse im internationalen Kontext. Vorrangiger Adressat der deutschen Friedensbewegung sollte daher zunächst die deutsche Bundesregierung sein. Andere nationale Friedensbewegungen sollten entsprechend Druck auf ihre Regierungen ausüben.
Die internationale Friedensbewegung sollte sich vor allem an die UNO, die OSZE und die EU wenden.
Die zivilgesellschaftliche Bewegung gegen den Vietnamkrieg, aber auch die Massenproteste gegen die Raketenstationierung in Europa waren sehr erfolgreich und könnten (mit Einschränkungen) Vorbild für eine solche Bewegung sein.
Die Frage, wie die internationale Friedensbewegung aus der Sackgasse herausfinden kann, ist keine vorwiegend theoretische und abstrakte Frage, sondern berührt unser aller existentielles Interesse. Die aktuelle, sich ständig beschleunigende Eskalationsdynamik des Krieges in der Ukraine zeigt, wie wichtig ein zivilgesellschaftlicher Gegenpol zu den Politikern wäre, die diese Eskalation befeuern.
Dies alles macht aber nur Sinn und ist nur dann wirksam, wenn die Friedensbewegung zahlenmäßig wieder wächst. Dies wird aber nur mit einer unabhängigen und jeden Machtmissbrauch kritisierenden Friedensbewegung der Fall sein. Dazu wird es notwendig sein, die Machtstrukturen der gegenwärtigen Friedensbewegung kritisch zu analysieren und zu rekonstruieren, wie kritische Positionen von den gegenwärtigen Schwerpunkten der Friedensbewegung kanalisiert oder unterdrückt werden.
Eine Öffnung der Diskussion für ein breiteres friedenspolitisches Spektrum ist die Voraussetzung für eine Verbreiterung der Friedensbewegung und die Einbeziehung von Menschen, die sich selbst nicht als klassisch links verstehen. Es geht darum, Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die in Kirchen, Sportvereinen, Gewerkschaften und Parteien aktiv sind, für die Friedensbewegung zu gewinnen.
Ohne diese Veränderungen wird die heutige Friedensbewegung eher den Charakter einer - eher unbedeutenden - politischen Gruppierung ohne nennenswerten friedenspolitischen Einfluss annehmen. Das aber wäre fatal, denn gerade jetzt braucht die Welt eine gestärkte und demokratisierte internationale Friedensbewegung.
Prof. Dr. habil. Klaus Moegling i.R., Politikwissenschaftler und Soziologe, Homepage mit ökologischen, demokratietheoretischen und friedenspolitischen Inhalten.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.