Kanu 2.0: Bundesnetzagentur ebnet Weg für höhere Gaspreise

Demontierte Erdagsleitung und Gabelschlüssel mit Euro-Zeichen

Die Bundesnetzagentur führt mit Kanu 2.0 neue Abschreibungsregeln ein. Dies könnte die Gaspreise erheblich steigern. Doch was bedeutet das für Verbraucher?

Ein großflächiges "fade out", ein Ausschleichen aus einer allgemein üblichen Technik, ist für die deutsche Wirtschaft noch ungewohnt. Beim bekanntesten Beispiel Kernkraft wird der Steuerzahler das Kostenrisiko übernehmen müssen und wird sich bald wundern, wie teuer alleine der Kraftwerksrückbau wird. Schon heute lassen sich selbst freigemessene Bauteile von Kernkraftwerken nur gegen den Willen der Anwohner im Umfeld der betroffenen Deponien einlagern.

Für die Gasnetzbranche gibt es jetzt nur noch die Alternativen geplanter oder ungeplanter Rückbau. Beim ungeplanten Rückbau besteht allerdings für die Allgemeinheit das begründete Risiko, dass die bestehenden Gasleitungen unkontrolliert korrodieren und Gas in anliegende Hohlräume wie Keller diffundiert und sich dort entzündet.

Somit bleibt nur die Möglichkeit des geplanten Rückbaus, der die vorhandenen Tiefbaukapazitäten nutzt und den Markt nicht mit großen Mengen von Rohren und Armaturen flutet. Im Extremfall müsste beim Rückbau der letzte Gaskunde das ganze Gasnetz alleine bezahlen.

Ein solches Szenario will die Bundesnetzagentur verhindern. Das politische Instrument dafür trägt den sperrigen Namen "Kanu 2.0". Das Kürzel steht für "Festlegungsverfahren zur Anpassung von kalkulatorischen Nutzungsdauern und Abschreibungsmodalitäten von Erdgasleitungsinfrastrukturen".

Da es sich bei der leitungsgebundenen Energieversorgung um einen hoch regulierten Bereich mit einem natürlichen Monopol handelt, ist der freie Markt durch die Bundesnetzagentur substituiert.

Der Hintergrund für Kanu 2.0

Anlass für Kanu 2.0 ist die nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz bis spätestens 2045 auch im Gassektor zu realisierende Dekarbonisierung. Zwar sollen Teile des Erdgasnetzes auf Fernleiterebene und vereinzelt auf Verteilerebene künftig für den Transport von Wasserstoff genutzt werden.

Ein erheblicher Teil des Erdgasnetzes wird jedoch über das Jahr 2045 hinaus nicht mehr genutzt werden können und steht damit zur Stilllegung an. Gasnetzbetreiber hatten bislang mit einer Nutzung ihrer Gasnetze bis 2050 oder darüber hinaus gerechnet. Das ist sowohl auf der Basis der politischen Rahmenentwicklung als auch der Marktentwicklung nicht mehr gegeben.

Um zu verhindern, dass in der Folge dieser Stilllegungen große Teile der Investitionen in Gasnetze nicht wiederverdient werden können, soll der Gastransformationsprozess regulatorisch flankiert werden. Dafür reicht jedoch das geltende Regulierungssystem nicht aus, da es auf den Fortbestand der Gasnetze ausgerichtet ist und nicht auf deren Ende.

Da nun in Zeiten der Energiewende der Gasbedarf perspektivisch sinkt, soll der Abschreibungszeitraum für Investitionen verkürzt werden. Somit sollen Netzbetreiber in den kommenden Jahren höhere Kosten auf die Netzentgelte umlegen dürfen als bisher, was für die Kunden mit höheren Preisen verbunden ist.

In Fachkreisen wird von Preissteigerungen bei den Netzentgelten in der Höhe von bis zu 50 Prozent im Jahre 2025 gesprochen. Damit sollen die Netzkosten für die Gasnetze gerecht zwischen Gegenwart und Zukunft verteilt werden.

Für die Netznutzer wiederum soll durch Kanu 2.0 sichergestellt werden, dass sie am Ende des Gasnetztransformationsprozesses, der in manchen Bundesländern auch schon vor 2045 vorgesehen ist, nicht mit für sie viel zu hohen und vermeidbaren Entgeltsprüngen belastet werden.

Schnellere Abschreibung ermöglicht höhere Preise

Bereits bei der Festlegung von Kanu im Jahre 2022 hatte die Bundesnetzagentur für Neuanlagen schon eine lineare Abschreibung bis spätestens zum Jahr 2045 ermöglicht. Mit Kanu 2.0 sollen nun für Bestands- und Neuanlagen weitere Flexibilisierungen bei den Nutzungsdauern und Abschreibungsmethoden in Form von bundesweiten Vorgaben möglich werden.

Auf diese Weise will man die Abschreibungen an die zukünftig sinkenden Absatzmengen anpassen und so die wirtschaftliche Ausnutzung der Gasinfrastruktur angemessen widerspiegeln. Dadurch sollen die Netzbetreiber ihre getätigten Investitionen möglichst amortisieren und ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gerade auch für den Transformationsprozess beibehalten können.

Die jetzt möglichen schnellere Abschreibungen gehen allerdings grundsätzlich mit höheren Entgelten einher. Dabei werden die konkreten Ausprägungen jeweils stark von der regionalen Umsetzung der Wärmewende abhängen, die dort das Gasnetz obsolet machen. Bei den jetzt von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Modellen ist von einem nur moderaten Entgeltanstieg auszugehen.

Kraftakt für viele kommunale Unternehmen

Mit der Transformation der leitungsgebundenen Energieversorgung stehen viele kommunale Unternehmen jetzt in allen Geschäftsfeldern vor gewaltigen Herausforderungen. Neben dem Ausbau der Stromverteilnetze zur Aufnahme von PV-Strom und der Versorgung von Wärmepumpen und E-Mobilen, steht vielfach der Ausbau von Wärmenetzen an, welche in ihrem Versorgungsgebiet zahlreiche Gas- und Ölheizungen obsolet macht und somit entwertet.

Der Rückbau der Gasnetzinfrastruktur ist eine logische Folge daraus. Ob die Gasversorger noch langfristige Konzessionsverträge mit den Kommunen abschließen werden, ist derzeit noch kein Thema.

Da diese Konzessionsverträge jedoch üblicherweise über eine Laufzeit von 20 Jahren verfügen, ist davon auszugehen, dass zumindest in aktuellen Neubaugebieten keine Gasversorgung mehr vorgesehen wird, weil die dort benötigte Abschreibung keinen wettbewerbsfähigen Betrieb mehr ermöglichen wird.