Kein Ausschluss von Gorleben

Durchschnittlicher jährlicher Wärmefluss von der Oberfläche der Ozeans in die Atmosphäre und zurück. Überall dort, wo das Meer gelb, orangefarben oder rot eingefärbt ist, gibt der Ozean Wärme an die Atmosphäre ab. Die schwarzen Rahmen kennzeichnen die Lage der Randströmungen. Bild: Hu Yang/Alfred-Wegener-Institut

Die Energie- und Klimawochenschau: Stürmische Küsten, gesundheitsschädliche Kohlekraftwerke und Kritik am Abschlussbericht der Endlagersuchkommission

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Die guten Nachrichten sollen nicht verschwiegen werden: Das Ozonloch schrumpft. Laut einer im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichten Studie nimmt die Ausdehnung des Ozonlochs ab und die Dichte der Ozonschicht über der Antarktis wieder zu. Unterbrechungen bei der "Heilung" habe es durch Vulkanausbrüche gegeben, etwa durch die Eruption des chilenischen Vulkans Calbuco im Jahr 2015.

Ist die Wiederherstellung der schützenden Ozonschicht ein Signal der Hoffnung, dass die Menschheit in der Lage ist, Zusammenhänge zu verstehen und schädlichen Auswirkungen ihres Handelns entgegenzuwirken? Bezogen auf den Klimawandel ist die Situation um einiges komplexer als beim Ozonloch, zum anderen ist der Wendepunkt fast überschritten. Die Erderwärmung ist kaum noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, so eine aktuelle Veröffentlichung im Fachmagazin Nature.

Mit den jetzigen Selbstverpflichtungen der Staaten befindet sich die Erde auf einem Erwärmungspfad von 2,6 bis 3,1 Grad Celsius bis zum Jahr 2100. Da bekannt ist, dass die Verpflichtungen nicht ausreichen, sollen sie gemäß dem Pariser Klimaabkommen 2018 erstmals überprüft werden. Die Autoren des Nature-Artikels mahnen jedoch an, schon jetzt nachzubessern: "Eine substantielle Erhöhung oder Übererfüllung der derzeitigen NDCs durch zusätzliches Handeln auf nationaler, sub-nationaler oder nichtstaatlicher Ebene ist erforderlich, um noch eine ernsthafte Chance darauf zu haben, die Erwärmung auf weit unter 2 Grad Celsius zu begrenzen."

Die Weltmeere nehmen in den Tropen Wärme aus der Luft auf und transportieren diese über die Randströmungen Richtung Norden oder Süden Bild: F. Rödel/Alfred-Wegener-Institut

Meeresströmungen befördern Stürme

Die Problematik der Klimaerwärmung erzeugt verschiedenste Rückkopplungseffekte, die wiederum das Klima verändern. So kommen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) zu dem Schluss, dass sich Meeresströmungen bereits durch die Erderwärmung verändern.

"An den Ostküsten Südafrikas, Asiens, Australiens und Südamerikas werden das Wetter und das Klima in den nächsten 100 Jahren deutlich wärmer und vermutlich auch deutlich stürmischer werden als im globalen Durchschnitt. Der Grund dafür sind bereits beginnende Veränderungen der 'westlichen Randströme', die das Wettergeschehen in diesen Küstenregionen maßgeblich beeinflussen." Zu den westlichen Randströmen zählen der Kuroshio-Strom vor der Küste Japans, der Brasilstrom vor der Ostküste Südamerikas, der Ostaustralien-Strom sowie der Agulhasstrom vor der Ostküste Südafrikas. Sie transportieren warmes Wasser aus den Tropen in gemäßigte Klimazonen. Weil sich die Ströme erwärmen und somit mehr Wärme an die Luft abgegeben wird, steigt die Gefahr von Stürmen. Schnellere Fließgeschwindigkeiten führen dazu, dass mehr Wärme polwärts transportiert wird.

