Das Wasserstoffkernnetz umgeht den Südwesten der Republik
Wasserstoff ist entscheidend für die Dekarbonisierung. Ein Kernnetz soll die Versorgung sichern, aber der Südwesten Deutschlands könnte benachteiligt werden.
Schon der Ausbau des Erdgasnetzes hat im Südwesten länger gedauert als in den eher flachen Regionen der alten Bundesrepublik. Die Tatsache, dass man im Südwesten eine stabil höhere Industriedichte hatte als in anderen Regionen, wurde vor dem Hintergrund glücklicher Kühe und "Ferien auf dem Bauernhof" gerne übersehen.
Mangels Schwerindustrie fehlten die Eindruck einflößenden qualmenden Schornsteine und die durchgängig dreckige Luft.
Wasserstoff gilt als Schlüssel der Dekarbonisierung
Sowohl in der Industrie als auch im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr setzt man große Hoffnungen auf die Versorgung mit Wasserstoff. Als Alternative zum elektrischen Strom, welcher nicht überall zum Ziel führt, fordert man klimaneutralen Wasserstoff. Die Verfügbarkeit dieses klimaneutralen Wasserstoffs gilt somit als entscheidend für die wirtschaftliche Zukunft ganzer Regionen.
Um die Industrie sicher mit grünem Wasserstoff versorgen zu können, hatten Bund, Länder, Gasnetzbetreiber sowie mögliche Abnehmer über Monate den Entwurf eines Wasserstoffkernnetzes diskutiert, welcher den unterschiedlichen Anforderungen möglichst umfassend gerecht werden sollte. Ohne dieses Netz wird Wasserstoff nicht in der Fläche ankommen und den Bedarf der Abnehmer befriedigen.
Derzeit vorgesehen ist ein Netz mit einer Länge von etwa 9.700 Kilometern. Es soll überwiegend aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen, die in der Folge der Erdgasversorgung nicht mehr zur Verfügung stehen. Damit entfällt auch die Versorgung mit Erdgas als Heizgas.
Wer auf eine Erdgasheizung gesetzt hatte, muss dann schauen, wie er auf Flüssiggas umrüsten und sich einen Flüssiggastank zulegen kann. Grüner Wasserstoff ist als Heizgas schlichtweg zu teuer.
Das geplante Wasserstoffkernnetz konzentriert sich auf die großen Abnahmezentren in den Industrieregionen sowie mögliche Einspeisepunkte an der Küste.
Dazu kommen noch künftige Speicher und mit Wasserstoff betriebene Kraftwerke sowie Übergabepunkte an den Grenzen, die den grenzüberschreitenden Wasserstoffaustausch und den Import von Wasserstoff aus anderen Weltregionen ermöglichen sollen. Wer die Zubringerleitungen bis zu den Übergabepunkten an den Grenzen finanzieren soll, erscheint derzeit noch nicht geklärt.
Mit dem Bau des Wasserstoffkernnetzes soll schon 2024 begonnen werden. Die Fertigstellung wird nach aktuellen Plänen bis 2037 erreicht werden.
Da im Norden die größten Potenziale für die Herstellung von grünem Wasserstoff liegen und im Nordwesten die erwarteten großen Abnehmer in der Stahl- und der Chemieindustrie, hofft man so schnell auf die für eine Wirtschaftlichkeit benötigten Volumina zu kommen. Dabei geht man davon aus, dass die großen Abnehmer an ihren aktuellen Standorten erhalten bleiben.
Für den Südwesten verzichtet die Bundesregierung auf Planungssicherheit
Für Baden-Württemberg ist der Ausbau der Wasserstoffversorgung bislang mit größeren Unwägbarkeiten behaftet als im Rest der Republik. Es gibt weder einen Zeitplan für die Verfügbarkeit von Wasserstoff, noch eine Idee, zu welchem Preis er dann angeboten werden soll.
Da auch die Versorgung mit Wasserstoff offensichtlich nicht gesichert ist, haben sich die heimischen Unternehmen im Südwesten mit Bekenntnissen zum Wasserstoff zurückgehalten, als die Betreiber der konventionellen Gasnetze mögliche Nachfrage erforschten.
Nach bisheriger Planung soll der Südwesten Deutschlands ab 2030 an das Kernnetz angebunden werden. Da war für die Fertigstellung des übrigen Wasserstoffkernnetzes jedoch noch das Jahr 2032 das Ziel.
Die weißen Flecken in der Wasserstoffversorgung gibt es übrigens nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch im Südwesten Sachsens sowie in Teilen Bayerns. Da es sich beim Wasserstoffkernnetz größtenteils um umgewidmete Erdgasleitungen handelt, werden diese für den Erdgastransport dann nicht mehr zur Verfügung stehen.
Ohne Windkraft wird es schwer mit dem grünen Wasserstoff
Da die direkte Stromnutzung bei der Windkraft Priorität hat, wird die Wasserstofferzeugung erst nachrangig zum Zuge kommen. Ohne Anschluss an das Wasserstoffkernnetz wird auch ein Import von grünem Wasserstoff, auf welchen die Bundesregierung setzt, nicht möglich sein.
Die lokale Wasserstofferzeugung wird im Südwesten der Republik auch durch den regionalen Widerstand gegen die Windkraftnutzung nicht gerade beflügelt.
Die Tatsache, dass die Landesregierung in Stuttgart und die zwölf Regionalverbände für die Nutzung der Erneuerbaren geeignete Standorte identifiziert, hat nicht nur Projektentwickler inspiriert, sondern auch Gegner der Erneuerbaren auf den Plan gerufen, welche mit ihren Einsprüchen die Vorranggebiete für die Windkraft zu Fall bringen wollen.
So haben Bürgerinitiativen im Raum Reutlingen mehr als 400.000 Einsprüche gegen Windkraftvorranggebiete gesammelt und beim zuständigen Regionalverband abgegeben.
Da die Regionalverbände schon rein personal-mäßig für einen solchen Ansturm nicht gerüstet sind, muss die Bearbeitung der Einsprüche jetzt einem externen Dienstleister übertragen werden, was mit Kosten von etwa 100.000 Euro zu Buche schlägt.
Können die Fristen nicht eingehalten werden oder die vorgesehene Fläche von 1,8 Prozent der Gesamtlandesfläche nicht erreicht werden, wird es keine Vorrangflächen für Windkraft in Baden-Württemberg geben und jede Kommune kann frei über Anträge von Investoren entscheiden.
Windkraftanlagen gelten als privilegiert und sind in den Außenbereichen ebenso wie landwirtschaftliche Betriebe genehmigungsfähig.
Ohne die Teilfortschreibung des Regionalplans Windkraft fehlt eine Abstimmung der Windkraftnutzung zwischen den einzelnen Gemeinden. Dies sorgt gerade bei den Befürwortern dazu, dass sie einen "Wildwuchs" beim Windkraftausbau befürchten.