Kippen Upload-Filter und Leistungsschutzrecht im Plenum? [Update]
Vertreter von FDP, ÖVP, FPÖ und Neos haben angekündigt, anders abzustimmen als die Vertreter ihrer Fraktionen im Rechtsausschuss
Als der Rechtsausschuss im Europaparlament letzte Woche eine Urheberrechtslinie mit europaweitem leistungsschutzrecht und faktischer Upload-Filter-Pflicht beschloss (vgl. "Ein trauriger Tag für das Internet und Europa"), stimmten neben den christdemokratischen EVP-Ausschussmitgliedern Axel Voss (CDU), Geoffroy Didier (Les Républicains), Rosa Estaràs Ferragur (Partido Popular), Pavel Svoboda (Křesťanská a demokratická unie), József Szájer (Fidesz), Francis Zammit Dimech (Partit Nazzjonalista aus Malta) und Tadeusz Zwiefka (Platforma Obywatelska), den Sozialdemokraten Enrico Gasbarra (Partito Democratico) und Mary Honeyball (Labour), den Front-National-Mitglieder Marie-Christine Boutonnet und Gilles Lebreton, und dem ausgetretenen Front-National-Mitglied Joëlle Bergeron auch die beiden zur Fraktion der Liberalen gehörigen Politiker Jean-Marie Cavada (Génération Citoyens) und António Marinho e Pinto (Partido Democrático Republicano) für einen Entwurfstext, der das beinhaltet.
Das führte unter anderem auf Twitter zu intensiven Diskussionen, bei denen die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer erklärte, die FDP-Abgeordneten im Europaparlament hätten vorher vergeblich versucht, ihre beiden Fraktionskollegen im Rechtsausschuss davon zu überzeugen, anders abzustimmen. Nun will sich die FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch dafür einsetzen, dass die Uploadfilterpflicht und das Leistungsschutzrecht nächste Woche im Plenum kippen.
Karas will Möglichkeit beantragen, Änderungsanträgen einzubringen
Dass dieses Unterfangen nicht ganz chancenlos scheint, liegt an den österreichischen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ, die ebenfalls verlautbart haben, anderer Meinung zu sein als die aus anderen Ländern stammenden Vertreter ihrer Fraktionen im Rechtsausschuss. Gleiches gilt für die österreichische Neos-Abgeordnete Angelika Mlinar. Dem ORF-Reporter Erich Moechel nach haben die Europaabgeordneten der FPÖ "schwerwiegende Einwände" gegen die Position des in ihrer Fraktion führenden (und unlängst in "Rassemblement National" umbenannten) Front National geltend gemacht. Sie treten ihm zufolge "gegen eine Mandatserteilung des EU-Parlaments zu sofortigen Trilogverhandlungen mit dem Ministerrat ein".
Der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas ließ dem ORF mitteilen, er wolle nächste Woche die Möglichkeit beantragen, Änderungsanträge einzubringen und die Richtlinie erneut zu debattieren, was italienische Politiker ebenfalls planen (vgl. EU-Copyright-Reform: Mehrheit für Upload-Filter und Leistungsschutzrecht wackelt). "Es sind", so Karas, nämlich "noch viele Fragen ungeklärt" und "das Thema [sei] zu wichtig, als dass wir im Schnellschussverfahren den Ausschussbeschluss einfach durchwinken könnten". Evelyn Regner, die Vertreterin der SPÖ freut das: Sie hatte bereits im Rechtsauschuss gegen den Richtlinientext gestimmt.
Europa-SPD gegen Upload-Filter, Bundestags-SPD verzögert
Von den deutschen Politikern, bei denen Telepolis zur Position ihrer Europaparlamentarier im Plenum anfragte, antwortete Martin Sonneborn von der PARTEI mit Abstand am schnellsten. "Klar", so der ehemalige Titanic-Chef, stimme er gegen Uploadfilter, denn "wir sind ja schließlich auch gegen Digitalisierung! ZwinkerSmiley". Auch die Europa-SPD teilte überraschend schnell mit, dass sie "geschlossen gegen Leistungsschutzrecht und Uploadfilter stimmen" wird.
Die Vertreter anderer Parteien ließen sich dagegen deutlich mehr Zeit. Manche antworteten auch nach mehr als einem Tag Zeit noch nicht, wie etwa die Unions-Digitalstaatssekretärin Dorothee Bär (die hier womöglich eine andere Position vertritt als ihre Fraktion) und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek (dessen Fraktion allerdings schon im Rechtsausschuss gegen den Entwurf gestimmt hatte). Gleiches gilt für den Vertreter der (ebenfalls schweigsamen oder langsamen) Fraktion der Linken, mehrere nichtdeutsche Sozialdemokraten und die italienische M5S, die in Deutschland keine Entsprechung hat.
Die Mitglieder der Fraktion der Konservativen, der die Abgeordneten der deutschen AfD-Abspaltung Liberal-Konservative Reformer (LKR) angehören), hatte sich im Rechtsausschuss enthalten. Auch ihr Vertreter Bernd Lucke blieb eine Antwort schuldig. Ebenso wie sein ehemaliger Parteifreund und jetziger AfD-Sprecher Jörg Meuthen, Ulrike Müller von den Freien Wählern, Klaus Buchner von der ÖDP und die Tierschutzpartei. Sie sind am 4. Juli möglicherweise mit einer anderen Frage mehr beschäftigt: Der Wiedereinführung einer Sperrklausel, über die nächste Woche ebenfalls abgestimmt wird.
[Update: Inzwischen hat sich der AfD-Europaabgeordnete und -Sprecher Jörg Meuthen gemeldet. Er verweist auf eine Erklärung vom 20. Juni und kündigt gegenüber Telepolis an, nächste Woche "für eine Plenarbefassung und somit gegen die Überweisung in den Trilog zu stimmen". Dafür, so Meuthen, habe sich auch in seiner EFDD-Fraktion eine Mehrheit gefunden, deren Vertreter im Rechtsausschuss uneinheitlich abstimmten.]
Die namentlichen Abstimmung über Upload-Filter im deutschen Bundestag, die die FDP-Fraktion dort gestern beantragt hatte, endete mit einem so genannten "Hammelsprung", nach dem die Liberalen twitterten: "Die GroKo kneift bei der Debatte um Uploadfilter und schiebt das Thema in die Sommerpause, obwohl es auf europäischer Ebene JETZT drängt und obwohl in ihrem eigenen Koalitionsvertrag etwas anderes steht."
[2. Update: Wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek um 10 Uhr 8 twitterte, sollen Vertreter des Bundesinnenministeriums "in die EU Gipfelerklärung einen Passus pro Uploadfilter verhandelt" haben. "Entgegen der klaren Beschlusslage des Koalitionsvertrags", wie er nach eigenen Angaben "fassungslos" betont.]
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