Die Wissenschaftler befürchten Konsequenzen für die Lebewesen in den Küstenregionen: "Da die Strömungen mehr Wärme in die gemäßigten Breiten bringen und dazu noch weiter Richtung Norden bzw. Süden vordringen, werden viele Arten gezwungen sein, in kältere Regionen abzuwandern. Manche werden dazu nicht in der Lage sein", erläutert Gerrit Lohmann vom AWI

Einzig und allein beim Golfstrom, der ebenfalls zu den westlichen Randströmen zählt, rechnen die Klimaforscher mit einer Abschwächung. Anders als die anderen Küstenströme unterliegt der Golfstrom der thermohalinen Zirkulation, die mit der Erderwärmung voraussichtlich abnehmen wird.

DGB Berlin-Brandenburg für Braunkohle

Die Bundesregierung stört sich nicht sonderlich an den Warnungen und Empfehlungen von Klimawissenschaftlern. Wie bereits berichtet, enthält der "Klimaschutzplan" kaum noch konkrete Ziele oder Maßnahmen (Klimaschutzplan weichgespült).

Als Bremser in der Klimapolitik betätigen sich leider auch immer wieder die deutschen Gewerkschaften beziehungsweise deren Landesbezirke. Im Januar 2016 veröffentlichte der DGB Berlin-Brandenburg seine "Anforderungen an die künftige Landespolitik in Berlin" im Namen der Einzelgewerkschaften IG BAU, IG BCE, EVG, GEW, IGM, NGG, GdP und Ver.di.

Gewerkschaftsmitglieder protestierten am Dienstagmittag vor dem Sitz des DGB Berlin-Brandenburg gegen diese Vereinnahmung. Zum Thema Energiepolitik heißt es in der DGB-Veröffentlichung u.a.: "Die europäische Metropole Berlin ist auf eine jederzeit sichere, bezahlbare und ökologisch ausgewogene Stromversorgung angewiesen. Dies wird neben der KWK-Erzeugung in Berlin insbesondere durch die heimische Braunkohle in der Lausitz mit ihren leistungsfähigen Tagebauen mit einer Reichweite bis weit in dieses Jahrhundert und dem hochmoderenen Kraftwerkspark gewährleistet."

Es gibt von Seiten der meisten Einzelgewerkschaften, deren Logos die DGB-Position zieren, gar keinen Beschluss zur Kohlepolitik. Die Gewerkschaft IG Bauen Agrar Umwelt ist Mitglied der Klima-Allianz, die sich deutlich gegen neue Tagebaue in der Lausitz positioniert. Von Seiten der GEW gibt es sogar einen expliziten Beschluss: "Die GEW BERLIN vertritt die Auffassung, dass zum Erreichen der Klimaschutzziele auch der zügige und sozialverträgliche Kohleausstieg gehört. Der Abbau der Braunkohle muss so schnell wie möglich gestoppt werden."

Protestaktion vor dem DGB-Gebäude in Berlin. Bild: J. Blume

Schwierig in Einklang zu bringen dürften die Anforderungen des DGB mit dem seit April 2016 geltenden Berliner Energiewendegesetz sein. Dieses sieht vor, dass die Hauptstadt ihre CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 um 85% gegenüber 1990 auf 4, 4 Millionen senkt. Ebenfalls im Widerspruch zu einem langfristigen Bekenntnis zur Braunkohle steht Divestment-Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses vom 23. Juni 2016. Hier geht es darum, Investitionen des Landes Berlin sowie Versorgungsrücklagen des Landes für Pensionen aus fossilen Unternehmen abzuziehen. Das Land hat beispielsweise (relativ geringe Summen) bei den Stromversorgern RWE und Eon investiert. In Deutschland ist Berlin nach Münster die zweite Stadt, die sich zum Divestment entschlossen hat.

Nebenbei bemerkt befinden sich zwei der als hochmodern bezeichneten Kraftwerke der Lausitz auf der Liste der 30 europäischen Kohlekraftwerke, die am stärksten die Gesundheit schädigen, nämlich Jänschwalde auf Platz 7 und Boxberg auf Platz 17. In der soeben veröffentlichten Studie "Europe's Dark Cloud" untersuchen die Organisationen Health and Environment Alliance (HEAL), Climate Action Network (CAN), Worldwide Fund for Nature (WWF) und Sandbag die Gesundheitsauswirkungen von 257 europäischen Kohlekraftwerken.

