Hat die Wasserstoffindustrie in Europa eine realistische Chance?
Mit Wasserstoff soll die Industrie dekarbonisiert und Energie aus aktuell nicht benötigtem Windkraftstrom gespeichert werden. Greift man zu Zöllen, wenn Subventionen nicht ausreichen?
Für grünen Wasserstoff benötigt man Strom aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft oder Photovoltaik sowie eine gute Netzanbindung sowohl beim Strom als auch für das erzeugte Gas. Derzeit herrscht in Deutschland jedoch eine Mangellage auf der ganzen Linie.
Daher gibt die Politik aktuell die Losung aus, dass der deutsche Bedarf an grünem Wasserstoff künftig zu einem Drittel in Deutschland produziert und zu zwei Dritteln importiert werden. Da es für den Handel mit Wasserstoff noch kein Börsensystem, sondern nur ein Indexsystem gibt, ist die Preisfindung Sache der jeweiligen Vertragspartner.
Noch stammt weniger als ein Prozent des weltweit produzierten Wasserstoffs aus erneuerbaren Quellen und kann somit die Qualifizierung als "grün" für sich beanspruchen. Mit heute in der EU verfügbarer Technik ist grüner Wasserstoff auch deutlich teurer als nicht zuletzt von der Politik beider Konzeption der Energiewende erwartet.
Statt drei Euro pro Kilogramm dürfte der Preis für grünen Wasserstoff im Jahr 2030 wohl zwischen fünf bis acht Euro liegen. Derzeit schwankt der tagesaktuelle Wasserstoffpreisindex Hydex zwischen vier und acht Euro je Kilogramm. Es wurden jedoch auch schon Preise bis zu zehn Euro beobachtet.
Der Markt für Wasserstoff ist in Deutschland im Moment auf lokale Inseln und regionale Cluster beschränkt. Der physische Handel und die Marktentwicklung werden, wie für die Energiewende typisch, begrenzt durch einen Mangel an ausreichender Transportinfrastruktur, die einen freien Handel ermöglichen könnte.
Wasserstoff als Langzeitspeicher für Strom aus Erneuerbaren ist heute meist das Feld privater Investitionen im heimischen Umfeld. Zudem gibt es in Deutschland einen unzureichenden Regulierungsrahmen für die Netztransformation von Erdgas zu Wasserstoff. Die Entwicklung zu einer börslich handelbaren Commodity steht bei grünem Wasserstoff noch ganz am Anfang.
Deutschland muss sich bei der Nutzung von Wasserstoff besser fokussieren
Den auf absehbare Zeit knappen grünen Wasserstoff als Heizgas einzusetzen, ist bei den gegenüber LNG deutlich höheren Preisen wenig erfolgversprechend. Sinnvoller wäre der Einsatz als Rohstoff in der Schwer- und Düngemittel-Industrie.
Auch im Transportsektor bietet sich Wasserstoff an, wo Batterien zuviel Frachtkapazität belegen würden sowie als Zwischen- oder Pufferspeicher für Windkraftstrom, für welchen jeweils aktuell keine Nachfrage besteht, so dass man Windkraftanlagen verstärkt entlang dem Windangebot fahren kann und sie bei Strombedarfsschwankungen nicht abregeln muss.
Derzeit werden viele Windkraftanlagen gut zwanzig Tage im Jahr abgeregelt wird weil Strom aus Windkraft wegen Minuspreisen keinen Wert hat. Dann müssen die Stromerzeuger entweder draufzahlen, wenn sie ihren Strom verkaufen oder ihre Windkraftanlagen abschalten.
Bis 2026 könnten es sogar etwa zwei Monate Stillstand pro Jahr werden, wenn der Stromtransport aus dem Norden in den Süden Deutschlands nicht endlich ausgebaut wird oder die Industrie vom Süden der Republik in den Norden mit seinem höheren Windkraftangebot verlagert wird.
Im Norden macht man sich vor Allem Hoffnung, den Strom aus den großen Offshore-Windkraftparks möglichst bald zur Wasserstofferzeugung nutzen zu können.
Alle wollen Weltmarktführer bei grünem Wasserstoff werden
Während die Politik mit Hilfe von grünem Wasserstoff die Energiewende auch in der Industrie schaffen will und schon Weltmarktführer bei grünem Wasserstoff werden wollte, sehen andere Länder in Wasserstoff, der mit Hilfe von Strom aus CO2-freien Quellen hergestellt wird, eher eine Möglichkeit ein Exportprodukt zu schaffen, so zumindest die Hoffnung der deutschen Politik.
Die Länder, die Weltmeister bei grünem Wasserstoff werden wollen, beginnt bei Frankreich, wo man allerdings nicht auf Strom aus Erneuerbaren zurückgreifen will, sondern auf den inzwischen in die Jahre gekommen Atomkraftwerkspark. Auch Südkorea will bei Wasserstoff ein Weltmarktführer werden. Auch Marokko sieht sich für die Produktion von grünem Wasserstoff gut aufgestellt. Das gleiche gilt für Chile oder den Oman.
Ob sich der Wasserstoffimport jedoch lohnen wird, ist aktuell umstritten. Wenn der Start von grünem Wasserstoff in Deutschland noch eher bedächtig von statten geht, erhofft man sich jetzt für den deutschen Mittelstand vor allem in Chile, den USA, Australien und Oman gute Möglichkeiten Technik für die Erzeugung von grünem Wasserstoff zu liefern.
Wenn der importierte grüne Wasserstoff zu preiswert wird
Bei der Planung der Energiewende hin zu grünem Wasserstoff hat die Politik wie meist in den letzten Jahren die Volksrepublik China als Player weitgehend ausgeblendet und berücksichtigt die durchaus agile Politik der chinesischen Regierung und ihre wohl unerschöpfliche Finanzkraft bei der Transformation der Energiewende offensichtlich gar nicht.
Wenn sich China auch beim Angebot von grünem Wasserstoff auf dem Weltmarkt etabliert, kann sich das Land aufgrund des riesigen staatlich gestützten Heimatmarktes auf niedrige Preise konzentrieren. Wenn das Angebot auf dem Weltmarkt dann zu billig ist, dürfte die EU sich wohl wieder darauf verlegen, den heimischen Markt mit Zöllen zu schützen. Zölle scheinen derzeit das Maß der Dinge, wenn staatliche Subventionen nicht ausreichen.
Zölle werden jedoch nicht ausreichen, um den noch kaum existenten Wasserstoff-Markt in der EU zu stabilisieren. Wenn grüner Wasserstoff nicht kostengünstig produziert oder importiert werden kann, wird der Druck beim Handel von Produkten steigen, welche mit grünem Wasserstoff im Ausland produziert werden können.