Kim Jong-Un: Strategische Neupositionierung
USA-Nordkorea: Ein neuer Test, die Wiederkehr alter Beleidigungen und die Frage, wer gerade wie der Sieger aussieht
Verbal knüpften die beiden Kontrahenten an frühere Wortgefechte an. Trump holte den "Rocket-Man" beim Nato-Gipfel wieder als Bezeichnung für Kim Jong-un aus dem Fundus. Worauf Nordkoreas stellvertretender Außenminister Choe Son-hui mit dem Hinweis reagierte, dass das Klima der Konfrontation, das von Trump vorsätzlich neu angestoßen würde, die Diagnose eines "Rückfalls eines Senilen in die Senilität" nahelegt. Das war vergangene Woche.
Dem zuvor gegangen war Ende November die Meldung, dass Nordkorea zwei Kurzstrecken-Raketen von seiner Ostküste aus abgefeuert hatte. Die Abschussrampe war laut Informationen der New York Times ein neues Glanzstück im nordkoreanischen Waffenarsenal: ein "super-large multiple rocket launcher".
Gestern hat Nordkorea nun einen neuen "sehr wichtigen" Test durchgeführt, der die Experten vor Rätsel stellt und ihre Spekulationszentren aktiviert. Niemand außerhalb der Eingeweihten in Nordkorea weiß genau, was bei dem "erfolgreichen Test mit großer Signifikanz" getestet wurde.
Die genannten Einschätzungen in Gänsefüßchen stammen aus dem offiziellen Statement des Sprechers der Akademie für die Nationale Verteidigungswissenschaft. Aus der spärlichen offiziellen Mitteilung, die sich mit drei Absätzen begnügt, ragen zwei Informationen heraus, die den Experten zu denken geben. Einmal der Ort des Tests, die Abschussbasis Sohae, zum anderen die Einstufung, dass der Test eine wichtige Auswirkung auf einen bevorstehenden "Wechsel der strategischen Position" der DPRK (Demokratische Volksrepublik Korea) haben werde.
Es gibt kein Bild zur Mitteilung, "nur" eine Vorgeschichte. Für Nordkoreas Führung ist die Denuklearisierung vom Tisch. Aber man will den USA erneut vor Augen führen, dass eine gemeinsame Vereinbarung in dem Interesse liege. Es geht nach wie vor darum, dass man neben der Anerkennung, die vor allem das erste Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un dem Machthaber verschafft hat, hauptsächlich faktische Ergebnisse bei den Sanktionen sehen will, die gegen Nordkorea verhängt wurden.
Dazu zeigt man auf, wozu das Land waffentechnisch in der Lage ist. Die Abschussbasis Sohae ist dafür ein gut gewählter Ort. Raketen mit Satelliten, die von dort gestartet wurden, bedeuteten dem Rest der Welt, dass Nordkorea auch in der Lage ist, ballistische Raketen mit Langstreckenreichweite nuklearbestückt auf eine weite Reise zu schicken.
Zum anderen richtet sich die neue Test-Meldung von Sohae gegen Interpretationen, die unterstellten, dass Kim Jong-un bei den Verhandlungen mit Trump als der Schwächere hervorging. Nach dem ersten Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un im Juni 2018 ( Singapur: Medienspektakel der Dealmacher) sprach Trump von einem "schwindelerregenden Erfolg" der Verhandlungen mit Nordkorea. Es seien keine Raketen mehr abgefeuert worden, es gehe um eine "totale Denuklearisierung": "Und sie haben eine ihrer großen Testanlagen bereits gesprengt. Tatsächlich sind es vier ihrer großen Testanlagen."
Welche Testanlagen er damals genau gemeint hatte, blieb offen. Aber Trump hatte sich auch dafür gepriesen, dass er Kim Jon-un zur Vereinbarung gebracht habe, die Testanlage für Raketenantriebe in Sohae zu schließen.
Dem folgten aber via Satellitenaufnahmen Anzeichen, "dass an der Einrichtung für Raketenantriebstests auf dem Gelände Sohae in Tongchang-ri, wo die Satelliten gestartet werden, keine Zeichen eines Rückbaus zu erkennen" waren. Womit die Frage, wer der bessere Verhandler mit dem besseren Repertoire ist, nicht unbedingt zugunsten Trumps ausfiel.
Die Verhandlungstaktik der USA ging jedenfalls beim zweiten Gipfel zwischen Trump und Kim Jong-un nicht mehr auf, das Treffen im Februar dieses Jahres scheiterte (Hanoi-Gipfel endet ergebnislos). Wenige Wochen später gab es wieder Nachrichten von neuen Raketentests (Nordkorea: Neuer Raketentest als Botschaft an die USA?).
Zwar bemühte sich Trump, weiterhin von einem freundlichen Verhältnis zu sprechen und das Thema Bedrohung aus Nordkorea herunterzuspielen, aber angesichts der aktuellen Meldung vom strategisch bedeutenden Test in Sohae macht es für ihn schwieriger, seine Nordkorea-Politik als Erfolg herauszustellen.
In Sohae gibt es eine Testanlage für Raketenantriebe sowie eine Startrampe. So spekulieren Experten darüber, ob Nordkorea nun Tests wiederaufnimmt, die den Triebwerken für den Start von Satelliten und Interkontinentalraketen gelten. Diese Einschätzungen machen öffentlichen Eindruck.
Zum anderen hatte Nordkoreas Führung kürzlich mitgeteilt, dass es für die Verhandlungen mit den USA eine Frist gebe, die bis Ende des Jahres ablaufe. Davor soll es aber noch ein "Weihnachtsgeschenk" geben, das sich die USA "aussuchen können", so die Ankündigung aus Pjöngjang