Kleine Stadt, großes Design
Das Berner Grafikkollektiv Büro Destruct erobert die Welt
Ihre Schriften sind überall anzutreffen. Sei es auf dem Cover der aktuellen Radiohead CD "A Kid", auf der Web-Site von MTV oder gar als Headline auf einem Schwarzenegger-Filmplakat; sie haben sich an der Weiterentwicklung des Virtual-Pet Aibo von Sony beteiligt und ein Werküberblick dient inzwischen der School of Art in Los Angeles als offizielles Lehrmittel. Dieses beachtliche internationale Renommee kann das Grafikerkollektiv Büro Destruct aus Bern für sich reklamieren.
Sie nennen sich Lopetz, H1reber und MBrunner. Doch dies tut eigentlich wenig zur Sache. Die drei Grafiker und der 3D-Künstler HeiWid treten gegen außen als Büro Destruct auf und unter diesem Label sind sie auch weltweit bekannt. Ursprünglich als Agentur für junge Künstler gegründet, entwickelte sich das Grafikkollektiv in den vergangenen Jahren zu einer der ersten Adressen des zeitgenössischen grafischen Designs in der Schweiz. Ihr Büro haben sie in einem alten Wasserwerk im ehemaligen Armenquartier der Schweizerischen Hauptstadt. Wer nun behauptet, dass in den Zeiten von Cyberspace und WWW die geografische Verortung höchstens zur Untermauerung von chauvinistischen Ressentiments diene, dem muss entgegengehalten werden, dass im Fall des Büro Destruct der Lokalbezug eine elementare Komponente ihrer Erfolgsgeschichte ist. Mit den unzähligen Aufträgen für Flyer und Plakate für das Berner Kulturzentrum Reithalle und andere Konzertveranstalter, hatten die Destruct-Grafiker ein willkommenes Übungsfeld, wo sie ihre Schriften entwickeln konnten.
Die Entstehungsgeschichte der meisten Fonts ist denn auch von der Flyer- und Plakatgestaltung geprägt. Von einer Headline ausgehend, entwickeln die Grafiker oft einen ganzen Zeichensatz, den sie meist zum freien Download ins Netz stellen. Einmal im Netz, läuft die Verbreitung über Link-zu-Link-Propaganda. Ein Blick in die Suchmaschine genügt um festzustellen, dass auf mehreren hundert Sites weltweit auf die Downloads von Büro Destruct verwiesen wird. Die freie Verfügbarkeit sei überhaupt kein Nachteil und bedeute auch nicht entgangenes Geld, das über Copyrightgebühren hätte hereingeholt werden können, meint HeiWid. "Es ist die klassische Dealermentalität. Kunden werden über die Fonts angefixt und melden sich dann für grössere Aufträge, die sie nicht alleine mit den heruntergeladenen Schriften bewältigen könnten", so HeiWid gegenüber Telepolis.
Verfremdung und Fake
Sowohl die Schriften, wie auch das übrige grafische Gestalten der vier Berner ist Ausdruck der Labelphilosophie von Büro Destruct. "Büro" als Synonym für Ordnung, Übersicht und Klarheit trifft auf ein de-konstruierendes Moment. Am sinnbildlichsten lässt sich dies am Destruct-typischen Fax-Stil ablesen. Eine Vorlage wird ausgedruckt, unsorgfältig gescannt und danach an ein Faxgerät Modell Uralt geschickt. Danach wird das ganze wieder gescannt oder vielleicht vorher noch manuell auseinandergeschnitten und zusammengefügt. Erst dann erfolgt im Layoutprogramm die Endbearbeitung. Was daraus entsteht, sind kubistisch anmutende Werke, die optisch herausstechen, weil der Remix-Stil das Auge reflexartig zur Suche nach Bekanntem herausfordert.
Die Verfremdung als Kunstform beschränkt sich bei Büro Destruct nicht nur auf das "Kerngeschäft". Erst jüngst verunsicherten die vier Grafiker die Redaktion des Zeitgeistmagazins Soda, nachdem sie offengelegt hatten, dass die Bilder zur Titelgeschichte gar nicht auf der Isle of Jura in Schottland, sondern schlicht und einfach in der Jura genannten Hügellandschaft an der schweizerisch-französischen Grenze aufgenommen wurden. Auch wenn es nicht die Hebriden waren, wohin sich das Büro Destruct zum kreativen Nichtstun zurückgezogen hatte, so lieferte die Abgeschiedenheit in den Jurabergen Inspiration für weitere Projekte. Unter dem Label Büro Discotec finden regelmäßig Tanzveranstaltungen statt, bei denen das grafische Arbeiten multimedial umgesetzt wird. So erst Kürzlich unter dem Leitthema Isle of Jura, im vergangen Jahr lieferte eine Japanreise die nötige Anregung.
HeiWid als VRML-Pionier zeichnet bei der Büro Discotec jeweils für die Visuals und Grafiker Lopetz für typografische Displays verantwortlich. Die Inhalte beschränken sich weitgehend auf sprachspielerische Absurditäten, obwohl es laut HeiWid durchaus wünschenswert wäre, der Tanzgemeinde Messages zu vermitteln. "Doch dafür ist der ideologische Background zu verschieden". Dies zeigte sich etwa auch anhand einer Serie Arbeiten, die ein Frauenbild reproduzierten, das bei einigen auf Widerspruch stieß.
Wenn wie in diesem Fall eine Stilrichtung zu stark abfällt, reicht oft die Besinnung auf das gemeinsame Label, das nicht mit zu starken Ausreissern strapaziert werden sollte. Die Gratwanderung zwischen dem individuellen gestalterischen Anspruch und dem gemeinsamen Auftreten ist allgegenwärtig, ist aber letztendlich ein Vorteil, da so die verschiedensten Auftraggeber an Land gezogen werden können. Obwohl das Büro Destruct weitgehend den elektronischen Aspekten des postmodernen Lebensstils verpflichtet ist, spielt das WWW eine untergeordnete Rolle. Aufträge für Webdesign werden nur dann angenommen, wenn absolute Gestaltungsfreiheit besteht und selbst dann finden die BD-Grafiker die Darstellungsmöglichkeiten zu beschränkt, um ihre Ansprüche ausleben zu können. Papier ist und bleibt geduldiger.