Die Autoren trugen Daten zur Feinstaubbelastung durch die Kraftwerke und deren Gesundheitsfolgen zusammen. Die Gesamtheit der europäischen Kohlekraftwerke ist demnach für 22.900 vorzeitige Todesfälle, zehntausende von Herz- und Lungenerkrankungen und bis zu 62,3 Milliarden Euro an Gesundheitskosten verantwortlich. Die größte Gesundheitsbelastung geht vom polnischen und vom deutschen Kraftwerkspark aus, wobei der Feinstaub natürlich auch über die Landesgrenzen hinaus getragen wird und die Gesundheit der Menschen in den Nachbarländern schädigt. "Ein deutscher Kohleausstieg könnte in der Bundesrepublik jedes Jahr mehr als 1860 vorzeitige Todesfälle verhindern und im Ausland sogar 2490", heißt es in der Pressemitteilung.

Kein Konsens der Endlagersuchkommission

Vor einer Woche hat die von Bundestag und Bundesrat berufene Endlagersuchkommission nach zweijähriger Arbeit ihren Abschlussbericht beschlossen, auf ihrer letzten Sitzung am 5. Juli übergibt sie den 500 Seiten umfassenden Bericht der Bundesregierung und stellt ihn gleichzeitig der Öffentlichkeit vor.

In dem Bericht werden Kriterien für die zukünftige Auswahl eines atomaren Endlagers in Deutschland benannt. Der Bericht soll Grundlage für eine Reform des Standortauswahlgesetzes sein. Die Kommission war unter Atomkraftgegnern von Anfang an umstritten. Anti-Atominitiativen verweigerten ihre Mitarbeit, da der konfliktbelastete Standort Gorleben nicht zu Beginn ausgeschlossen wurde. Einzig der Umweltverband BUND war mit seinem Stellvertretenden Vorsitzenden Klaus Brunsmeier in der Kommission vertreten. Auch im Abschlussbericht wird Gorleben nicht generell von der Standortsuche ausgeschlossen. Dies war einer der Gründe dafür, dass Brunsmeier als einziges stimmberechtiges Kommissionsmitglied gegen den Abschlussbericht votierte.

In dem bereits veröffentlichten Sondervotum des BUND heißt es: "Ein sauberes Verfahren unter Einbeziehung von Gorleben ist nicht möglich. Der BUND ist der Auffassung, dass der angestrebte gesellschaftliche Konsens mit Gorleben nicht möglich sein wird und das Festhalten an diesem Standort das Suchverfahren weiter verzögert."

Zu den weiteren Kritikpunkten der Umweltorganisation zählt, dass die Kommission nicht die Verankerung des Atomausstiegs im Grundgesetz fordert und dass keine saubere Trennung zwischen den verschiedenen Arten radioaktiven Abfalls erfolgt. Man hätte an den Kriterien zur Lagerung hochradioaktiver Abfälle gearbeitet und am Ende würden beispielsweise Müll aus der Asse und der Urananreicherung mit einbezogen.

Der BUND ist nicht der einzige, der ein Sondervotum zum Abschlussbericht vorlegt. Sondervoten sind auch von den Bundesländern Sachsen und Bayern, von der Linksfraktion und von E.on angekündigt worden. Sachsen und Bayern wenden sich vor allem gegen den Einbezug von Granit als mögliches Wirtsgestein, wobei Sachsen behauptet, dass an Granit im Auswahlverfahren geringere Anforderungen gestellt würden als an Ton oder Salz. Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf hält die Gesteinsformationen in Bayern für ungeeignet und forderte strengere Vorgaben für die geologische Beschaffenheit, etwa einen mindestens 100 Meter mächtigen, homogenen Gesteinskörper ohne Risse und Spalten.