Wasserstoff: Kommen jetzt Strafzölle auf Elektrolyseure aus China?
Chinas Wasserstoffindustrie droht Europas Hersteller zu überflügeln. Die EU erwägt Zölle auf Elektrolyseure. Wird das die heimische Branche retten können?
Seit China, wo das zirkulare Denken Teil der Kultur ist, seine Industrie verstärkt auf nachhaltige Produkte ausrichtet und mit dieser Transformation deutlich schneller und agiler vorgeht als die alteingesessenen Industriestaaten, wächst hierzulande die Angst, den Anschluss zu verpassen.
Dass China bei der Transformation den Takt vorgibt und die alten Industriestaaten nur unbeholfen hinterherhecheln, ist offensichtlich. Dies zu verleugnen, wäre so zielführend wie den Kopf in den Sand zu stecken.
So wie man in der EU sich bei E-Mobilen jetzt mit Zöllen vor der Flut aus China schützen will, will man auch gegen chinesische Elektrolyseure eine Zollmauer aufbauen, obwohl man aus der Vergangenheit wissen könnte, dass dies keinesfalls als Rettung taugt.
Die Abwehr der japanischen Konkurrenz ist doch bekanntlich auch sowohl im PC- wie im Telefon-Markt gescheitert wie zuvor im Foto- als auch im Audio-Bereich. In all diesen Märkten konnten höchstens Hersteller in ausgesprochenen Hochpreissegmenten überleben oder ihre Marken ohne eigene Entwicklung und Produktion.
Was sind Elektrolyseure und wofür werden sie benötigt?
Wasserstoff gilt als entscheidend für die künftige Dekarbonisierung von energieintensiven Branchen. Der Elektrolyseur zählt dabei bislang zu den grundlegenden Techniken einer Wasserstoffwirtschaft. Mit seiner Hilfe wird Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Die Elektrolyse stellt somit die Umkehrreaktion der Brennstoffzelle dar.
Es gibt verschiedene Arten von Elektrolyseuren. Die Unterscheidung erfolgt meist anhand der Materialien, welche für die Membran und den Elektrolyt verwendet werden:
- PEM: Protonenaustauschmembran-/Polymerelektrolytmembran-Elektrolyse
- AEM: Anionenaustauschmembran-Elektrolyse
- AEL: Alkalische Elektrolyse
- SOEC: Festoxid-/Hochtemperatur-Elektrolyse
Von C.A.R.M.E.N., dem Centralen Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk in Straubing gibt es aktuell eine Marktübersicht, die 98 Systeme von insgesamt 20 Herstellern listet. In der Liste bisher nicht enthalten ist der zumindest politisch bedeutendste Anbieter Siemens Energy. Welche Bedeutung Siemens Energy der deutschen Fertigung von Elektrolyseuren für die Energiewirtschaft beimisst, kann man auch an der Standortwahl für die Produktion erkennen.
Die Fertigung wird von Siemens Energy in einem Joint Venture von Siemens Energy und Air Liquide im alten Siemens Turbinenwerk in Berlin-Moabit aufgenommen, gewissermaßen vor der Haustür des Bundestags. Mit einer jährlichen Produktionskapazität von einem Gigawatt und der Absicht, diese bis 2025 zu verdreifachen, könnte die Fabrik problemlos die von Deutschland bis 2030 angestrebten zusätzlichen zehn Gigawatt an Wasserstoff liefern.
Siemens will mit seiner Wasserstofftechnik jedoch nicht nur in Deutschland, sondern auch in China reüssieren. Die Erfahrung aus der Mobiltätsabteilung, wo man als Systemlieferant bei den Hochgeschwindigkeitszügen gestartet war, um dann in kürzester Zeit zum Komponentenlieferant degradiert zu werden, scheint vergessen.
Zur Anwendung kommt die Siemens Wasserstofftechnik somit auch in einer Anlage zur Produktion grünen Wasserstoffs im Yanqing-Distrikt der chinesischen Hauptstadt Beijing. Eine entsprechende Vereinbarung hat Siemens vor Jahre schon mit der Beijing Green Hydrogen Technology Development, einer Tochtergesellschaft der China Power International Development, unterzeichnet. Zum Einsatz kam das PEM (Protonenaustauschmembran)-Elektrolysesystem Silyzer 200.
China holt bei der Elektrolyseurfertigung auf
Ein gravierendes Problem für die europäischen Elektrolyseur-Hersteller ist die Tatsache, dass die Nachfrage nach Elektrolyseuren in der EU weit geringer ist als erhofft.
Während die chinesische Regierung versucht, das Wachstum eines als zukunftsträchtig erkannten Wirtschaftszweigs durch staatliche Investitionen anzuregen, kämpft die Wasserstoffbranche mit unklaren und inkonsistenten regulatorischen Rahmenbedingungen sowie permanenten Projektverzögerungen.
Infolge der chinesischen Industriepolitik kann die dortige Industrie ihre Geräte derzeit um bis zu 80 Prozent günstiger anbieten. Noch gibt es deutliche Unterschiede bei der eingesetzten Technik. Chinas Schwerpunkt liegt auf günstigeren, alkalischen Elektrolyseuren.
Europäischen Unternehmen verfolgen inzwischen meist die kostspieligere PEM-Technik, die mehr reinen Wasserstoff bietet und zehnmal schneller in Betrieb gesetzt werden können, was ihre Anwendung in Verbindung mit den volatilen Erneuerbaren erleichtert.
Dass die chinesischen Hydrolyseur-Hersteller sich inzwischen verstärkt um die Weiterentwicklung ihrer Technik kümmern, zeigt sich auch daran, dass die chinesischen Patentanmeldungen seit 2015 um 40 Prozent gestiegen sind.
Mögliche Folgen einer europäischen Markt-Abschottung
Wenn Europa mit Zöllen versucht, seinen Maschinenbau vor chinesischen Konkurrenten zu schützen, werden diese ihre Elektrolyseure in Märkten verkaufen, wo mit günstiger elektrischer Energie aus Erneuerbaren dann Wasserstoff mit niedrigen Kosten produziert wird. Dieser ist dann auf dem Weltmarkt deutlich preiswerter, als Wasserstoff aus europäischen Elektolyseuren.
China hat dieses Vorgehen aus dem Siegeszug der japanischen Elektroindustrie gegen Ende des 20. Jahrhunderts gelernt. Wenn eine Stufe der Lieferkette mit Zöllen behindert wurde, ist man die nächste Stufe angegangen, bis man die vollständige Lieferkette beherrschte und hat dann im Windschatten dieses Wettlaufs die nächste Gerätegeneration mit vollständig neuer Technologie auf den Markt gebracht.
Die im Wettkampf mit den asiatischen Herstellern ausgepowerte europäische Industrie konnte bei dieser Entwicklung nicht mehr mithalten. Für eine kurze Zeit suchte man Zuflucht in Kooperationen, um dann letztlich die Segel einer Fertigung in Europa zu streichen.
Die Geschichte scheint sich mit neuen Spielern zu wiederholen, weil man hierzulande strategisch nicht dazulernen und die Politik Lobby-getrieben keine stringente Linie verfolgen wollte.