Keeping it real, Real?
RealNetworks Interpretation des Begriffs "Freedom of choice" scheint sehr eigenwillig zu sein
RealNetworks versucht erneut Marktführer Apple in Bedrängnis zu bringen. Alles im Namen des Verbrauchers und der Wahlfreiheit. Vielleicht hätte man die iPod-User und iTMS-Käufer aber auch vorher fragen sollen, ob sie denn wirklich unzufrieden sind.
Auf einer kürzlich eingerichteten Website bemängelt RealNetworks den Status Quo der digitalen Musikindustrie. Es gäbe keinen "gesunden Wettbewerb, der die Preise drückt und Innovationen fördert". Die Kampagne ist eindeutig gegen Apple und dessen portablen Musik-Player iPod sowie den Online-Musikladen iTMS gerichtet. So weit so gut, doch um Reals Intention dieser Kampagne zu verstehen, muss man ein wenig die Aktionen der letzten Wochen und Monate betrachten.
Alles begann Mitte April, als RealNetworks-CEO Rob Glaser Apples CEO Steve Jobs in einer E-Mail eine strategische Allianz anbot. Man wolle sich gemeinsam gegen Microsoft und das von Microsoft entwickelte Audio-Format WMA wehren. Apple solle den populären und marktführenden Musik-Player iPod für das Format von Real öffnen. Falls allerdings eine Allianz Real-Apple nicht zustande käme, wolle man sich, so Glaser, an den Konkurrenten Microsoft wenden, um sich auf das Format WMA zu konzentrieren.
Ein Angebot war dies allerdings offenkundig nicht, sondern eher eine versteckte Drohung, denn Microsoft hatte schon lange vorher angekündigt, auch in den digitalen Online-Musikmarkt einzusteigen. Apples Antwort ließ nicht lange auf sich warten, und so erklärte Steve Jobs in einem Interview mit dem Wall Street Journal, dass man keine Notwendigkeit sehe, den iPod für fremde Formate zu öffnen. Ein solcher Schritt sei wirtschaftlich nicht notwendig, zumal der Musikdienst von RealNetworks nicht erfolgreich sei, stichelte Steve Jobs zurück.
Der iPod spielt bis dato das weit verbreitete Format MP3, welches ohne DRM-System daherkommt, sowie Apples eigenes Format AAC ab, welches mit einem DRM-System namens "FairPlay" ausgestattet ist. Apples Interesse an einer Lizenzierung des eigenen DRM-Systems an andere Anbieter ist gering, da der Verkauf von Songs und Alben über den iTunes Music Store (iTMS) die Verkäufe des wirtschaftlich erfolgreichsten Produkts Apples, den iPod fördert, da diese nur auf dem iPod abspielbar sind. Dieser geschlossene Kreislauf ist Teil des Business-Modells.
RealNetworks reagierte auf die Absage mit einer eigenen Übersetzungstechnik für DRM-Systeme namens "Harmony". Mit dieser, noch in der Beta-Phase befindlichen Software ist es möglich, ein im RealNetworks-Shop gekauften Song in andere DRM-geschützte Formate umzuwandeln. Danach ist es möglich, die Songs auf beliebigen Musik-Player, unter anderem auch auf dem iPod, abzuspielen. Apple war erzürnt, da sie doch keine Lizenzen für ihre Rechtverwaltung verteilt hatten, aber Real hatte in "Hackermanier", wie es Apple nannte, per Reverse Engineering die Fairplay-Technik nachgebaut. Apple prüft derweilen rechtliche Schritte, da Real angekündigt hat, die Harmony-Technik an andere Unternehmen lizenzieren zu wollen.
Soviel zur Auseinandersetzung der beiden Kontrahenten (49 Cent pro Song: Real greift Apple frontal an. RealNetworks kritisiert also das, laut ihrer Ansicht, geschlossene System bei Apple mit dem iPod und iTunes Music Store und bemängelt die eingeschränkte Wahlfreiheit der Endkunden. Diesen Vorwurf an Apple kann man nicht ganz von der Hand weisen. Nach eigenen Angaben besitzt Apple 70% Marktanteil bei legal verkauften Songs im Internet. Diese Songs lassen sich sowohl am Mac als auch am PC nur mit Apples Jukebox-Software iTunes abspielen und unterwegs ist man auf Apples iPod angewiesen. Alle anderen Geräte spielen die Musikfiles mangels Lizenz nicht ab.
Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Apple spielte eine Vorreiterrolle als es um den Verkauf und die Vermarktung digitaler Musikdateien im Internet ging und konnte sich sehr früh an die Spitze dieses Marktes setzen. Der Erfolg dieser Bezahl-Downloads liegt auch an der sehr wenig restriktiven Rechteverwaltung dieser Songs. Wo andere Anbieter ihre Kunden mit stark eingeschränkten Modellen belästigten, erkannte Apple, dass es wenig Sinn macht, die eigene Kundschaft zu verdrießen und konnte die Musikindustrie ebenfalls überzeugen und für sich gewinnen.
RealNetworks scheint mit dieser Meinung allerdings auf wenig Zustimmung auf Seiten der Anwender zu stoßen. In unzähligen Kommentaren im Weblog verschaffen sich die Endanwender Luft und kritisieren Reals Strategie. Dabei scheint es Real mit der Wahlfreiheit selber nicht so genau zu nehmen. Ein Link zu einer eigens dafür eingerichtete Petition wurde kurzer Hand wieder entfernt, weil sich Hunderte von Anwendern massiv über RealNetworks beschwert hatten. Stattdessen wurde zu einer neuen Petition verlinkt, wo die Kommentarfunktion einfach abgeschaltet wurde.
In einer Pressemitteilung spricht RealNetworks von "strong support":
Already the Freedom of Choice campaign has a strong base of support. Public Knowledge, a Washington, D.C.-based public advocacy organization that seeks to act as the public's voice in the digital age, has endorsed the campaign and urged consumers to take note of the issues raised. The organization issued its own news release today in Washington DC.
Diesen Support von Endanwendern scheint Real allerdings nicht zu erhalten. Vielleicht hätte man die Nutzer vom iTMS und iPod-Besitzer vorher einmal fragen sollen, ob wirklich Unzufriedenheit herrscht. Denn es sind genau diese Menschen, die diese Website ansprechen soll. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Kampagne eher als Marketing-Aktion und als Versuch, den eigenen Musikladen bekannter zu machen. Keep it real.