Kein Generalverdacht gegen die Bundeswehr
Seite 2: Den 20. Juli nicht den Rechten überlassen
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- Den 20. Juli nicht den Rechten überlassen
- Wo bleibt die linke Kritik an der Traditionspflege des 20. Juli?
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Da war es nun nicht verwunderlich, dass die Rechte den 20. Juli und vor allem Stauffenberg zum Vorbild erklärten. So sollen seine letzten Worte vor der Hinrichtung "Es lebe das geheime Deutschland" gewesen sein. Damit soll er seine Verbindung mit den George-Kreis manifestiert haben, der in der Weimarer Zeit zur Faschisierung eines Teils der intellektuellen Bewegung beigetragen hat.
So ist die politische Biographie Stauffenbergs für Protagonisten der Rechten heute natürlich ein besonderes Vorbild. Die gesamte Bewegung des 20. Juli 1944 ist ihnen schon deshalb sympathisch, weil es ihnen um den Erhalt eines starken Deutschlands ging. Und doch ist es ein neueres Phänomen, dass weite Teile der Rechten sich positiv auf den 20. Juli 1944 berufen.
Lange Zeit galten die Männer nicht nur in rechten Kreisen, sondern auch in großen Teilen der deutschen Bevölkerung als Verräter. Es war die Zeit, wo Willi Brandt vorgehalten wurde, dass er im Exil gegen Nazideutschland kämpfte und sich mit Fritz Bauer, einer der wenigen antifaschistischen Staatsanwälte der BRD, im Feindesland wähnte, wenn er sein Büro verließ. Zu dieser Zeit wurde auch in Bezug auf den 20. Juli die Diktion der Naziführung übernommen, die ihren Untergang als Remake einer Wagner-Oper inszenierte.
Kurz vor dem Schluss bescheinigte Hitler Deutschland, es wäre im Kampf um die Weltmacht unterlegen und hätte deshalb den Untergang auch verdient. Daher wird Hitler und seine Clique auch nur noch bei einigen NS-Nostalgikern gefeiert.
Der Großteil der Rechten kann sich mit dem 20. Juli 1944 schon deshalb anfreunden, weil auch die den Nazis in erster Linie übelgenommen haben, den Krieg verloren zu haben. Nun haben wir also die Situation, dass die Rechten um die Junge Freiheit und auch große Teile der AfD in der Frage des 20. Juli mit der offiziellen Geschichtsdarstellung einig sind.
Stauffenberg ging es um Deutschland und nicht um die Naziverbrechen
Selbst Thomas Karlauf, der mit seiner kritischen Stauffenberg-Biographie den Zorn der Jungen Freiheit und einiger Stauffenberg-Epigonen auf sich gezogen hat, plädiert dafür, Stauffenberg nicht den Rechten zu überlassen. Karlauf hatte in seiner Stauffenberg-Biographie noch mal den Mythos vom Aufstand für die Demokratie widerlegt.
Stauffenberg sei es nur darum gegangen, Deutschland als Nation und als Staat zu retten, nachdem klar wurde, dass der Krieg verloren sei. Die Verbrechen der Nazis, besonders die Ermordung der Juden, habe für ihn und seine Tat keine Rolle gespielt, fasst MDR-Kultur die Thesen des Biografen zusammen.
Auch in dem FAZ-Interview listet Karlauf noch einmal genügend Argumente für die Annahme auf, dass Stauffenberg gut zu den Rechten um die Junge Freiheit und AfD passt:
FAZ: Bis August 1942 finden Sie keine Belege dafür, dass Stauffenberg ein Komplott gegen Hitler in Erwägung gezogen hätte. War Claus von Stauffenberg ein Nationalsozialist?
Thomas Karlauf: Wenn man das gerecht beantworten will, muss man eine andere Frage vorwegschicken: Was war eigentlich sein Beruf? Ein 18-Jähriger, der 1926 in die Reichswehr eintritt, drei Jahre später die Offiziersprüfung ablegt und im Mai 1933 Oberleutnant wird, hat die politische Entwicklung der zweiten Hälfte der Weimarer Republik aus einem spezifisch militärischen Blickwinkel erlebt. Den interessiert die Frage: Wie werden wir die Beschränkungen des Versailler Vertrages los? Wie kriegen wir eine anständige Aufrüstung hin? Wie ist das Verhältnis von Armee und Politik im Staat? Vor diesem Hintergrund hielt die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 für Stauffenberg ungeheure Versprechen bereit.
FAZ: In Ihrem Buch findet man aber sehr viel mehr als das: Als die SA am Abend des 30. Januar zur Feier der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler einen Fackelzug durch Bamberg organisierte, reiht Stauffenberg sich ein, um seine spontane Freude über die politische Wende zum Ausdruck zu bringen.
Thomas Karlauf: Innenpolitisch war Stauffenberg von vielen Forderungen des Nationalsozialismus begeistert, etwa von einer Sozialpolitik nach dem Grundsatz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz". Eine erste zaghafte Kritik an Hitler findet man 1938, beim Einmarsch in das Sudetenland. Stauffenberg beklagt sich darüber, dass die Wehrmacht in Hitlers Pläne nicht genügend eingebunden wird. Das findet er unerhört, denn für ihn trägt der Soldat auch politische Verantwortung.
FAZ: Was wusste er über die Verbrechen der Wehrmacht?Thomas Karlauf: Er war hervorragend vernetzt, sowohl innerhalb des Generalstabs als auch unter den Frontoffizieren, die oft ehemalige Kameraden waren. Da wurde sehr früh und sehr offen über die Massenerschießungen im Osten gesprochen. Anfangs hieß es, es handele sich um Erschießungen von sowjetischen Kommissaren, von Partisanen und sogenannten gefährlichen Elementen, aber spätestens im September, Oktober 1941 war klar, dass es um einen Genozid an den Juden ging. Es waren einfach zu viele Frauen und Kinder dabei.
FAZ-Interview mit Thomas Karlauf
Dabei sind Stauffenberg und die führenden Männer des 20. Juli 1944 nur Exponenten der deutschen Eliten in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur jener Jahre. Als sich die Folterkeller mit Gefangenen füllten, feierten sie auf Deutschlands Straßen die neue Zeit, die sie scheinbar von Sieg zu Sieg führte. Die Rassegesetze waren für sie ebenso wenig ein Grund zum Nachdenken wie die Reichspogromnacht.
Die ersten deutschen Niederlagen führten zu ersten kritischen Fragen, aber noch glaubte man dem deutschen Führer. Erst als die Alliierten die Lufthoheit über Deutschlands Städte hatten und an Deutschlands Grenzen standen, kam der Aufstand des Gewissens, das nun immer am 20. Juli im Bendlerblock gefeiert wird. Hier sind sich eben die heutigen Eliten und die Kräfte rechts davon sehr einig und an dieser Frage würde eine Kooperation nicht scheitern.