Katholische Kirche: Todesstrafe ist unzulässig

Papst Franziskus. Foto (2013): Christoph Wagener / CC BY-SA 3.0

Papst Franziskus ändert Katechismus. Bislang wurde die Todesstrafe geduldet, nun soll sich die Kirche "mit Entschiedenheit" für deren Abschaffung in der ganzen Welt einsetzen

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In früheren Jahrhunderten hatte Päpste ein "unbefangenes Verhältnis" zur Todesstrafe, noch bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein beschäftigten sie Scharfrichter - die letzte Exekution habe es 1868 gegeben, erfährt man im Domradio als Hintergrund zur Kirchenmeldung am gestrigen Donnerstag: "Die Kirche bannt die Todesstrafe".

Eine fundamentale Änderung habe sich aber schon länger angedeutet. Mit den beiden Vorgängern des gegenwärtigen Papstes, mit Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013), sei schon richtig grundsätzlich für die allgemeine Abschaffung eingetreten worden. Und der jetzige Papst Franziskus habe im März 2015 mit einem Brief an die Internationale Kommission seine prinzipielle Ablehnung der Todesstrafe offiziell und ganz unmissverständlich bekundet.

Aber die katholische Kirche hat ihre eigene Formenwelt mit einer eigenen Zeit. Jetzt, zweieinhalb Jahre nach dem Brief und etwa neun Monate nach Ansprache des Papstes zum Jahrestag des Katechismus, wo er im Oktober 2017 anordnete, dass die Verurteilung der Todesstrafe im Katechismus "angemessener und konsequenter" einen Ausdruck finden müsse, wurde die Veränderung der Leitlinie der katholischen Lehre unter Punkt 2276 öffentlich, wie das heute in mehreren Sprachen im Bulletin des "Heiligen Stuhls" nachzulesen wäre.

Die Position der Kirche ändert sich in manchen Punkten also doch, wenn auch sehr langsam. Der Vorgang zeige, dass "sich die Position der katholischen Kirche weiterentwickeln kann und kein starres Gefüge ist", kommentiert der ZDF-Blog Papstgeflüster die schon beinahe enthusiastisch.

Weil Veränderungen bei sehr statischen Formationen interessant sein können, soll hier der Wortlaut der neuen Passage zur Todesstrafe wiedergegeben werden, da er auf die Entwicklung zur neuen Haltung eingeht:

2267. Lange Zeit wurde der Rückgriff auf die Todesstrafe durch die rechtmäßige Autorität - nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren - als eine angemessene Antwort auf die Schwere einiger Verbrechen und als ein annehmbares, wenn auch extremes Mittel zur Wahrung des Gemeinwohls angesehen.

Heute gibt es ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die Würde der Person auch dann nicht verloren geht, wenn jemand schwerste Verbrechen begangen hat. Hinzu kommt, dass sich ein neues Verständnis vom Sinn der Strafsanktionen durch den Staat verbreitet hat. Schließlich wurden wirksamere Haftsysteme entwickelt, welche die pflichtgemäße Verteidigung der Bürger garantieren, zugleich aber dem Täter nicht endgültig die Möglichkeit der Besserung nehmen.

Deshalb lehrt die Kirche im Licht des Evangeliums, dass "die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt" (Zitat aus der oben erwähnten Ansprache des Papstes Franziskus vom Oktober 2017, Einf. d.A.), und setzt sich mit Entschiedenheit für deren Abschaffung in der ganzen Welt ein.

Bulletin des Heiligen Stuhls

Auch Mörder haben eine Würde, heißt ein Grundsatz, dem der neue Katechismus folgt. "Nicht einmal der Mörder verliert seine Personwürde, und Gott selber leistet dafür Gewähr", zitiert Kath.net aus dem Brief der Glaubenskongregation an die Bischofe, der die Haltung zur Todesstrafe verständlich machen will. Ein ganz zentraler Satz lautet:

Wenn nämlich die politische und soziale Lage früherer Zeiten die Todesstrafe zu einem annehmbaren Mittel für die Wahrung des Gemeinwohls machte, so haben heute die wachsende Einsicht, dass die Menschenwürde auch durch das Begehen schwerster Verbrechen nicht verloren geht, ein vertieftes Verständnis vom Sinn der Strafsanktionen durch den Staat sowie das Vorhandensein von wirksameren Haftsystemen, die den erforderlichen Schutz der Bürger sicherstellen, zu einem neuen Bewusstsein geführt, das die Unzulässigkeit der Todesstrafe anerkennt und deshalb ihre Abschaffung fordert.

Kongregation für die Glaubenslehre. Schreiben an die Bischöfe über die neue Formulierung der Nr. 2267 des Katechismus der Katholischen Kirche

Derlei Formulierungen werden vom katholischen Klerus nicht leichtfertig in die Welt geworfen, wie sich allein schon an der Langsamkeit zeigt. Ob das politisch brisant wird, auf welche Konflikte sich überzeugte Katholiken einlassen werden, muss sich erst zeigen.

Mit der nun verkündeten Anerkennung der Unzulässigkeit der Todesstrafe und besonders mit der daraus folgenden Forderung, sich aktiv für die Abschaffung einzusetzen, sind die Vertreter und die Mitglieder der katholischen Kirche in Ländern mit Todesstrafe allerdings auf ein politisches Parkett gesetzt.

Der erwähnte ZDF-Blog führt dies am Schauplatz Sri Lanka vor: "Zuletzt sorgte im Juli der Erzbischof von Colombo in Sri Lanka, Kardinal Malcolm Ranjith, für Schlagzeilen, als er feststellte, dass im Kampf gegen Drogenhändler die Todesstrafe 'die letzte Option sei". Diese Position kann er ab sofort nicht mehr vertreten, will er nicht von der offiziellen Linie der Kirche abweichen."

Und die New York Times, die ziemlich schnell auf die Veränderung im Katechismus reagierte, geht sogar soweit, dass sie einen "enormen Druck auf Gesetzgeber und Politiker auf der ganzen Welt" für möglich hält.

Die Zeitung denkt dabei natürlich besonders an US-amerikanische Verhältnisse, wo es zum Beispiel mit Peter Ricketts einen katholischen Gouverneur gibt, der bei der Ausführung von Todesstrafen anwesend war.

Man darf gespannt sein, wie sich die Politiker aus der Zwickmühle befreien. Richtig schwierig muss das aber nicht sein, wie sich das bei anderen Vorgaben des Katechismus - Ehebruch, Ehescheidung, Abtreibung (Punkt 2270) - schon gezeigt hat, wobei gerade letzter Punkt in politischen Diskussionen auflebt und die Möglichkeit andeutet, dass kirchliche Vorgaben und Orientierungen in überforderten Gemeinschaften einen neuen Stellenwert bekommen könnten.

US-Organisationen, die für die Abschaffung der Todesstrafe eintreten, erhoffen sich von der neuen kirchlichen Leitlinie jedenfalls neuen Rückenwind.